FOCUS-Briefing von Tanit Koch - Kanzler Scholz im TV-Duell: Ich, Olaf, Kaiser und Gott

Erstaunt hat mich, in dem überwiegend überraschungsfreien Aufeinandertreffen, nur das wenig subtile Ausmaß des Eigenlobs von Olaf für Olaf: „Ich habe dafür gesorgt…“, „Es hat noch nie schärfere Gesetze gegeben… “, „Meine Regierung hat…”, „Ich habe alle angerufen…“, „Mein Kurs hat...“, „Ich habe durchgesetzt, …“, „Ich bin stolz darauf,...“ – ich, Olaf, Kaiser und Gott.

„Märchenschloss“, sagte Friedrich Merz dazu. Doch die 90 Minuten TV-Schlagabtausch hatten noch mehr zu bieten:

Flecktarn-Faktor: Mangels Amts bonus  war Scholz im Kampfmodus – angriffslustig, aber auch unter Druck.

Eigentor-Risiko Friedrich Merz

Eigentor-Risiko: Die größte Gefahr für Friedrich Merz ist bekanntlich Friedrich Merz, der sich – wenn er sich zu sicher fühlt – schon mal selbst ein Bein stellt. Davon gestern keine Spur.

Charme-Offensive: Der 1,98m-Herausforderer wirkt oft von oben herab – doch er kam, bis auf wenige Momente (AfD-Wortbruch, Taurus), entspannt bis freundlich rüber.

Behörden-Gendern: Lehnt Merz, anders als Scholz, ab – „Behörden sind keine Volkserziehungsanstalten.“

Kettensägen-Einsatz: Scholz dafür. Woraufhin Christian Lindner bei X lästert: „Auf einmal – seit Jahren nicht mal bereit, eine Nagelfeile gegen die Bürokratie rauszuholen. Jetzt unterstützt er die Kettensäge.“

Guter Rat (Merz): „Wer sich bei uns nicht auf Asylrecht berufen kann, steht im Grundgesetz, Artikel 16a, Absatz 2, Satz 1. Lesen Sie’s doch einfach mal nach.”

Sozial-Punkte: gingen klar an Scholz, der Merz geübt „Reiche-Leute-Ideologie“ vorwarf. „Wer drei Millionen verdient, kann ein bisschen mehr Steuern zahlen, und das wollen Sie nicht – und das ist der Unterschied zwischen uns.“

Wachstums-Analyse (Merz): „In den letzten Jahren unter dieser Regierung ist nur eines gewachsen: die Zahl der öffentlich Bediensteten.“

Merkwürdigste Aussage (Scholz): „Ich habe die Ukraine nicht überfallen. Das war Putin.“

Respektvolles Duell

Fazit: Ein überwiegend respektvolles Duell. Zwei gut vorbereitete Kandidaten unterwegs auf Politikfeldern von Wirtschaft über Migration bis Verteidigung – Klima kam nur am Rande vor. 

Laut einer Blitzbefragung der Forschungsgruppe Wahlen unter den TV-Zuschauern sagten 37 Prozent, Scholz habe sich besser geschlagen. 34 Prozent sahen Merz vorn und 29 Prozent keinen Unterschied. Merz punktete bei Männern, Scholz bei Frauen, doch mit Blick auf die allgemeinen Umfragen muss man sagen – so sehr sich Scholz auch mühte: Der Abstand ist langsam uneinholbar groß