Watzke vs. BVB-Fans: Grundsatzstreit um die Klub-WM

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Während BVB-Boss Watzke die FIFA Klub-WM als „große Chance“ preist, sehen viele Fans nur Kommerz. Ein Konflikt, der den modernen Fußball spaltet.

East Rutherford – Borussia Dortmund startet bei der FIFA Klub-WM am Dienstag gegen Fluminense ins Turnier (12 Uhr Ortszeit, 18 Uhr deutscher Zeit, alle TV-Infos).

Die bisherigen Eindrücke der auf 32 Teilnehmer vergrößerten Klub-Weltmeisterschaft sind geteilt: Der lockere Aufgalopp des FC Bayern gegen die neuseeländischen Amateure von Auckland City rief wie so manch anderes Spiel nur ein recht geringfügiges Interesse bei den amerikanischen Gastgebern hervor. Die Fans der Boca Juniors oder von Espérance Tunis hingegen haben für berauschende Atmosphären gesorgt.

Gegnerische Fans könnten BVB-Auftakt dominieren

Beim Auftakt des BVB im MetLife Stadium in East Rutherford (New Jersey), in Sichtweite der Skyline von New York City, wird die Heimspielstätte der NFL-Teams New York Giants und New York Jets womöglich von brasilianischen Fans dominiert werden.

Nur wenige Anhänger von Dortmund haben die weite und kostspielige Reise auf sich genommen. Zwar hat der BVB eine wachsende Fan-Community in den USA, das Fehlen der Schlachtenbummler aus Deutschland dürfte sich aber bemerkbar machen, während Fluminense auf eine große brasilianische Auswanderer-Community in den USA setzt.

Obendrein muss man wissen, dass die organisierte Dortmunder Fanszene der Klub-WM mehrheitlich sehr negativ gegenübersteht. Klubchef Hans-Joachim Watzke hingegen positionierte sich früh als großer Fan der FIFA-Idee. Die verschiedenen Ansichten sind nur sehr schwer in Einklang zu bringen.

BVB und die Klub-WM: Watzkes globale Vision trifft auf Fan-Widerstand

„Der Fußball gehört uns Europäern nicht alleine“, erklärt Watzke im Interview mit dem Fachmagazin kicker und argumentiert: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass in Südamerika, in Asien und in Afrika ein großes Bedürfnis herrscht, auch mal gegen Real Madrid oder Bayern München zu spielen.“ Der BVB-Boss sieht die neue Klub-WM als überfällige Korrektur einer ungerechten Fußball-Architektur.

Das einflussreiche Fan-Magazin Schwatzgelb widerspricht vehement: „Die Klub-WM ist das Sinnbild für die fortschreitende Eventisierung des Fußballs: Pompöse Show, Mega-Sponsoren, Milliarden-Deals – alles im Dienste eines aufgeblasenen Produkts.“ Das Argument der globalen Gerechtigkeit halten viele Fans für vorgeschoben, sie erkennen im Kern reine Kommerzialisierung.

Die Positionen von Hans-Joachim Watzke und vieler BVB-Fans zur Klub-WM scheinen unvereinbar. © Montage/IMAGO / osnapix / RHR-Foto

Thema Belastung spaltet die BVB-Lager

Neben der Frage, ob mit der Klub-WM höhere Ziele oder doch nur schnöder Mammon verfolgt wird, ist die Frage nach der Belastung der Profis ein weiterer Punkt, an dem Funktionäre und Fans deutlich aneinander vorbeireden.

„Ich habe bislang keinen Spieler vernommen, der gesagt hat, er wolle bei der Klub-WM nicht dabei sein“, sagt Watzke. Seine Botschaft: Die Akteure selbst wollen dieses Turnier. Gleichzeitig räumt er ein: „Mehr Spiele dürfen es nicht mehr werden, wir sind jetzt wirklich am Limit.“

Schwatzgelb sieht den Rubikon aber schon überschritten. „Der Fußballkalender ist heute durch Liga, Pokal, internationale Wettbewerbe und Länderspiele restlos überfüllt – und die FIFA setzt noch eine 32-Team-Klub-WM im Sommer obendrauf.“ Die Fans warnen vor Überbelastung und Gesundheitsgefahr für die Spieler, sehen auch einen „generellen Qualitätsverlust“.

