Leadership-Experte Kishor Sridhar - Gefährlicher Stärke-Fetischismus - Die Illusion autoritärer Führung

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Getty Images/Westend61 Autoritäre Führungsstile, die Kontrolle und Stabilität versprechen, führen langfristig zu Stillstand und Spaltung
Samstag, 18.01.2025, 14:00

Autoritäre Führung ist spätestens seit Trump, Musk und AfD wieder auf dem Vormarsch. Führungsexperte Kishor Sridhar warnt: autoritäre Führung mag zwar kurzfristig erfolgversprechend sein, langfristig wird sie jedoch Unternehmen, Gesellschaft und unserem Land schadet.

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Autoritäre Führungspersönlichkeiten scheinen wieder im Trend zu liegen. Ob Trump, Putin, Erdoğan, Musk, Merz, Lindner oder die AfD: Sie verkaufen sich als starke Persönlichkeiten, die „aufräumen“ und endlich für Ordnung sorgen.

Ihre Führungsstile verheißen Kontrolle und Stabilität, doch in Wahrheit führen sie uns in eine gefährliche Sackgasse. Was auf den ersten Blick wie Stärke wirkt, ist ein Rezept für langfristigen Stillstand, Spaltung und Rückschritt – ob in der Politik oder in Unternehmen.

Über den Experten Kishor Sridhar

Über den Experten Kishor Sridhar

Kishor Sridhar, Executive Berater, Keynote Speaker und Buchautor, ist anerkannter Experte für Change, Führung und Digitalisierung. Er begleitet deutsche und internationale Entscheider und Führungskräfte operativ in der Unternehmensentwicklung und bei Veränderungsprozessen. In Change-Prozessen bringt er dabei praxisbewährte Erkenntnisse aus seinen Wirtschaftsstudien, wie z.B. „KI in deutschen Unternehmen“ ein und verknüpft diese mit psychologischen Effekten zum „Erfolgsfaktor Mensch“. Kishor Sridhar lehrt an der International School of Management in München u.a. Cross Cultural Leadership und New Work.

Warum autoritäre Führung so verlockend wirkt

In Zeiten von Unsicherheit und Chaos sehnen sich Menschen nach klaren Ansagen. Autoritäre Führer nutzen diese Sehnsucht geschickt: „Ich mache das schon, ihr müsst nur folgen.“ Dieses Versprechen klingt einfach, fast verführerisch. Doch die Realität ist komplexer.

Kein Unternehmen, kein Staat lässt sich durch bloße Befehle steuern wie ein Fließband. Entscheidungen in autoritären Systemen mögen schnell getroffen werden, doch ihre Qualität bleibt oft fragwürdig – weil sie selten auf Expertise, sondern auf persönlichem Machthunger basieren.

Autoritäre Führung würgt den Erfolg ab

Autoritäre Führung mag kurzfristig effizient erscheinen. Gerade im Change-Management in Unternehmen erlebe ich häufig, dass ein autoritärer Chef oder eine Führungskraft schnelle Entscheidungen trifft, die Weichen stellt und für klare Strukturen sorgen will und dann mittelfristig damit scheitert.

In der Unternehmenswelt haben solche Führungsstile ihre Fans, denn ein Unternehmen wird von seiner Natur her selten demokratisch geführt. Doch autoritäre Führung ist nicht nur antidemokratisch, sondern birgt den Anspruch auf Absolutheit.

Elon Musk ist ein prominentes Beispiel. Nach der Übernahme von Twitter regierte er per Dekret, entließ Tausende und implementierte Änderungen ohne Rücksprache. Kurzfristig mag das funktionieren, doch langfristig zerstört es Innovation und Vertrauen.

Autoritäre Führung macht denkfaul

Hier zeigt sich die Aktualität der Iowa-Studien, die der Sozialpsychologe Kurt Lewin mit seinen Kollegen durchführte. Sie untersuchten die Auswirkungen unterschiedlicher Führungsstile – autoritär, demokratisch und laissez-faire – auf Gruppenverhalten.

  1. In den autoritären Gruppen war die Produktivität zunächst hoch, da Befehle strikt befolgt wurden. Doch bald sanken Kreativität und Motivation, während Angst und Feindseligkeit wuchsen. Sobald die autoritäre Leitung weg war, brach Chaos aus.
  2. In den demokratischen Gruppen war die Produktivität nachhaltiger, und die Mitglieder entwickelten kreative Lösungen. Sie arbeiteten auch ohne Leitung effektiv zusammen.
  3. In den laissez-faire-Gruppen fehlte die Orientierung, was zu niedriger Produktivität und Frustration führte.

