Streik-Chaos in Deutschland - Lufthansa und Verdi streben Schlichtungsverfahren in Tarifkonflikt an

Dreitägiger Warnstreik des Busunternehmens VHH hat begonnen

Donnerstag, 20. März, 08.30 Uhr: Der 72-stündige Warnstreik der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) hat am Donnerstagmorgen wie geplant begonnen. Kein Bus habe am Morgen zu Dienstbeginn die Depots verlassen, teilte ein Verdi-Sprecher mit. Fahrgäste müssten sich bis Sonntagmorgen auf „massive Einschränkungen auf allen knapp 170 Buslinien“ einrichten, teilte die VHH am Mittwoch mit.

Die VHH bedient viele Buslinien im schleswig-holsteinischen Umland der Hansestadt. Dadurch sind etliche Pendler aus dem Großraum Hamburg betroffen. Auch in Hamburg würden die Auswirkungen aber deutlich zu spüren sein, teilte eine Sprecherin der VHH am Morgen mit. Das Busunternehmen betreibt unter anderem die wichtigen Hamburger Buslinien 3, 15, 21 und 29. Auch die von VHH betriebenen Nachtbusse seien betroffen. Die Ahrensburger Busgesellschaft mbH, ein Tochterunternehmen von VHH, ist laut Angaben nicht von dem Streik betroffen.

Die Gewerkschaft Verdi hat die rund 2500 Beschäftigten des Busunternehmens zu einem dreitägigen Warnstreik aufgerufen im Streit um einen neuen Manteltarifvertrag. Aufgrund einer technischen Störung war die VHH selbst am Morgen weder per Telefon noch über E-Mail zu erreichen. Eine spezielle Hotline zum Warnstreik gebe es nicht, sagte eine Sprecherin. Fahrgäste sollte sich am besten an die Hotline des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) wenden unter der 040 19449, hieß es vonseiten des Unternehmens. Auch die HVV App sei aktuell. 

Ufo: Gespräche für Lufthansa-Kabinenpersonal bislang ohne Ergebnis

Mittwoch, 20. März, 09.02 Uhr: Die Lufthansa und die Flugbegleitergewerkschaft Ufo ringen weiter um einen Tarifkompromiss für das Kabinenpersonal. „Es hakt am Geld und an der Laufzeit“, sagte der Ufo-Vorsitzende Joachim Vazquez Bürger am Mittwoch auf Anfrage nach einer zweitägigen Verhandlungsrunde. Es solle weiter verhandelt werden. „Aber ob es vor Ostern eine Einigung gibt, ist derzeit nicht abzusehen.“

Die Gewerkschaft Ufo hatte für die etwa 18 000 Kabinenbeschäftigten der Lufthansa und die knapp 1000 Kräfte der Regionaltochter Lufthansa Cityline im Kern 15 Prozent mehr Geld bei einer Vertragslaufzeit von 18 Monaten gefordert. Außerdem will die Gewerkschaft eine Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro sowie höhere Zulagen erreichen. Vergangene Woche hatten die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter der Lufthansa und der Lufthansa Cityline an den Flughäfen Frankfurt und München jeweils an einem Tag die Arbeit niedergelegt. Zehntausende Passagiere waren betroffen.

Am Mittwoch soll zudem die sechste Verhandlungsrunde für das Luftsicherheitspersonal an Flughäfen zwischen der Gewerkschaft Verdi und den privaten Unternehmen der Luftsicherheit nach der Warnstreikwelle in der vergangenen Woche beginnen.  Noch ungelöst ist auch der Tarifkonflikt der etwa 25 000 Beschäftigten der Lufthansa am Boden. Hier sollen Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow und der frühere Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, schlichten.

Urabstimmung über unbefristete Streiks bei Lufthansa gestartet

12.06 Uhr: Im Tarifkonflikt beim Lufthansa-Bodenpersonal hat die Gewerkschaft Verdi am Dienstag mit der Urabstimmung über unbefristete Streiks begonnen. Der Andrang der Mitglieder sei enorm, sagte Verdi-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky. Zwar sollen Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow und der frühere Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, in der Auseinandersetzung schlichten. „Sollte die Schlichtung jedoch kein Ergebnis bringen, dem die Beschäftigten zustimmen können, ist davon auszugehen, dass es zu Erzwingungsstreiks kommen wird", hatte Reschinsky gesagt. Ein Erzwingungsstreik ist ein unbefristeter Streik.

