Kein Mann, kein Sex, keine Kinder - Irrer Gen-Z-Trend: „Ihr seid schwach, wenn ihr Gefühle für Männer habt“
Die Idee, der gesamten Männerwelt abzuschwören, stammt ursprünglich aus Südkorea: Hier formierte sich bereits 2019 die sogenannte „4B-Bewegung“. Ihre Regeln sind radikal: kein Sex mit Männern, keine heterosexuellen Beziehungen, keine Ehen und keine Kinder. Mitglieder der Bewegung wollen dabei nach eigenen Angaben ganz bewusst in Kauf nehmen, dass sich mit dieser Einstellung die ohnehin extrem niedrige Geburtenrate im Land noch einmal verringert.
Das klingt erstmal ziemlich verrückt – doch mit Blick auf die gesellschaftliche Lage im Land sind die Ideen der 4B- Bewegung gar nicht mehr so abwegig. Denn mit der radikalen Ablehnung von Männern reagieren die Frauen auf den tiefverwurzelten Sexismus, die steigende Gewalt und die generelle Misogynie in Südkorea. Das Land weist erschreckend hohe Zahlen bei Femiziden und Gewaltverbrechen in Beziehungen auf, während traditionelle Rollenbilder weiterhin fest verankert sind. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist hier längst nicht so fortgeschritten wie in vielen westlichen Ländern.
„Bemüht euch nicht um Dates, lasst euch scheiden“
Trotzdem: die Idee der weiblichen Enthaltsamkeit ist auch in den USA und in Europa längst angekommen. Der Hashtag #celibacy (zu Deutsch: Zölibat) hat auf TikTok fast 200 Millionen Views, kurz darauf folgt der Hashtag „boysober“, was so viel bedeutet wie „in Bezug auf Jungs nüchtern sein“.
„Alle Mädchen gehen in den Zölibatsstreik und hungern die Männer sexuell aus, bis sie lernen, sich richtig zu verhalten“, propagiert beispielsweise die amerikanische Influencerin Lana Del Redneck. Die 26-Jährige hat es in Sachen Männern offensichtlich gründlich satt: „Bemüht euch nicht um Dates, dezentralisiert Männer, lasst euch scheiden, legt ein Gelübde zum Zölibat ab. Ich habe es satt, dass Frauen verrückt nach Männern sind. Ihr seid schwach, wenn ihr Gefühle für Männer habt, ihr müsst erwachsen werden.“
Und auch die 24-jährige Coachin Victoria de Vall schreibt auf Twitter: „Wir sind durch damit, so zu tun, als wäre die Hook-up Culture empowering“. Seit 2020 lebt sie selbst enthaltsam, nachdem sie sich eingestand, dass sie sich mit ihren männlichen Sexualpartnern „unsicher“ fühlte: „Mir wurde klar, dass ich nicht wusste, wie Intimität aussieht“, sagt sie öffentlich.
„Ihr seid alle Arschlöcher, wir haben keinen Bock mehr“
Auch deutsche Influencerinnen zeigen sich begeistert von der Idee, den Männern den Rücken zu kehren: „Die Frauen haben derart genug von Männern, dass sie lieber aussterben, als zu heiraten“ erzählt zum Beispiel die TikTokerin "mlleopossum" begeistert in einem Video. „Sie sagen: ihr seid alle Arschlöcher, wir haben keinen Bock mehr auf patriarchale Strukturen. Also ich finde das geil.“
So radikal diese Vorstellungen auch klingen mögen – dass Sex bei jungen Menschen nicht mehr an erster Stelle steht, bestätigen auch Studien:
„Seit ein paar Jahren zeigt sich in einer ganzen Reihe von wissenschaftlichen Studien, dass junge Menschen weniger Sex haben als vor 15 oder 20 Jahren“, sagt die deutsche Psychologin Juliane Burghardt im Gespräch mit der „FAZ“. Das treffe auf Deutschland genauso zu wie auf die USA, Japan, Australien, Finnland oder Großbritannien. Die Generation Z hat weniger Sex.
Gefährliche Sex-Trends
Ein Grund könnte laut Burghardt darin liegen, dass insbesondere „Singlefrauen Sex oft als negativ erleben. Für Frauen ist Sex gefährlicher als für Männer. Die Wahrscheinlichkeit einer Vergewaltigung im Familien- oder Freundeskontext oder von Rape-Dates ist höher“. Hinzu kämen gefährliche Trends wie Würgen oder das sogenannte „Stealthing“, bei dem Männer während des Geschlechtsverkehrs heimlich das Kondom abziehen.
Außerdem gäbe es immer noch den sogenannten Orgasmus-Gap. „Auf den Orgasmus einer Frau kommen im Durchschnitt drei Orgasmen eines Mannes. Das ist ein riesiges Missverhältnis“, so Burghardt. „Wenn Frauen Dating und Sex als potentiell gefährlich und nicht sonderlich gut erleben – warum sollten sie es tun?“
Klar ist: Ob Hausfrauenromantik oder Sex-Streik, die Generation Z geht auch in Sachen Dating wieder einmal eigene Wege – ganz zur Freude oder eben auch zum Frust der Männerwelt.