Aufregung um Weilheimer AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Schongau
  4. Kreisbote

Kommentare

Gerrit Huy ist AfD-Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Weilheim. Ihr Name war zuletzt Teil einer deutschlandweiten Berichterstattung. Politiker und Rechtsextreme hätten sich zum Thema „Remigration“ beraten, hieß es darin. Gegenüber dem Kreisboten machte Huy ihre Sicht klar. © Archiv

Landkreis – Seit vorgestrigem Mittwoch vergangener Woche wird deutschlandweit über „Correctiv“-Veröffentlichungen berichtet. Dem Recherchenetzwerk zufolge sei es zu einem Geheimtreffen gekommen, an dem auch Rechtsextreme und AfD-Politiker teilnahmen. Namentlich nennt „Correctiv“ in dem Text, der unter dem Titel „Geheimplan gegen Deutschland“ online ging, unter anderem Gerrit Huy. Thema der Zusammenkunft: „Remigration und Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland“.

Laut dem Recherchenetzwerk sagte die AfD-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Weilheim, sie verfolge das Ziel der Remigration schon länger. Bei ihrem Eintritt in die AfD sieben Jahre zuvor habe sie bereits ein „Remigrationskonzept mitgebracht“. Ihre Partei argumentiere nicht mehr gegen eine doppelte Staatsbürgerschaft. Huy wird diesbezüglich so zitiert: „Denn dann kann man die deutsche wieder wegnehmen, sie haben immer noch eine.“ Das Recherchenetzwerk folgert: „So wie Huy es ausdrückt, sollen Zuwanderer mit einem deutschen Pass in eine Falle gelockt werden“.

Schauplatz des Geheimtreffens, darauf weist „Correctiv“ mit dem Zusatz „womöglich Zufall“ hin, sei ein Hotel in acht Kilometern Entfernung zum Ort der Wannseekonferenz 1942 gewesen. Damals waren Vertreter des damaligen Nazi-Regimes zu einer geheimen Tagung zusammengekommen, um den Massenmord an den Juden voranzutreiben.

Der Kreisbote bat Gerrit Huy um ihre Sicht der Dinge, am Donnerstag äußerte sie sich umgehend per E-Mail (nach Redaktionsschluss der aktuellen Samstagsausgabe, wir berichten im Print nach). Angesprochen auf das von „Correctiv“ geschilderte Treffen, erklärte die AfD-Bundestagsabgeordnete des hiesigen Wahlkreises, sie sei mündlich zu einem privaten Treffen eingeladen gewesen, um sich verschiedene Vorträge anzuhören. Wer neben ihr zugegen sein würde, sei ihr vorab nicht bekannt gewesen.

In „Correctiv“ sehe sie ein linkes Netzwerk. Dessen besagter Bericht bestehe „zu einem erheblichen Teil aus abenteuerlichen Spekulationen, abwegigen Interpretationen und Unterstellungen“, auch ihr gegenüber, so Huy. Sie weise diese zurück und werde nicht weiter darauf eingehen. „Dass in diesem Fall eine mit Regierungsgeldern geförderte Institution mit offensichtlich rechtswidrigen Mitteln eine Schmutzkampagne gegen die demokratische Opposition führt, spricht für sich und ist der eigentliche Skandal.“

Staatsbürgerrecht und „Remigration“: Standpunkte der AfD und Gerrit Huys

Ausdrücklich unterstütze sie die zwei programmatischen Positionen des AfD-Bundesvorstands, äußerte sich Gerrit Huy gegenüber dem Kreisboten. Jene zum Staatsbürgerrecht sei im Januar 2021 vom Bundesvorstand klar gemacht worden. Darin heißt es unter anderem, die AfD bekenne sich vorbehaltlos zum „deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen“. Und weiter: „Unabhängig davon, welchen ethnisch-kulturellen Hintergrund jemand hat, wie kurz oder lange seine Einbürgerung oder die seiner Vorfahren zurückliegt, er ist vor dem Gesetz genauso deutsch wie der Abkömmling einer seit Jahrhunderten in Deutschland lebenden Familie, genießt dieselben Rechte und hat dieselben Pflichten“. Staatsbürger erster und zweiter Klasse gebe es für die Unterzeichner der damaligen „Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität“ nicht. Die Haltung der AfD zur Remigration sei im Bundestagswahlprogramm 2021 unmissverständlich definiert worden, fährt Huy fort, auch dieser schließe sie sich an. „Die unterlassene Aufenthaltsbeendigung abgelehnter und ausreisepflichtiger Asylbewerber ist das Gegenteil von Rechtsstaatlichkeit: Sie ist Ausdruck fortgesetzten Staatsversagens“, heißt es in einem Auszug. Die Politik werde „von einer mächtigen Anti-Abschiebe-Industrie“ getrieben. Eine freiwillige Rückkehr sei einer Abschiebung aus finanziellen, organisatorischen und humanitären Gründen immer vorzuziehen. Hier gelte es anzusetzen. Die AfD fordere deshalb unter anderem eine Abschiebeoffensive für Ausreisepflichtige und eine „nationale und eine supranationale ‚Remigrationsagenda‘ als Schutzgewährung in Herkunfts- und Transitregionen nach dem Grundsatz ‚Hilfe vor Ort‘“.

„Fanatiker mit Assimilationsfantasien“: Reaktionen aus der Politik

Dem Investigativ-Portal „Correctiv“ zufolge sollen AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer einen Plan entwickelt haben, der die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland vorsieht. Wie hoch die Wellen schlagen, zeigt die Reaktion des Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) via Online-Plattform X (früher Twitter). Er sehe ein „gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“ gerichtetes Vorkommnis und einen klaren „Fall für den Verfassungsschutz“ und die Justiz. „Wir lassen nicht zu, dass jemand das ‚Wir‘ in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht“, schrieb der Kanzler: „Wir schützen alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist.“ Carmen Wegge, SPD-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Starnberg-Landsberg, kommentierte, sie fühle sich an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte erinnert. Jemand mit Huys Gesinnung habe nichts im Bundestag zu suchen, forderte sie diese zum Rücktritt auf. Weiter angefacht ist die Diskussion über ein mögliches Verbot der AfD. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder betonte jedoch, dass ein Verbot „verfassungsrechtlich extreme Hürden“ habe und wahrscheinlich scheitern würde. Die Inhalte des laut „Correctiv“ abgehaltenen Treffens zum Thema Migration bewertete Söder gegenüber dem Deutschlandfunk als „Deportationspläne übelster Form“. Ähnlich wie Wegge sah er sich erinnert „als Vorstufe an das Düsterste, was man sich überhaupt noch vorstellen kann und das Ekligste.“ Ulrich Vosgerau, eines der ebenso wie Huy anwesenden CDU-Mitglieder, sagte, es müsse „möglich sein, in einem privaten Kreis auch mit Menschen einmal zu sprechen, die im Verfassungsschutzbericht auftauchen“. Sein eigener Beitrag sei ein „Vortrag über das verfassungsrechtliche Problem der Briefwahl“ gewesen.

Auch interessant

Kommentare