100 Jahre Skiclub: Erinnerungen an Zeiten, als es in Tölz noch eine Sprungschanze gab

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Fliegende Menschen hoch über der Tölzer Stadtkulisse – aufgenommen beim Skispringen 1949 auf der neuen Schanze am Studentenbühel. © Skiclub Bad Tölz

Zum 100. Geburtstag des Skiclub Bad Tölz: Eine historische Rückschau auf amüsante und tragische Geschichten aus den Anfängen des Vereins.

Bad Tölz – Ende des 19. Jahrhunderts kam der alpine Skilauf in Schwung. Mit der Eisenbahn kamen auch im Winter immer mehr Touristen in die Berge. Erste Skischulen wurden gegründet. Ab 1920 brachte Arnold Fanck mit seinen erfolgreichen Filmen das Skifahren ins Kino. Sie zeigten die Schönheit der verschneiten Berge und trugen dazu bei, dass Skifahren rasch zum Volksssport wurde. Am 15. Januar 1923 gründeten acht Skipioniere im „Bruckbräu“ den Skiclub Bad Tölz. Am kommenden Donnerstag, 23. November, feiert der Verein im Tölzer Kurhaus sein 100-jähriges Bestehen.

Schlittschuhlaufen auf dem Klammerweiher

Als Vorläufer des Tölzer Skiclubs entstand bereits 1907 der Wintersportverein. Er organisierte Schlittschuhlaufen, Eishockey und Eisstockschießen auf dem Klammerweiher sowie Skilaufen und Rodeln am Tölzer Hausberg zwischen der Blockhütte und dem neuen Blomberghaus. Gute Kursleiter sorgten für viel Zulauf, und die Kurstadt unterstützte diese Entwicklung nach Kräften, sorgten die neuen Gäste doch auch während der Wintersaison für belegte Betten.

Wie Skiclub-Chronist Sepp Pallauf (Vorstand von 2008 bis 2018) berichtet, war es jedes Mal ein gesellschaftliches Ereignis, wenn Scharen von Neuankömmlingen am Tölzer Bahnhof in Empfang genommen wurden. Sie wurden in ihre Pensionen geleitet und ihre Namen in der Zeitung veröffentlicht. Pallauf hat auch viele schöne und traurige Begebenheiten und Anekdoten aus 100 Jahren zu erzählen.

Torlauf den Blomberg hinunter

Der erste Vereinsausschuss unter Vorstand Graf Hans Emil von Zech ging rasch daran, neben den Kursen auch Wettbewerbe zu organisieren. Nach einem Torlauf vom Blomberg hinunter (Siegerzeit: 7:17 Minuten) fand am 19. März 1923 ein vogelwilder „Geländelauf“ statt: Start am Gipfelkreuz der Benediktenwand, dann Westabfahrt zur Tutzinger Hütte, Gegenanstieg zum Probstensattel und Steilabfahrt durch den Bergwald entlang der Wasserfälle zur Längental-Alm. Sieger wurde Toni Albrecht in 54 Minuten. Als betagter Senior lebte dieser im Bruderhaus im Tölzer Gries. 1977 starb er unter tragischen Umständen: Unweit des Hauses wurde er das Zufallsopfer eines Mörders.

Fesch: Die Skifahrer (v. li.) Hartl Krinner, Xare Demmel, Michl Krinner, Toni Fichtner, Max Wild und Johann Bapist Edtmayr in der typischen Kluft der späten 1920er-Jahre
Fesch: Die Skifahrer (v. li.) Hartl Krinner, Xare Demmel, Michl Krinner, Toni Fichtner, Max Wild und Johann Bapist Edtmayr in der typischen Kluft der späten 1920er-Jahre © Skiclub Bad Tölz

Eine andere Geschichte aus der Gründerzeit ist diese: Ende der 1920er-Jahre lag Mitglied Toni Fichtner in einem Münchner Krankenhaus und bekam Besuch von seinem Freund Ossi Schwarzmayr. Der hatte am gleichen Tag in der Früh noch mit einer Vierer-Staffel am Rennen im Mittenwalder Dammkar teilgenommen. Anschließend hatte er sich in ein Faltboot gesetzt und war auf der Isar hinab bis in die Landeshauptstadt gefahren.

