Esken will trotz SPD-Wahldebakel nicht weichen – und peilt sogar Ministerium an
Die SPD fährt das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein, darf aber weiter regieren. Rettet das die Co-Parteichefin Saskia Esken? Das Murren in der Partei wird lauter.
Berlin – Saskia Esken begreift sich als Teil der Lösung, nicht des Problems. „Um die AfD wieder kleiner zu machen, kommt es darauf an, dass wir jetzt liefern“, sagt die SPD-Co-Chefin am Samstag, als sie zu Verhandlungen in der CDU-Zentrale eintrifft. Stabile Rente, gute Bildung, sichere Arbeit – darum gehe es. Punkte, die in der SPD inhaltlich viele unterschreiben dürften. Nur gibt es gerade an der Basis einige, die das lieber ohne Esken umgesetzt wüssten.
Trotz herber Wahl-Schlappe: SPD-Co-Chefin Esken will nicht weichen
So rief Fürths SPD-Oberbürgermeister Thomas Jung in der Bild am Sonntag Esken dazu auf, noch vor der SPD-internen Abstimmung über den Koalitionsvertrag ihren Verzicht auf ein Ministeramt zu erklären. „Die Genossin Esken sollte noch vor dem Mitgliederentscheid die Größe haben zu erkennen, dass sie keinen hilfreichen Beitrag leisten kann zu einem Wiederaufstieg der SPD.“
Gerhard Gaiser, SPD-Fraktionschef im Kreistag Freudenstadt in Eskens Wahlkreis, forderte, die Ministerliste vor dem Mitgliederentscheid offen zu legen. „Auf keinen Fall darf Saskia Esken als Ministerin wegbefördert werden“, sagte Gaiser. Sonst sehe er „schwarz für die SPD“. Auch Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange (SPD) mahnte, dass die Regierungsmitglieder den Politikwechsel verkörpern müssten.
„Die Geduld der Menschen mit der bisherigen Politik geht zu Ende“, sagte Lange. Von der Bundes-SPD verlangte sie eine Politikwende bei den Themen Migration, Frieden, Klima, Wirtschaft und Energie. „Und wir müssen passende Leute finden, die solche neuen Inhalte in der Regierung umsetzen.“ Esken wird links verordnet.
Esken in der SPD nicht unumstritten, aber weiterhin selbstbewusst
Dass sie parteiintern umstritten ist, war unlängst auch daran zu erkennen, dass ihr Kurzurlaub während der Koalitionsverhandlungen umgehend bei Journalisten publik wurde. Und die Kritik der Genossen kommt in Wellen. Schon vor der Wahl wurde Eskens unglückliches Auftreten in TV-Talkshows gerügt. Der Fürther Jung hatte dann im März eine Einzel-Spitze von Parteichef Lars Klingbeil verlangt. Andere (Ex-)Abgeordnete erinnerten süffisant an Eskens Wahlergebnis von 12,6 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis Calw. „Die klebt wie Pattex“, lassen sich Parteifreunde zitieren. Als Ende März gleich mehrere angebliche Ministerlisten in Umlauf gebracht wurden, fehlte die Chefin auf jeder.
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Doch Esken selbst hat offenbar wenig Lust, den alleinigen Sündenbock für das schlechte Wahlergebnis zu geben. In die Koalitionsverhandlungen wirft sie sich mit Selbstbewusstsein, beanspruchte von Anfang an eine führende Rolle gleichauf mit Co-Parteichef Klingbeil. Wenn er vor die Presse treten und Zwischenstände verkünden will, findet sich an seiner Seite stets Esken. „Das werden die Männer nicht unter sich ausmachen“, sagte sie schon zu Beginn der Gespräche im März. Und: „Ich sorge schon dafür, dass mir zugehört wird.“

Esken schmiedet ungewöhnliche Allianzen – strebt die SPD-Chefin einen Deal an?
Für Esken spricht: Über Ämter und ihre Besetzung entscheiden am Ende die obersten Verhandler, also sie selbst. Und kaum bemerkt von der Öffentlichkeit schmiedet sie ungewöhnliche Allianzen: Mit CSU-Chef Markus Söder, der ebenfalls auf einen sozialen Kurs etwa bei der Rente schaut, versteht sich die 63-Jährige besser, als manche ahnen. Sie sind per Du, haben Handynummern ausgetauscht. Welchen Posten sie sich genau zutraut, ist offen. Der Zeitplan würde ihr aber auch eine Art Deal erlauben: Im Mai ein Ministeramt greifen, dafür beim vorgezogenen Parteitag Ende Juni auf den Parteivorsitz verzichten.
Und es gibt auch Stimmen in der Partei, die die andauernde Diskussion offenbar eher nervt. „Die SPD fährt traditionell besser, wenn sie durch inhaltliche Vorschläge auffällt und nicht durch Personaldebatten“, sagte der Münchner Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff unserer Zeitung. „Was das Tableau für eine etwaige neue Bundesregierung betrifft, wird sich die Parteiführung um die beste denkbare Aufstellung bemühen.“