So war das Varieté 2024: Tosender Applaus und ein Schuss Wehmut

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„High Energy“, die Showtanzgruppe der Grafinger Faschingsbären, zeigte atemberaubende Tanz- und Akrobatiknummern. © Rossmann

Das Faschingsvarieté des TSV Grafing hat das Publikum in vier ausverkauften Veranstaltungen begeistert. Ein Clown feierte Abschied von der Bühne.

Grafing – Akrobatik, Showtanz, quirlige Kindergruppen, Sketche und drei Clowns, die mit ihren scharfzüngigen Sprüchen nicht davor zurückschrecken, auch mal knapp unter die Gürtellinie zu zielen: Das Varieté des TSV Grafing ist nach Jahrzehnten seines Bestehens immer noch ein Großereignis in der Faschingskulisse des ganzen Landkreises Ebersberg. Wer was auf sich hält, ist unter den Gästen, und wer es verdient hat, kommt am Abend selbst in die Schusslinie.

Die Vorstellungen am Wochenende verlangten den Akteuren wie auch dem Publikum viel Durchhaltevermögen, dauerten sie doch jeweils weit über vier Stunden. Den Besuch war es aber allemal wert und ganz im Ernst: Jeder einzelne Akteur vor, auf und hinter der Bühne hatte seinen riesigen Applaus verdient. Zum Schluss gab es sogar stehende Ovationen und einen Schuss Sentimentalität, denn für einen Akteur war es der letzte Auftritt.

Die Theatergruppe der Grafinger Faschingsbären thematisierte in ihrem Theaterstück die Gastlichkeit des Grafinger Volksfestes.
Die Theatergruppe der Grafinger Faschingsbären thematisierte in ihrem Theaterstück die Gastlichkeit des Grafinger Volksfestes. © Rossmann

Durch das Programm führten die beiden Conferenciers Thomas Urban und Felix Richter. Dreh- und Angelpunkt aller Programmteile waren aber die drei Clowns Giagl, Wiggerl und Ferdl, alias Martin Weigand, Hermann Holzmann und Stefan Marschner, deren Auftritten das Publikum mit Spannung entgegensah, weil alle wussten: Heute bekommt die Prominenz ihr Fett ab.

Grafing wird zur Therapiestadt

So wurde unter anderem der Grafinger Bürgermeister Christian Bauer dafür gelobt, dass die Stadt mit inzwischen zahlreichen Praxen am Marktplatz auf bestem Wege ist, sich in eine „Therapiestadt“ zu verwandeln. Dass das freilich die schlechteste Entwicklung nicht sein kann, bewiesen die Clowns gleich selbst. Im vergangenen Jahr nämlich wurde Holzmann während der Vorstellung von einem stadtbekannten Therapeuten namens „Fränzi“ wegen eines akuten Hexenschusses behandelt und diesmal musste eigener Auskunft nach Weigand auf das Bühnendoping mittels ein paar Schnäpschen verzichten, weil er mit Antibiotika für seinen Auftritt fit gemacht wurde. Das flüssige Tempo des frechen Trios konnte all das freilich nicht bremsen.

Turnkinder entführen Publikum ins Weltall

Wie immer wurde das Programm von den Gardemädchen des TSV und dann von den den Turn-Kindern eröffnet, die das Publikum auf eine Reise ins Weltall und in Traumwelten entführten und dabei mit ihren Auftritten auch als Cheerleader viele Sympathiepunkte einsammelten. Die jungen Akrobaten bewältigten für ihr Alter eine erstaunlich lange Choreografie. Ganz nebenbei wurde den Besuchern vor Augen geführt, dass jeder Cent, der in der Stadt in den Sport und insbesondere in den TSV investiert wird, ein gut angelegtes Geld ist.