Katastrophe mit Todesfällen bei Schneechaos 1935

Bald nach der Vereinsgründung pachtete der Skiclub vom Lenggrieser Oswaldbauern die Quenger-Alm am Brauneck und von der Luxemburgischen Forstverwaltung die Bernau-Hütte unterm Kampen. Mitgliedern eröffneten sich damit wunderbare Ausflugsmöglichkeiten in die alpine Winterwelt. 1934 sprach man erneut beim Bauern vor und erwarb von ihm ein 800 Quadratmeter großes Grundstück am Brauneck, auf dem im Folgejahr die vereinseigene Tölzer Hütte entstehen sollte.

Die Vorbereitungen zum Hüttenbau waren in vollem Gange, da wurde der Skiclub in der Nacht auf den 3. Februar 1935 von einer Katastrophe heimgesucht: Im gesamten Alpenraum herrschte zu dieser Zeit Schneechaos, es gingen zahlreiche Lawinen ab. Acht Skiclub-Aktive nächtigten damals in der Bernau-Hütte. Ein Schneebrett vom Kampen erfasste die Hütte und schleuderte die Trümmer ins Tal. Lebend, aber verletzt und nahezu unbekleidet machte sich die Gruppe in der bitterkalten Nacht auf den weiten Rückweg nach Lenggries. Christoph Lemmer und Konrad Rauch haben das leider nicht überlebt.

„Bernau-Gedächtnislauf“ erinnert an schlimmes Ereignis

Aber zurück zur Tölzer Hütte. Sie wurde in Blockbauweise vom Tölzer Zimmerer Hartl Krinner vorgefertigt. Danach wurde der ganze Bausatz mit Pferdefuhrwerken zur Finstermünz-Alm gebracht. Vereinsmitglieder halfen tatkräftig beim Aufbau mit. Es spicht für das freundschaftliche Verhältnis zu den Almbauern, dass sie während dieser Wochen kostenlos in der Bayernhütte logierten. Eingeweiht wurde die Hütte am 20. Oktober 1935. Eine Woche später wurde in Erinnerung an das schreckliche Ereignis vom 3. Februar 1935 das heute noch erhaltene Bernau-Marterl am Hirschtalsattel geweiht. Seit 1937 trägt der Skiclub einen „Bernau-Gedächtnislauf“ aus – erst als Torlauf und seit den 1980er-Jahren als Langlauf.

Aus der Anfangszeit des Skiclubs stammt dieses Foto von Michl Krinner als akrobatischer Skifahrer am Zwiesel.
Aus der Anfangszeit des Skiclubs stammt dieses Foto von Michl Krinner als akrobatischer Skifahrer am Zwiesel. © Skiclub Bad Tölz

Nach 1933 geriet der Skiclub wie alle anderen Vereine immer mehr unter die Kontrolle der Nationalsozialisten und hatte es schwer, seine Identität zu bewahren. Doch es gab etwas, womit man abseits der offiziellen Parteilinie die Menschlichkeit bewahrte und das Vereinsleben aufrechterhielt: Während des Krieges verfasste Xaver Demmel insgesamt 48 Monatsausgaben des kleinen „Frontkurier“ mit Nachrichten aus der Heimat und Feldpost-Päckchen von Hans Gotz für alle Clubmitglieder an der Front. So gelang es in dieser schlimmen Zeit, Verbindungen und Freundschaften aufrechtzuerhalten.

Der Skisport kam immer mehr zum Erliegen – auch weil Skiausrüstungen für die Gebirgstruppen eingezogen wurden. Noch bis 1941 fungierte Zollinspektor Gustl Wedlich von seiner Dienststelle am Tölzer Bahnhof aus als Lagerverwalter und Schlüsselwart für die ursprüngliche Selbstversorgerhütte. Dann wurde er nach Innsbruck versetzt, wo sich seine Spur verliert. Furchtbare Bilanz des Krieges: 300 Tölzer Skiclub-Mitglieder wurden an die Front geschickt, 75 von ihnen sind gefallen oder gelten als vermisst. 1950 errichtete der Club bei seiner Tölzer Hütte eine Kapelle mit Gedenktafel mit den Namen seiner Kriegsopfer. Jedes Jahr am ersten Sonntag im Oktober findet dort eine Bergmesse statt.

Nach dem Krieg liegt der Skiclub am Boden

Unmittelbar nach dem Krieg wurde in die Hütte eingebrochen, alle Lebensmittelvorräte wurden gestohlen. So groß war die Not. Noch viel schlimmer: Bei einem Ausflug ins Karwendel wurde Mitglied Sepp Prieglmeir im Februar 1948 an der Straße nach Fall Opfer eines Raubmords. Daran erinnert noch heute ein Marterl an der B13.