Die Schlichtung soll am kommenden Montag (25. März) beginnen und spätestens am Gründonnerstag (28. März) enden.  Damit sollen Streiks an Ostern vermieden werden. Während der Schlichtung soll eine Friedenspflicht gelten. 

Verdi verlangt für die etwa 25 000 Beschäftigten der Lufthansa am Boden bei einer Laufzeit von zwölf Monaten 12,5 Prozent mehr Geld, während das Unternehmen bei einer Laufzeit von 28 Monaten bislang 10 Prozent angeboten hat. Vergleichsweise unstrittig ist eine Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro. Zuletzt waren wegen eines von Verdi organisierten Warnstreiks in diesem Bereich Hunderte Lufthansa-Flüge ausgefallen.

Beschäftigte bei Ford-Zulieferern nehmen Sozialtarifverträge an

Dienstag, 19. März, 06.31 Uhr: Mit großer Mehrheit haben die Beschäftigten von fünf Betrieben im Zulieferpark beim US-Autobauer Ford Saarlouis am Montag für die Annahme ausgehandelter Sozialtarifverträge gestimmt. Bei vier Firmen lag die Zustimmung der Beschäftigten zwischen 90 und 100 Prozent, bei einem Betrieb bei gut 77 Prozent, sagte der 2. Bevollmächtigte und Verhandlungsführer der IG Metall Völklingen, Ralf Cavelius, der Deutschen Presse-Agentur.

Nach tagelangen Verhandlungen hatten die IG Metall und die Zulieferer am Sonntagabend eine Einigung erzielt. „Es ist ein exzellentes Ergebnis“, sagte Cavelius am Montag und betonte, dass dieses auch auf die große Solidarität“ bei den Beschäftigten zurückgehe. 

Am Freitag vor einer Woche hatte die Gewerkschaft die rund 500 Beschäftigten der Betriebe zu einem unbefristeten Streik aufgerufen. Nach vier Tagen Ausstand gab es eine Streik-Pause, um neu zu verhandeln - bis es zum Abschluss kam. Nun gebe es hohe Abfindungsbeträge, Transfergesellschaften und Übergangsregelungen für ältere Mitarbeiter, sagte Cavelius. 

IG Metall: Ergebnis mit Ford-Zulieferern erzielt

20.52 Uhr: Nach tagelangen Verhandlungen haben die IG Metall und Zulieferer bei Ford in Saarlouis ein Verhandlungsergebnis erzielt. „Wir haben mit den fünf Betrieben Verträge geschlossen“, sagte der 2. Bevollmächtigte und Verhandlungsführer der IG Metall Völklingen, Ralf Cavelius, am Sonntagabend der Deutschen Presse-Agentur. „Und für alle haben wir ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann und sich deutlich von normalen Sozialplanthemen abhebt.“

Am morgigen Montag gebe es Betriebsversammlungen in den einzelnen Betrieben: Dort werde über die Annahme der Sozialtarifverträge abgestimmt, sagte Cavelius. Zudem gebe es eine Urabstimmung über die Beendigung des Streiks. Am Freitag vor einer Woche hatte die Gewerkschaft die rund 500 Beschäftigten der Betriebe zu einem unbefristeten Streik aufgerufen. Nach vier Tagen im Ausstand wurde dann eine Streik-Pause eingelegt, um neu zu verhandeln.

„Wir wollten eigentlich Arbeitsplätze, die kriegen wir nicht“, sagte Cavelius. „Also wollen wir die zweitbeste Lösung. Das ist immenses Geld.“ Es gebe Abfindungsbeträge, Transfergesellschaften und Übergangsregelungen für ältere Mitarbeiter. „Wir haben deutlich mehr gefordert. Aber wir sind deutlich an unser Ziel herangekommen“, sagte er. 