Sie dürfen traditionell gleich am Anfang auf die Bühne: Die kleinsten Turnerinnen des TSV Grafing.
Sie dürfen traditionell gleich am Anfang auf die Bühne: Die kleinsten Turnerinnen des TSV Grafing. © Rossmann

Die Ebersberger jedenfalls, so intonieren die Clowns, müssten neidvoll nach Grafing blicken, „weil nebenan ein Städtchen thront, in dem man wirklich gerne wohnt“. Ein bisschen Nachbarschaftsbashing geht immer, auch wenn nach Ansicht der Clowns in der Bärenstadt selbst nicht alles zum Besten bestellt ist. Im Song „Zwei dicke Italiener“ wurde zum Beispiel der rasante Wirtewechsel am Marktplatz thematisiert, bei dem Bräu Gregor Schlederer für seine Regie kritisiert wurde und bei dem zwei beliebten und beleibten Wirten aus bella Italia der Rat gegeben wurde, mit dem Auspacken der Umzugskisten ein bisschen zu warten. Schlederer wurde die Ehre zuteil, dass er in den Potpourris der Clowns gleich mehrfach Erwähnung fand. Wobei genüsslich darauf hingewiesen wurde, dass es außerhalb des Landkreises Ebersberg, sagen wir mal im Rosenheimer Bereich, eine Brauerei gibt, die mit feuerroten Anhängern und entsprechendem Equipment gerne in die Servicelücke des Grafinger Wildbräu stößt.

Movimento steht für Spitzenleistung: Zwei junge Frauen bei ihrer Vertikaltuchakrobatik.
Movimento steht für Spitzenleistung: Zwei junge Frauen bei ihrer Vertikaltuchakrobatik. © Rossmann

Detailreich ausgebreitet wurde auch ein Solo-Ausflug des Grafinger Landtagsabgeordneten Thomas Huber, der sich nach einem ausgiebigen Besuch einer Faschingsveranstaltung in der Kreisstadt auf der Heimfahrt mit der S-Bahn nach Grafing plötzlich am Ostbahnhof wiederfand, weil er im Zug eingeschlafen war. Zwischendrin begeisterten die Showtanzgruppe High Energy, die Grafinger Faschingsbären mit einem Sketch über die Gastlichkeit des Grafinger Volksfestes und vor allem auch zwei Turnerinnen der Gruppe Movimento das Publikum. Bei ihrer Vertikaltuchakrobatik gab’s Momente, wo alle den Atem anhielten. Nach der Pause ging es weiter mit den Cow-Girls der Turngruppe III und einem Sketch der Feuerwehr über den Kindergarten im Grafinger Stadtrat, bei dem Bürgermeister Bauer ein Auftritt mit voller Windel „spendiert“ wurde. Dann folgten „Chaos auf dem Roten Teppich“ der weiblichen Turnjugend und eine spektakuläre Show der Kuschelbärenbande mit neongrellen Leuchtstäben. Den Abschluss bildete der Auftritt der attraktiven Grafinger Gardemädchen, bevor es dann ein bisschen wehmütig wurde.

Hermann Holzmann, Martin Weigand und Stefan Marschner (v.l.) bei einer ihrer scharfzüngigen Einlagen. Für Holzmann ist die Varieté-Reise zu Ende.
Hermann Holzmann, Martin Weigand und Stefan Marschner (v.l.) bei einer ihrer scharfzüngigen Einlagen. Für Holzmann ist die Varieté-Reise zu Ende. © Rossmann

Denn für Clown Hermann Holzmann (69) war es nach 30 Jahren der letzte Auftritt, er geht in den Ruhestand. Es ist ein Verdienst der Clowns, dass dieser Abschied nicht zu sentimental wurde. Dem scheidenden Spötter wurde unter stehenden Ovationen des Publikums eine kleine Bühne ausgehändigt, auf der er selbst mit seinem unverkennbaren Kostüm zu sehen ist. Da brauche er jetzt nicht zu sehr ergriffen sein, meinte Clown-Kollege Weigand bei der Übergabe des Präsents an den Geehrten sinngemäß. Denn diese Ehrung bekomme er noch dreimal überreicht, sagte „Giagl“ mit Blick auf die noch ausstehenden Aufführungen.

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