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Nach dem Krieg lag der Skiclub am Boden. Es war Hans Rein sen., der in Verhandlungen mit den Amerikanern erreichte, dass der Verein rehabilitiert wurde und seinen Betrieb wieder aufnehmen durfte. Anfangs war die wiedereröffnete Hütte häufig überbelegt. Als Gegenleistung für einen Platz in den sechs „Logen“ mit jeweils vier Lagern (man nannte sie unter anderem „VIP-Loge“, „Klo-Loge“ und „Saubären-Loge“) waren Arbeitsdienste zu leisten. 1952 hat der Skiclub seine Hütte für drei Jahre an die Skisparte des FC Bayern München verpachtet. Langjährige Wirtsleute der später bewirtschafteten Unterkunft waren unter anderem Hilde und Stefan Gerg, Margit und Hubs Walther sowie Johanna und Schorsch Glaßner.

Vorbildlich: Touristen wurden seinerzeit mit einem Shuttlebus zum Skifahren an den Blomberg gebracht.
Vorbildlich: Touristen wurden seinerzeit mit einem Shuttlebus zum Skifahren an den Blomberg gebracht. © Skiclub Bad Tölz

Das Skispringen stand im Verein von Anfang an hoch im Kurs: Kleinere Naturschanzen gab es am Sauersberg und an der Boxleiten, auf denen Sprünge bis zu 25 Metern möglich waren, wobei noch mit normalen Alpinskiern gesprungen wurde. Dann errichtete der Skiclub unter der Regie von Toni Fichtner und Hans Gotz und mit Unterstützung der Amerikaner eine neue größere Sprunganlage am Tölzer Studentenbühel (Wackersberger Leite). Die wurde am 6. Februar 1949 im Beisein von 5000 Zuschauern mit einem Wettbewerb eingeweiht. Dabei gab es Sprünge von bis zu 56 Metern – und höchst eindrucksvolle Fotos von fliegenden Sportlern über der Stadt. Die Wettbewerbe fanden bis 1964 statt. Dann stieg der Skiclub aus, weil die Entwicklung des Sports den Bau immer größerer Flugschanzen erforderte, wofür sich das Gelände am Studentenbühl nicht eignete.

Hans Zach versäumt wegen Blomberg-Wette Olympia-Teilnahme

Spitzensportler im Skiclub von internationalem Rang waren Franz Mächler (Spezialsprunglauf) in den 1930ern und Biathlet Forian Hüttner, der 1984 eine Bronzemedaille bei der Junioren-WM gewann. Unvergessen ist auch der aus dem Allgäu zugezogene und leider viel zu früh verstorbene staatlich geprüfte Skilehrer Sepp Schwärzler, der die Übungsleiter Alpin ausbildete und mit seinem stilistischen Ausnahmekönnen für einen Qualitätssprung sorgte.

Pioniere wie der Tölzer Lehrer Helmut „Fuzzi“ Drescher haben dazu beigetragen, auch den Skilanglauf populär zu machen. In den 1970er-Jahren hat er 60 Paar Langlaufskier für das Tölzer Gymnasium angeschafft und videogestützte Kurse durchgeführt, die bei guter Schneelage auf dem Schulsportplatz stattfinden konnten.

Einem Schäferhund das Rennrad hinterhergeworfen

Daneben gab es beim Skiclub immer wieder heiter-komische und schmerzhafte Episoden: Eishockey-Nationalspieler Hans Zach etwa ließ sich auf eine Wette ein, dass er in acht Stunden achtmal den Blomberg rauf- und runterläuft – danach hatte er derart angeschwollene Füße, dass die in keinen Schuh mehr passten und er die Olympia-Teilnahme 1976 in Innsbruck versäumte.

Einige Jahre später wurde Langlauftrainer Erich „Django“ Haff, der einen Ruf als harter Hund hatte, bei einer Rennrad-Trainingsrunde mit seiner Gruppe von einem Schäferhund zu Fall gebracht und erheblich verletzt. Wütend schleuderte er dem Tier sein Rad hinterher, begab sich dann ins Krankenhaus und wurde zusammengeflickt – um gleich anschließend einen Berglauf auf den Blomberg zu unternehmen. Danach hatte er dermaßen verschwitzte Verbände, dass er sich erneut in die Klinik begeben musste. Noch einmal brauche er nicht zu kommen, gab man ihm dort zu verstehen. (Rainer Bannier)

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