Ursache für den Kälteeinbruch? - 14 Millionen Jahre alte Passage: Sonne durchquerte Radcliffe-Welle und veränderte wohl Klima

Die Milchstraße ist ein dynamischer Ort, nicht nur weil alle Sterne um ihr Zentrum kreisen: Rund ein Drittel aller Sterne hat im Laufe der Zeit ihre galaktische Umlaufbahn stark verändert. Unsere Sonne befindet sich heute mehr als 2.000 Lichtjahre von ihrem Entstehungsort entfernt und wurde außerdem von ihren stellaren Geschwistern getrennt. Während dieser Wanderung hat unser Heimatstern verschiedene Regionen durchquert.

Radcliffe-Welle erst 2020 entdeckt 

Vor rund 14 Millionen Jahren war dies erneut der Fall, wie Astronomen um Efrem Maconi von der Universität Wien herausfanden. Die Wissenschaftler nutzten Daten des europäischen Gaia-Weltraumteleskops, um die Reise der Sonne in den letzten 30 Millionen Jahren zu rekonstruieren. "Dabei wollten wir klären, ob es zu einer Begegnung der Sonne mit der Radcliffe-Welle gekommen sein kann", erklärte das Team.

Die Radcliffe-Welle ist eine erst 2020 entdeckte Struktur in der Milchstraße: Dieses etwa 9.000 Lichtjahre lange Band aus dichten Gaswolken und Sternenwiegen macht etwa 20 Prozent des lokalen Orionarms aus und bewegt sich über lange Zeiträume wie eine Welle. Zu dieser Welle gehören auch bekannte Sternenwiegen wie der Orionnebel, die Taurus- und Perseus-Sternenwiegen sowie die Cygnus-Region.

Durchquerung der Orionnebel-Region

Wie sich herausstellte, durchquerte unser Sonnensystem tatsächlich einen Teil der Radcliffe-Welle vor etwa 18 bis 11 Millionen Jahren. "In unserer Rekonstruktion können wir sehen, wie die Sonne sich der Radcliffe-Welle nähert, sie durchquert und sich dann von ihr entfernt", berichteten die Astronomen. 

Dabei passierte die Sonne einige dichte Gaswolken, die heute zur Orion-Sternbildungsregion gehören. Besonders nahe kam sie der Geburtswolke des offenen Sternhaufens NGC 1980, der heute rund 1.800 Lichtjahre von uns entfernt ist.

Was waren die Folgen dieser Passage? Zum einen könnte die Kollision mit einer dichten Gaswolke die Heliosphäre, die schützende Magnethülle des Sonnensystems, stark deformiert haben. Vor rund zwei Millionen Jahren könnte die Erde dadurch fast ungeschützt dem interstellaren Medium ausgesetzt gewesen sein, wie Astronomen im Juni 2024 berichteten. Auch bei der Drift durch die Radcliffe-Welle könnte dies der Fall gewesen sein.

Interstellare Staubdusche für die Erde

Eine weitere Auswirkung der Passage war ein verstärkter Einstrom von interstellarem Staub in die Atmosphäre der Erde und der anderen Planeten. Die dichten Wolken der Radcliffe-Welle enthielten vermutlich vermehrt radioaktive Isotope aus Supernova-Explosionen wie Eisen-60, wie Maconi und sein Team erläuterten. Spuren dieses kosmischen Staubes könnten noch heute auf der Erde zu finden sein.

Allerdings zerfällt das Eisen-60-Isotop innerhalb von etwa 14 Millionen Jahren nahezu vollständig. Gängige Analysemethoden sind daher nicht in der Lage, diese kosmische Staubspur in Sedimenten dieses Alters nachzuweisen. "Aber künftige Fortschritte könnten dies ermöglichen", sagte Koautor João Alves von der Universität Wien.

Ursache für den Kälteeinbruch im Miozän?

Die Passage der Sonne durch die Radcliffe-Welle könnte noch weitere Auswirkungen gehabt haben. Klimadaten zeigen, dass sich vor 14 Millionen Jahren auch das Erdklima stark veränderte – genau zu der Zeit, als das Sonnensystem intensivem interstellarem Staub ausgesetzt war. Im mittleren Miozän wandelte sich das Klima von einem Wärmeoptimum hin zu kühleren Temperaturen, wodurch der antarktische Eisschild zu einem kontinentweiten Gletscher anwuchs.

War dies nur ein Zufall – oder steckt mehr dahinter? "Unsere Studie legt nahe, dass interstellarer Staub, der durch die Querung der Radcliffe-Welle auf die Erde gelangte, eine Rolle bei der Änderung des Klimas gespielt haben könnte", sagte Maconi. Allerdings hätte der Staubeinstrom aus dem All dafür um mehrere Größenordnungen stärker ansteigen müssen, als es damals wahrscheinlich der Fall war, so die Astronomen.

Dennoch schließen die Forscher nicht aus, dass die Durchquerung der Radcliffe-Welle vor 14 Millionen Jahren zumindest zur Klimaabkühlung im Miozän beigetragen haben könnte. "Wenn die zugrundeliegenden Faktoren besser eingegrenzt sind, könnte dies auch den Beitrag der solaren Wanderung zu diesem Ereignis klären helfen", schrieben die Forschenden. Jedenfalls zeigen ihre Erkenntnisse, dass auch unser Sonnensystem bereits eine ereignisreiche Reise hinter sich hat. (Astronomy & Astrophysics, 2025; doi: 10.1051/0004-6361/202452061)

Quelle: Universität Wien

Von Nadja Podbregar

Das Original zu diesem Beitrag "Unsere Sonne hat die Radcliffe-Welle durchquert" stammt von scinexx.