Schwere Anschuldigungen gegen Oberstaatsanwalt

Vergrößern des Bildes Karl-Erivan Haub: Er zählte zu den reichsten Menschen in Deutschland. (Quelle: imago stock&people)
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Eine Kamera nahm den Milliarden-Erben noch auf, dann verschwand er. Eine Journalistin glaubt, dass er untergetaucht ist – und die Staatsanwaltschaft bewusst mauert.

Die RTL-Journalistin Liv von Boetticher hat gemeinsam mit der Rechtsanwältin Julia von Dreden eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Staatsanwaltschaft Köln eingereicht. Es sei "mehr als nur zweifelhaft", ob sich der im Fall Tengelmann zuständige Oberstaatsanwalt mit der Materie "auch nur annähernd rechtlich wie tatsächlich im Rahmen der ihm gesetzlich auferlegten Ausforschungspflicht" auseinandergesetzt habe, schreibt von Boetticher in einer Mail, die sie am Donnerstag unter anderem an t-online verschickte.

Es ist der nächste Akt einer komplexen Geschichte, deren vielen Verwicklungen von Boetticher seit Jahren hinterherrecherchiert und über die sie diesen Mai ein ganzes Buch veröffentlichte. Es geht um das Verschwinden von Tengelmann-Erbe Karl-Erivan Haub – und um die Frage, ob in dem Fall möglicherweise ein Justizskandal vorliegt oder ob sich eine Journalistin heillos verrannt hat.

Liegt die Leiche Haubs am kalten Gletscher – oder lebt er noch?

Die Fakten: Der leidenschaftliche Skifahrer Haub war am 7. April 2018 allein zu einer Tour am Klein Matterhorn in der Schweiz aufgebrochen. Eine Überwachungskamera registrierte ihn an jenem Morgen noch an der Bergstation des Skigebietes, danach verliert sich seine Spur.

Tagelang suchten Rettungsteams den 58-Jährigen, Helikopter kreisten über dem Berg. Helfer seilten sich in Gletscherspalten ab, doch der Tengelmann-Erbe blieb verschwunden.

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Drei Jahre später erklärte ihn das Amtsgericht Köln für tot. Doch daran, dass die Leiche des Milliarden-Erbens seit Jahren unentdeckt im kalten Alpen-Eis liegt, will von Boetticher nicht glauben. Sie ist vielmehr davon überzeugt, er könnte in Russland untergetaucht sein, gemeinsam mit einer russischen Geliebten. Es ist eine wilde Geschichte, in der laut der Journalistin auch angebliche FSB-Agenten und krumme Deals eine Rolle spielen sollen. Haub habe es 2018 wohl vorgezogen, von der Bildfläche zu verschwinden.

Die Indizien: Fotos und Telefonverbindungsdaten

Die RTL-Journalistin behauptet, auch seine Familie müsse das wissen oder zumindest über starke Hinweise auf ein inszeniertes Verschwinden informiert sein. Es gebe Fotos, "die eine Person, die aussieht wie Karl-Erivan Haub, in unterschiedlichen Perspektiven in Moskau" zeigen. Die Bilder würden aus dem Februar 2021 stammen, sie hätten eine relativ gute Auflösung und seien aus wenigen Metern Entfernung auf der Straße aufgenommen worden. Das Gesicht der abgebildeten Person sei gut zu erkennen.

Veröffentlicht wurden diese Bilder indes bisher nicht, von Boetticher sagt, dies gehe aus Quellenschutzgründen nicht. Aber Haubs Familie kenne die Aufnahmen. Und darüber hinaus gebe es weitere Hinweise: "Uns liegen mehrere Dokumente vor, laut denen man bereits sieben Tage nach dem Verschwinden intern nur zu fünf Prozent von einem Unfall ausging und im Juni 2018 bereits die 'aktuellen Kontakte des KEH' in Russland suchte", beteuert die Journalistin in ihrer Mail.

Auch der "Focus" berichtete diese Woche über den Fall: Man habe inzwischen Geheimpapiere interner Tengelmann-Ermittler einsehen können. Darin enthalten sei auch die Analyse von Telefonverbindungsdaten, aus denen hervorgehe, dass Karl-Erivan Haub "mit zunehmender Häufigkeit zum Tag des Verschwindens mit seiner Geliebten, Frau Veronika E., telefoniert habe".

Journalistin zeigte Bruder des Verschwundenen an

Aufgrund der gesammelten Indizien habe sie im Sommer den jüngeren Bruder von Karl-Erivan Haub angezeigt, offenbarte von Boetticher nun. Sie sei überzeugt, dass Christian Haub seinen großen Bruder wider besseres Wissen für tot erklären ließ, um so einen angestrebten Milliardendeal mit seiner Schwägerin Katrin Haub und ihren Kindern durchzubringen. Mehr über die Verteilung von Macht und Geld im Konzern nach dem Verschwinden von Karl-Erivan Haub lesen Sie hier.

Ihrer Anzeige habe sie damals umfangreiche Dokumente angehängt, die mindestens den Anfangsverdacht einer Straftat ergeben würden, sagte von Boetticher t-online – nämlich dass Christian Haub mutmaßlich eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Doch die Staatsanwaltschaft habe die belastenden Dokumente offenbar ignoriert.