Anlass für die Verträge ist das vom US-Autobauer Ford angekündigte Ende der Produktion in Saarlouis im November 2025. Für die Beschäftigten im Ford-Werk gilt seit Ende Februar ein Sozialtarifvertrag. Die Vereinbarungen beinhalten die Weiterbeschäftigung von 1000 der insgesamt 3750 Ford-Mitarbeiter bis Ende 2032, hohe Abfindungen und Prämien, die Bildung einer Transfergesellschaft und Qualifizierungsprogramme. Außerdem wurde das Ende der Produktion des Ford Focus um ein halbes Jahr auf November 2025 verschoben.

Bahn und GDL verhandeln wieder - Debatte über Streikrecht geht weiter

15.29 Uhr: Nach der Rückkehr von Deutscher Bahn (DB) und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) an den Verhandlungstisch haben sich beide Seiten am Wochenende zuversichtlich gezeigt, in der nächsten Woche ein Ergebnis mitteilen zu können. Die GDL verzichtet bis dahin auf weitere Streiks. Bei Politik und Gewerkschaften ging die Debatte über eine Reform des Streikrechts unterdessen weiter.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte in der „Bild am Sonntag“ Einschränkungen. „Wir brauchen umfassende Reformen beim Streikrecht im Bereich der kritischen Infrastruktur“, sagte er der Zeitung. „Dazu gehören Instrumente wie verpflichtende Schlichtungen, klare Streikfristen und die Möglichkeit, Verhandlungsführer auszutauschen. Auch müssen wir über eine generelle Einschränkung des Streikrechts in sensiblen Bereichen sprechen.“

Gerade bei der sogenannten kritischen Infrastruktur sei es zentral, „dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt und eine maßlose Streikgier, wie wir sie erlebt haben, in Zukunft unterbunden wird“, sagte der FDP-Politiker. 

Besonders das Verhalten der GDL kritisierte Djir-Sarai hart: GDL-Chef Claus Weselsky habe „das ganze Land monatelang in Geiselhaft genommen, ohne ernsthafte Bereitschaft zur Kompromissfindung erkennen zu lassen.“ Der volkswirtschaftliche Schaden für Deutschland sei mittlerweile enorm. „So kann es in Zukunft nicht weitergehen“, sagte der Generalsekretär.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte dagegen der „Rheinpfalz“ (Montagsausgabe): „Wir können Tarifkonflikte nicht über das Streikrecht lösen.“ Es sei Aufgabe der Bundesregierung, das geltende Recht zu schützen", sagte Wissing. „Deshalb verbietet es sich für mich, in der laufenden Auseinandersetzung daran etwas in Frage zu stellen.“

Trotz der Streiks hält Wissing dem Interview zufolge die Privatisierung der Bahn für richtig. „Wir haben eine neue Infrastrukturgesellschaft geschaffen, die den Infrastrukturbereich am Gemeinwohl orientiert steuert, aber der Betrieb muss privat sein“, sagte er und ergänzte, dass Deutschland kein Land sei, in dem besonders viel gestreikt werde. „Auch wenn derzeit viel zusammenkommt.“

Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Yasmin Fahimi (SPD), verwies in der Diskussion auf die Tarifautonomie. „Das Streikrecht ist ein in der Verfassung verankertes Grundrecht“, sagte sie dem Onlineportal Web.de News. Eine Einschränkung „wäre eine Beschneidung der Tarifautonomie – das können und werden wir nicht akzeptieren“.

In Deutschland gebe es ein sehr restriktives Streikrecht, führte Fahimi aus. Wenn dieses infrage gestellt werde, „ist das entweder reiner Populismus oder ein leichtfertiges Spiel mit Verfassungsrechten.“ Forderungen nach einer Einschränkung des Streikrechts seien „eine absolute Kampfansage an die Gewerkschaften und wir werden da keinen Millimeter nachgeben.“

In den vergangenen Tagen hatten unter anderem SPD-Chef Lars Klingbeil und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich Forderungen nach Einschränkungen des Streikrechts zurückgewiesen. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) plädierte dagegen für Reformen.

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