Bedrohtes Naturparadies - Urlaubshorror auf Kreta: Touristen werden auf Balos wie Schiffbrüchige behandelt

„Spielen die dort die Landung in der Normandie nach?“: So lautet einer der Kommentare unter einem Video, das gerade zehntausendfach in den sozialen Netzwerken geteilt wird. Der Clip zeigt Touristen, die aufgefordert werden, von einer Fähre durchs Meer zum Strand zu waten.

Das griechische Ministerium für Schifffahrt und Inselpolitik hat indes reagiert und einen erst kürzlich beschlossenen Erlass wieder zurückgenommen. Der Schutz der Touristen geht vor den Naturschutz.

Das alles hat sich rund um Balos zugetragen, einem kleinen Teil der Gramvousa Halbinsel und ungefähr zwölf Kilometer langen Geländesporn, der bis zum nordwestlichsten Ort Kretas reicht.

Ende vergangener Woche gingen die verstörenden Bilder um die Welt. Hunderte Touristen mussten vor der Bucht von Balos auf Kreta im Meer ihre Fähre verlassen und buchstäblich mit dem Wasser bis zum Hals zum Strand gehen.

Griechenland: Touristen tragen Habseligkeiten auf dem Kopf durchs Wasser

Ihre Habseligkeiten, Handtücher und Elektronik, wie feuchtigkeitsempfindliche Kameras und Mobiltelefone, mussten sie dabei auf dem Kopf tragen. Ältere, Gebrechliche und Familien mit Kleinkindern konnten unter diesen Umständen gar nicht von Bord gehen.

Sie hatten umsonst für die Tageskreuzfahrt zu einer der Hauptsehenswürdigkeiten Westkretas bezahlt. Die Übrigen mussten aufpassen, dass sie auf dem Weg zum Strand nicht ausrutschen. Auf den glitschigen Steinplatten im Meer haben schon viele das Gleichgewicht verloren.

Balos ist ein einzigartiges Naturschutzgebiet aus dem europäischen Natura-2000–Netzwerk bei Kissamos nahe Chania mit zwei einzigartigen Seiten. Auf der einen die Lagune mit feinem Sand und sehr flachem Wasser, die nur zum Spazierengehen geeignet ist.

Auf der anderen die malerische Meeresbucht mit transparentem, blaugrünem Wasser, das lange flach ist und dann immer tiefer wird.

Die Landschaft ist bezaubernd und liefert viele Fotos für Werbeprospekte, ist aber auch die am meisten in sozialen Netzwerken gepostete Ecke des westlichen Teils Kretas. Folgerichtig möchten viele Touristen dorthin.

Bis vor Kurzem gab es einen Pier

Das geht mühsam über den Landweg mit dem Auto über Schotterpisten und anschließender Wanderung über einen knapp 1,8 Kilometer langen Trampelpfad. Oder bequemer, mit der Fähre von Kissamos aus. Für Menschen mit eingeschränkter körperlicher Mobilität gibt es Esel als Reittiere über den Trampelpfad.

Bis vor Kurzem gab es bei Balos einen Pier. Die jetzt im Video gezeigten Szenen, bis vor rund zwanzig Jahren normal, sollten mit dem Pier der Vergangenheit angehören.

Das Naturschutzgebiet von Balos, das nach Berechnungen von Experten bis zu maximal 2900 Touristen pro Tag verkraften kann, hat in der Hochsaison täglich bis zu 8000 Besucher.

Die Experten weisen oft darauf hin, dass Balos, Lafonisi, der Samaria-Nationalpark und Falasarna Naturdenkmäler sind, die neben ihrem Wert für die Umwelt und die Menschen auch einen enormen touristischen Wert haben.

Massentourismus ist Griechenlands „Schweineindustrie“

Ihre Studien wurden mit staatlichen Geldern bezahlt. Sie ergaben, dass die physische Schwierigkeit des Zugangs ein strukturelles Element der Einzigartigkeit der Sehenswürdigkeiten und Naturschutzgebiete ist.

Infolgedessen schränkte die griechische Regierung den Zugang zu diesen Orten ein. Dazu gehörte im Regierungserlass vom Juni 2024 der Abbau von Landungsanlagen bei Balos bis zur Konstruktion eines nachhaltigen schwimmenden Piers.

Das virale „Video der Schande“, wie es in griechischen Medien genannt wird, sorgte für ein Einknicken. Seit Montag, den 15. Juli, kommen die Touristen über eine schwimmende Plattform wieder trockenen Fußes an den Strand. Der Massentourismus ist Griechenlands „Schwerindustrie“.