Schlafstörungen? So hilft Kirschsaft womöglich beim Einschlafen
Schlafstörungen? So hilft Kirschsaft womöglich beim Einschlafen
Leiden Sie an Schlaflosigkeit? Neben Baldrian zeigen Studien, dass Kirschsaft als Schlafhilfe dienen kann. Erfahren Sie hier, was es mit dieser Empfehlung auf sich hat.
Möchten Sie Ihre Schlafprobleme auf natürliche Weise lindern, greifen die meisten Menschen zunächst zu Baldrianpräparaten. Jedoch könnten Sauerkirschen hier eine vielversprechende Option darstellen. Da diese Steinfrüchte kleine Mengen des Schlafhormons Melatonin enthalten, wird angenommen, dass Kirschsaft das Einschlafen unterstützen kann.
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Schlaf und Kirschsaft: Erkenntnisse aus der Forschung
Sauerkirschen, insbesondere die Sorte Montmorency, beinhalten das Schlafhormon Melatonin, welches maßgeblich den menschlichen zirkadianen Rhythmus, also den Schlaf-Wach-Rhythmus, reguliert. Zusätzlich ist in diesen Früchten die Aminosäure Tryptophan vorhanden. Tryptophan ist essenziell für die körpereigene Produktion von Serotonin und Melatonin. Aus diesem Grund wird angenommen, dass Kirschsaft aus Sauerkirschen nicht nur das Einschlafen fördert, sondern auch zu einer längeren Schlafdauer beitragen kann.

Diese Annahme wird von der Ernährungsberaterin Beth Czerwony in einem Bericht der renommierten Cleveland Clinic in den USA bestätigt. Sie erklärt: „Weil Sauerkirschen unterschiedliche Enzyme enthalten, halten sie das Tryptophan tatsächlich länger im Körper. Dadurch schläft man nicht nur schneller ein, sondern schläft auch länger.“
Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen haben die potenziellen Auswirkungen von Sauerkirschsaft auf den Schlaf erforscht.
- Eine im Jahr 2010 durchgeführte Studie untersuchte die Schlafveränderungen bei 15 älteren Personen, die unter chronischer Schlaflosigkeit litten. Die Probandinnen und Probanden nahmen zunächst zwei Wochen lang eine Sauerkirschsaft-Mischung ein und nach einer zweiwöchigen Unterbrechung für weitere zwei Wochen ein Placebo. Das Kirschsaftgetränk führte zu einer deutlichen Reduzierung der Schlaflosigkeit, gemessen an der Verringerung der Wachminuten nach dem Einschlafen, im Gegensatz zum Placebo. Jedoch gab es keine vergleichbaren Verbesserungen bezüglich der Schlaflatenz (der Zeit bis zum Einschlafen), der gesamten Schlafdauer oder der Schlafeffizienz. Die Studienautorinnen und -autoren kamen zu dem Schluss, dass Sauerkirschsaftkonzentrat vergleichbar oder sogar etwas wirksamer sein könnte als Baldrian. Es wurde jedoch betont, dass die Effektivität von Kirschsaft im Vergleich zu evidenzbasierten Schlafmitteln bei Schlaflosigkeit geringer ist.
- Eine weitere Untersuchung aus dem Jahr 2012 begleitete 20 Teilnehmende, die über eine Woche entweder Sauerkirschsaft oder ein Placebo erhielten. Bei jenen, die Kirschsaft konsumierten, zeigten sich eine spürbare Steigerung der Gesamtschlafzeit und der allgemeinen Schlafeffizienz. Den Studienautorinnen und -autoren zufolge deutet dies darauf hin, dass ein Konzentrat aus Sauerkirschsaft sowohl die Dauer als auch die Qualität des Schlafs steigern und bei der Behandlung von Schlafproblemen hilfreich sein könnte.
