Länger arbeiten, später in Rente: Wirtschaftsministerin Reiche fordert drastische Maßnahmen

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Die Menschen werden immer älter – und die Sozialsysteme sind unter Druck. Wirtschaftsministerin Reiche zieht drastischen Vergleich zu den USA.

Berlin – Deutschlands Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen. Unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ringt die Bundesregierung nicht nur aktuell um die Haltung zur Palästina-Frage, sondern steht auf Bundesebene vor einer Reihe anderer Probleme. Die Menschen in Deutschland werden nämlich immer älter und fordern so die Tragfähigkeit der Sozialsysteme heraus. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche fordert Konsequenzen und schaut dabei auch Richtung USA. Für ihren Vorstoß kassiert sie allerdings auch Kritik aus den eigenen Reihen.

Rente und Arbeit in Deutschland: Reiche fordert Umdenken

Die Deutschen müssen nach Einschätzung von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche länger und mehr arbeiten. „Der demographische Wandel und die weiter steigende Lebenserwartung machen es unumgänglich: Die Lebensarbeitszeit muss steigen“, sagte die CDU-Politikerin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Reiche kritisiert, dass sich zu viele zu lange der demographischen Realität in Deutschland verweigert hätten. „Es kann jedenfalls auf Dauer nicht gut gehen, dass wir nur zwei Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen.“ Der Vorschlag der Ministerin: „Wir müssen mehr und länger arbeiten.“ Es gebe viele Beschäftigte in körperlich anstrengenden Berufen. Es gebe aber auch viele, die länger arbeiten wollten und könnten. 

Arbeitszeit in Deutschland zu gering: „Soziales Sicherungssystem überlastet“ – Umdenken auch bei Rente

Unternehmen berichteten ihr, dass ihre Beschäftigten am US-Standort 1.800 Stunden pro Jahr arbeiteten, in Deutschland aber nur 1340 Stunden. „Im internationalen Vergleich arbeiten die Deutschen im Durchschnitt wenig“, kritisierte Reiche. Was im Koalitionsvertrag an Reformen stehe, werde auf Dauer nicht reichen. „Die sozialen Sicherungssysteme sind überlastet. Die Kombination aus Lohnnebenkosten, Steuern und Abgaben machen den Faktor Arbeit in Deutschland auf Dauer nicht mehr wettbewerbsfähig.“

Katherina Reiche
Die Lebensarbeitszeit muss steigen, sagt Wirtschaftsministerin Katherina Reiche. (Archivbild) © Michael Kappeler/dpa

Kritik an Reiches Vorstoß kommt unter anderem aus den eigenen Reihen. CDA-Bundesvize Christian Bäumler sieht Reiche als Fremdkörper in der Bundesregierung. Ihre Forderungen hätten keine Grundlage im Koalitionsvertrag. „Wer als Wirtschaftsministerin nicht realisiert, dass Deutschland eine hohe Teilzeitquote und damit eine niedrige durchschnittliche Jahresarbeitszeit hat, ist eine Fehlbesetzung“, sagte er. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) übte ebenfalls Kritik. Durch ein mögliches Credo, dass die Menschen länger arbeiten könnten, dürfe es nicht „zu einer Anhebung des Renteneintrittsalters durch die Hintertür kommen“, sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier.

Zukunft der Rente: SPD will einheitliche Versicherung – Offen für weitere Vorschläge

Während im Unions-Lager womöglich hitzig über Reiches Vorstoß zu Rente und Arbeit debattiert werden könnte, strebt die SPD weiterhin eine einheitliche Rentenversicherung für alle an. So sollen, nach Vorstellung der Sozialdemokraten, die Rentenzahlungen auch in Zukunft gesichert werden. Sie sei unverändert für eine Erwerbstätigenversicherung, in die auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete einzahlen, sagte Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) am Freitag bei einer SPD-Veranstaltung in Anklam (Landkreis Vorpommern-Greifswald). Unterstützung erhielt sie dabei von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Zugleich zeigte sich Bas aber offen für andere Vorschläge, die in der für Anfang 2026 angekündigten Rentenkommission diskutiert werden sollten. 

Mit Blick auf die gegenwärtige Situation im Zusammenhang mit Rente und Arbeit hatte zuletzt auch das Handwerk Alarm geschlagen. Handwerkspräsident Jörg Dittrich erklärte am Donnerstag, dass er die sozialen Sicherungssysteme in ernsthaften Schwierigkeiten sehen würde. „Wir sitzen in einem Schiff, das am Rumpf ein Leck hat. Und wenn wir dieses nicht bald abdichten, wird der Kahn komplett untergehen.“ Er sprach sich angesichts steigender Sozialabgaben für grundlegende Reformen aus. Das Bürgergeld dürfe keine „Wahlleistung“ sein, kritisierte er. (fbu/dpa)

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