Die wichtigste Erkenntnis: Autoritäre Führung liefert schnelle Ergebnisse, doch sie zerstört Kreativität und Vertrauen. Sobald die zentrale Figur wegfällt, bricht die Fassade der Ordnung zusammen. Zudem macht autoritäre Führung entscheidungs- und denkfaul.

Was wir Wähler von Mitarbeitern lernen können

Auch in der Politik führt autoritäre Führung zu einer Kultur des Gehorsams. Autoritäre Politiker umgeben sich mit Ja-Sagern und unterdrücken Kritik. Wähler, die solche Führer unterstützen, verhalten sich wie Mitarbeiter in einem autoritären Unternehmen: Sie geben Verantwortung ab und erwarten, dass jemand anders die Probleme löst. Doch während ein Unternehmen im schlimmsten Fall bankrottgeht, können autoritäre Politiker ganze Gesellschaften destabilisieren.

Natürlich ist es einfacher einer starken Führungspersönlichkeit die Stimme zu geben und sich dann zurückzulehnen, anstatt selbst aktiv zu werden in einer Partei und sich dort dem Entscheidungsbildungsprozess zu stellen.

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Die fatalen Folgen für die Gesellschaft

1. Denkverbot statt Demokratie

Autoritäre Führer verkaufen einfache Lösungen – aber nur, weil sie keine Diskussionen wollen. Kritisches Hinterfragen wird als Angriff gewertet. Die Medien zur Lügenpresse erklärt, Meinungsfreiheit gelobt, solange es die eigene Meinung ist. Die Folge? Wähler verlernen, selbstständig zu denken. Demokratie degeneriert zu einer Fassade, hinter der autoritäre Strukturen gedeihen.

2. Angst regiert, nicht Kompetenz

Angst ist das Werkzeug autoritärer Führung. Feindbilder wie „die Ausländer“, „die Eliten“ oder „die Medien“ dienen dazu, Aufmerksamkeit von den eigentlichen Problemen abzulenken. Angst blockiert aber nicht nur den gesellschaftlichen Diskurs, sondern lähmt auch den Fortschritt.

3. Kein Fortschritt, nur Stillstand

Wer Innovation will, braucht Diversität und mutige Entscheidungen. Doch autoritäre Systeme unterdrücken alles, was nicht ins Schema passt. Das Ergebnis: Stagnation. Ein Blick nach Russland zeigt es deutlich – militärische Stärke mag vorhanden sein, aber wirtschaftlich und technologisch bleibt das Land weit hinter anderen zurück.

4. Demokratie im Rückwärtsgang

Die größte Gefahr ist die schleichende Gewöhnung an autoritäre Strukturen. Wähler geben ihre Stimme ab, ohne Verantwortung zu übernehmen. Stück für Stück werden demokratische Prinzipien ausgehöhlt – bis die Demokratie selbst nur noch auf dem Papier existiert.

5. Was die Politik von erfolgreichen Unternehmen lernen kann

Unternehmen, die auf moderne Führung setzen, haben längst erkannt: Flache Hierarchien und partizipative Strukturen sind der Schlüssel zu langfristigem Erfolg. Eine McKinsey-Studie (2022) belegt, dass Teams mit Mitspracherecht kreativer, effizienter und krisenresistenter sind.

Autoritäre Systeme führen kurzfristig zwar zum Erfolg, mittel- und langfristig jedoch zu Stillstand und Rückschritt. Russland oder die Türkei sind hierfür Paradebeispiele. Auch patriarchalisch geführte Unternehmen, die nach schnellem Wachstum erstarren, zeigen: Es braucht moderne, kollaborative Führungsstile für nachhaltigen Erfolg.

Schluss mit dem Stärke-Kult

Die Verlockung autoritärer Führung ist groß, doch sie ist eine Illusion. Sie bietet keine Lösungen, sondern verschärft die Probleme – ob in Unternehmen oder in der Politik. Gesellschaften und Organisationen, die echten Fortschritt wollen, brauchen keine Befehlsgeber, sondern Leader, die auf Dialog, Vertrauen und Zusammenarbeit setzen.

Das ist unbequem anstrengend, aber nur so wird unsere Gesellschaft dauerhaft erfolgreich sein. Es ist Zeit, diesen Stärke-Fetischismus hinter uns zu lassen und echte, nachhaltige Leadership in Unternehmen und Politik zu fördern – bevor wir in der Sackgasse der Stagnation enden, wie es jedem autoritären System bislang ergangen ist.

Dieser Content stammt vom FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Bereich. Sie sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.