- Eine Studie von 2018 umfasste acht Probandinnen und Probanden mit Schlaflosigkeit, die über zwei Wochen hinweg zweimal täglich 240 Milliliter Kirschsaft tranken, gefolgt von einer zweiwöchigen Pause und anschließend zwei Wochen lang einem Placebo. Diese Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass Kirschsaft die durchschnittliche Schlafdauer um 84 Minuten verlängern und die Schlafeffizienz verbessern kann.
Kirschsaft als Einschlafhilfe: Mehr Hoffnung als Gewissheit?
Obwohl die genannten und weitere Studien vielversprechende Resultate aufzeigen, bewertet die Verbraucherzentrale deren Aussagekraft als unzureichend. Die mangelnde Einheitlichkeit in der Durchführung ist hierfür der Hauptgrund: Die Studien analysierten die Effekte von Sauerkirschsaftmischungen, -konzentrat oder frischem Saft. Dies bedeutet, dass sich aus den Untersuchungsergebnissen keine klaren Empfehlungen bezüglich der genauen Zubereitungsform, der notwendigen Dosis oder der optimalen Einnahmezeit von Sauerkirschen ableiten lassen.
Wichtig zu beachten ist ferner, dass ein niedriger Melatoninspiegel zwar Schlafstörungen hervorrufen kann, dies aber nicht zwingend der Fall sein muss, wie Quarks berichtet. Hinzu kommt, dass Melatonin in der Leber rasch abgebaut wird. Generell halten Expertinnen und Experten die schlaffördernde Wirkung von Melatonin als Alternative für Schlafmittel für überschätzt; die Effekte von synthetischem Melatonin auf den Schlaf seien nur gering. Ingo Fietze, der Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Berliner Charité, führt in einem Quarks-Artikel aus: „Unter den Stoffen, die schlaffördernd wirken, ist Melatonin ein ganz schwaches Mittel.“ Er fügt hinzu, dass ein zusätzlicher Melatoninkonsum keinerlei Vorteile bringt, wenn abends bereits ein normaler Melatoninspiegel vorhanden ist.
Es sei angemerkt: Auch andere Nahrungsmittel, wie etwa Pistazien oder Goji-Beeren, enthalten Melatonin. Es ist jedoch laut einer Studie aus dem Jahr 2020 nicht erwartbar von diesen Lebensmitteln, einen merklichen Einfluss auf den Schlaf zu haben.
Kirschsaft als Einschlafhilfe: Ein Selbsttest
Im Rahmen eines Selbstversuchs konsumierte die Autorin einer Wellness- und Lifestyle-Plattform über einen Zeitraum von zwei Wochen täglich 60 Milliliter Sauerkirschsaft, jeweils eine Stunde vor dem Zubettgehen. Diese Menge war beträchtlich geringer als die 240 Milliliter, die in einer der erwähnten Studien den Probandinnen und Probanden verabreicht wurden. Dennoch beobachtete die Autorin während des Versuchszeitraums einen vergleichsweise konstanten und ungestörten Schlaf. Sie kann jedoch nicht mit Sicherheit sagen, ob der Sauerkirschsaft die alleinige Ursache war, da ihre Schlafprobleme auch durch ungesunde abendliche Gewohnheiten, bekannt als „Bedtime procrastination“, bedingt waren, welche sie während des Experiments ebenfalls ablegte.
Wenn Sie Sauerkirschsaft selbst als Einschlafhilfe testen möchten, ist es ratsam, ungesüßte Säfte, vorzugsweise in Bio-Qualität, zu wählen. Auf diese Weise können Sie unerwünschte Konservierungsstoffe, Farbstoffe, künstliche Aromen und beigefügte Vitamine sowie den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden meiden.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Sauerkirschsaft gilt als Schlafhilfe als vergleichsweise unbedenklich und ist kostengünstiger als hochpreisige Melatonin-Nahrungsergänzungsmittel. Allerdings ist seine Wirksamkeit wahrscheinlich sehr begrenzt oder gar nicht vorhanden. Sollten Sie unter Schlafstörungen leiden, empfiehlt es sich daher, diese von einer Ärztin oder einem Arzt abklären und behandeln zu lassen.