BVB-Fans kritisieren wachsende Ungleichheit

Bei der finanziellen Bewertung prallen die Weltsichten besonders hart aufeinander. Watzke relativiert die Zusatzeinnahmen: „Nehmen wir an, ein Klub verdient 50 Millionen Euro bei der Klub-WM. Man muss es auf vier Jahre hochrechnen, dann sind das 12,5 Millionen Euro pro Saison. In etwa diese Summe gibt es in der Champions League für den Schritt aus dem Achtel- ins Viertelfinale.“

Das Fan-Magazin dürfte das als Verharmlosung betrachten: „Die teilnehmenden Vereine profitieren finanziell enorm von der Klub-WM. Das reißt die Schere zwischen den Vereinen auf nationaler Ebene noch weiter auseinander.“

Dabei sei das Problem schon jetzt greifbar, weil die Einnahmen aus den Europapokalen die Unwucht zementierten. „Trotz einer extrem schwachen Saison erhält der BVB sein Abo auf die Champions-League-Plätze und wirft mit dem SC Freiburg einen ressourcenschwächeren Konkurrenten aus dem Rennen“, so Schwatzgelb zum erfolgreichen Endspurt des BVB in der Bundesliga.

Sportliche Legitimation der Klub-WM: Highlight oder Luftnummer?

Die sportliche Bewertung offenbart weitere Gräben. Watzke verspricht „alle vier Jahre ein echtes Highlight im Programm“ und betont: „Das Format der Klub-WM wird sich entwickeln.“ Die bisherige Version sei „Slapstick“ gewesen, „das hat niemand ernst genommen“. Ob das 10:0 der Bayern gegen Auckland die Bewertung des Turniers in Deutschland positiv verändert, sei dahingestellt.

Schwatzgelb bleibt skeptisch: „Sportlich ist die Klub-WM weitgehend irrelevant. Es fehlt an Tradition, Relevanz und echter Spannung.“ Die Fans kritisieren beispielsweise die „fragwürdige Qualifikation“ von Inter Miami, das „nie einen internationalen Titel gewonnen hat, aktuell nicht zur sportlichen Elite gehört, aber dank der bloßen Anwesenheit von Lionel Messi vermarktbar ist“. Der Klub bestritt das Eröffnungsspiel gegen Al-Ahly aus Ägypten, eine torlose Nullnummer.

Klub-WM zeigt unvereinbare Fußball-Philosophien auf

Die Kontroverse um die Klub-WM spiegelt einen fundamentalen Konflikt im modernen Fußball wider. Watzke repräsentiert die pragmatische Sicht der Funktionäre: globale Märkte erschließen, wirtschaftliche Realitäten akzeptieren, Kompromisse finden. Das Fan-Magazin Schwatzgelb verkörpert eine gewissermaßen idealistische Perspektive: Authentizität bewahren, Kommerzialisierung begrenzen, den Fußball als Kulturgut schützen.

Bemerkenswert ist dabei, dass sich Watzke selbst gleichzeitig als Fußballromantiker präsentiert. „Die meisten wissen nicht, dass ich von 1995 an 28 Jahre lang Präsident in Erlinghausen war. Das ist mein Heimatverein, den ich immer noch liebe. Neulich kam ich an einem Sonntag aus London, extra schon mit Zielflughafen Paderborn, um zumindest noch 15 Minuten vom Sauerlandderby zwischen Erlinghausen und TuS Sundern in der Landesliga sehen zu können. In dem Stadion, in dem ich früher selbst gekickt habe. Ich liebe das, das ist einfach mein Leben.“

Beide Seiten haben durchaus nachvollziehbare Argumente auf ihrer Seite. Die Frage ist, ob sich diese Positionen jemals versöhnen lassen – oder ob der Fußball dauerhaft zwischen Business und Romantik zerrissen bleibt. Für manche Teilnehmer bei der Klub-WM mag das gar nicht so wichtig sein.

Borussia Dortmund, Stichwort „Echte Liebe“, kann sich dem Konflikt aber nicht ohne Weiteres entziehen.

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