Vorgezogene Parlamentswahl in Portugal: Gewinnt Montenegro trotz verlorener Vertrauensfrage?
Portugal wählt nach gut einem Jahr ein neues Parlament. Der bisherige Premierminister ist zwar angeschlagen, scheint aber gute Chancen zu haben.
Lissabon – Infolge des Bruchs der Ampel-Koalition bestand der 20. Deutsche Bundestag nicht wie geplant vier, sondern lediglich dreieinhalb Jahre. Deutlich früher als erwartet wurden die Bürger daher wieder an Wahlurnen gerufen, als am 23. Februar die Zusammensetzung des neuen Parlaments angesagt war. Von so viel Kontinuität können die Portugiesen nur träumen. Sie dürfen am Sonntag (18. Mai) bereits zum dritten Mal seit Anfang 2022 ein neues Parlament wählen.
Im März hatte Regierungschef Luis Montenegro eine Vertrauensabstimmung verloren, weshalb die Neuwahl nötig wurde. Der Vorsitzende der Partido Social Democrata (PSD) hat das Amt des Premierministers erst seit April 2024 inne, führt in der Assembleia da Republica – Portugals Parlament – eine Minderheitsregierung.
Montenegro vor Wiederwahl? Regierungschef führt Minderheitsregierung
Dem 52-Jährigen werden Interessenkonflikte im Zusammenhang mit einem Unternehmen seiner Familie vorgeworfen. Die Opposition befürchtet, seine Beratungs- und Immobilienfirma Spinumviva könnte von Montenegros politischem Amt profitiert haben, etwa bei Verträgen mit Privatkonzernen. Der Mitte-Rechts-Politiker bestreitet dies, verweist darauf, dass seine Söhne inzwischen das Unternehmen führen.

Zwei Misstrauensvoten überstand Montenegro. Als die Opposition eine parlamentarische Untersuchungskommission anstrengen wollte, entschied er sich für die Vertrauensfrage. Die bescherte Montenegro das vorzeitige Ende seiner Regierung. Aber nicht unbedingt seiner politischen Karriere, denn er tritt erneut als Spitzenkandidat der PSD an. Im Wahlkampf bekräftigte der in Porto geborene Jurist, nicht mit Unterstützung der extremen Rechten regieren zu wollen.
Ventura führt extreme Rechte an: Ex-Sportkommentator muss im Wahlkampfendspurt in Klinik
Die werden von Andre Ventura angeführt, der die Partei Chega – was übersetzt „genug“ heißt – 2019 gründete. Bis dahin gehörte der ehemalige Sportkommentator der PSD an. Bereits im Wahlkampf 2017 geriet Ventura wegen fremdenfeindlicher Angriffe gegen Roma in die Kritik. Vergangenes Jahr war Chega bereits drittstärkste Kraft.
Dabei punktete die Partei des 42-Jährigen vor allem mit Parolen gegen Minderheiten, das Establishment und Korruption. In der Endphase des aktuellen Wahlkampfes litt Ventura in dieser Woche zweimal unter gesundheitlichen Problemen, darunter erhöhtem Blutdruck. Kurzzeitig musste er sogar im Krankenhaus behandelt werden.
Santos hofft wie Montenegro auf zweite Chance: Einst schon Minister unter Costa
Pedro Nuno Santos war dagegen als Führungsfigur der Partido Socialista (PS) ein Hoffnungsträger für Montenegros Regierung, die auf Unterstützung aus der Opposition angewiesen war. Nachdem er sich bei der Verabschiedung des Haushalts für 2025 noch kooperativ gezeigt hatte, verbündete sich der 48-jährige Ökonom danach mit der radikalen Linken und der extremen Rechten im Parlament und trug zum Sturz von Montenegro bei.
Santos gehörte der vorherigen sozialistischen Regierung von Antonio Costa als Infrastrukturminister an. Allerdings überwarf er sich mit dem jetzigen Präsidenten des Europäischen Rates, weil er ohne dessen Zustimmung den Standort des künftigen Flughafens von Lissabon verkündete.
Sein Amt gab er Ende 2022 wegen eines Skandals um eine hohe Abfindung für einen Manager der nationalen Fluggesellschaft TAP auf. Wie auch Montenegro hofft Santos auf eine zweite Chance. Im Dezember 2023 wurde er als Nachfolger von Costa zum Generalsekretär der PS gewählt.
Ergebnis der Parlamentswahl 2024 in Portugal
Alianca Democratica (AD): 28,8 %
Partido Socialista (PS): 28 %
Chega (CH): 18,1 %
Iniciativa Liberal (IL): 4,9 %
Bloco de Esquerda (BE): 4,4 %
Coligacao Democratica Unitaria (CDU): 3,2 %
Livre (L): 3,2 %
Pessoas - Animais - Natureza (PAN): 2 %
Umfragen vor Portugal-Wahl: Montenegro liegt mit Bündnis deutlich vor Santos‘ Sozialdemokraten
Laut Umfragen hat Montenegro die besten Aussichten, mit seinem Bündnis Alianca Democratica (AD), stärkste Kraft zu bleiben. Dem Zusammenschluss aus drei Parteien und unabhängigen Persönlichkeiten wurden zuletzt sogar 33 Prozent der Stimmen zugetraut. Das wären über vier Prozentpunkte mehr als bei der vorigen Parlamentswahl. Dahinter folgt Santos‘ PS mit 26 Prozent, was einen Verlust von zwei Prozentpunkten bedeuten würde.
Noch im September lagen beide gleichauf, dann ging die Schere zugunsten des aktuellen Regierungschefs immer weiter auf. Chega hat sich zwischen 15 und 17 Prozent eingependelt, bei der vorigen Wahl waren es noch 18 Prozent. Alle weiteren Parteien werden mit einstelligen Prozentwerten vorhergesagt, womit sich die Regierungsbildung also wieder kompliziert gestalten dürfte. (mg, mit afp)