Wiggensbach: Flammender Appell und brisantes Thema bei Bürgerversammlung
Wiggensbach – Die Marktgemeinde Wiggensbach nordwestlich von Kempten hat glückliche Bürger, sollte man angesichts der kommunalen Verschuldung meinen: Die steht bei Null! „Ja“, freute sich Bürgermeister Thomas Eigstler auf der Bürgerversammlung, „darauf sind wir sehr sehr stolz!“ Doch auch in einer der finanziell gesündesten Gemeinden des Allgäus ist nicht alles Gold, was glänzt.
Das Interesse der Wiggensbacher an Eigstlers Rück- und Vorschau auf die Jahre 2022 bis 2024 war groß: 120 Besucher waren gekommen, eine Zahl, die in den meisten Kommunen nie erreicht wird. Der Bürgermeister konnte viele schöne Bilder von sanierten Straßen, renovierten Kinderspielplätzen und glänzenden Photovoltaik-Anlagen präsentieren, von satten Fördergeldbescheiden aus Brüssel und München berichten, er referierte über die erfreuliche Erweiterung des gemeindeeigenen Seniorenheims ebenso wie über die Fertigstellung des Wiggensbacher Bike-Parks.
„Ja, unsere Kollegen in vielen anderen Kommunen beneiden uns ein bisschen“, stellte Eigstler fest. Dass der Ort bereits zum dritten Mal mit dem „European Energy Award“ ausgezeichnet wird und bald ein neuer Pächter den brachliegenden Gasthof „Kapitel“ wieder flott machen wird, passte in Eigstlers Parade des Positiven.
Flammender Appell des Wiggensbacher Bürgermeisters
Doch nach 70 Minuten seines Rechenschaftsberichtes wurde der Bürgermeister ernster. Der „Sozialdienst Wiggensbach“ sei in finanzielle Schwierigkeiten geraten. „Da müssen wir unterstützend eingreifen“, stellte Eigstler lakonisch fest. „Bund und Land lassen uns bei der Finanzierung der Seniorenbetreuung im Stich!“ Anschließend schilderte er die personelle Lage im Heim, in den Kinder- und Jugendbetreuungseinrichtungen, in der Verwaltung mit dramatischen Worten: „Es fehlt Personal an allen Ecken und Enden, sogar beim Putzen öffentlicher Räume! Ich richte hier und heute einen flammenden Appell an alle Menschen, die unsere Gemeinde lieben, eine Mitarbeit in Erwägung zu ziehen. Wir brauchen jeden – und es ist doch schön, hier in Wiggensbach arbeiten zu können!“ Das betroffene Schweigen im voll besetzten Saal war regelrecht zu hören.
Anwohner sitzen auf dem Trockenen
Das brisanteste Thema hatte sich der Bürgermeister für den Schluss seiner Rede aufgehoben: Die Versorgung der Gemeinde mit Trinkwasser. Im Sommer 2018 war Wiggensbach durch die große Dürre bundesweit in die Schlagzeilen geraten, manche Einwohner mussten mit Tankwagen versorgt werden. Das Problem: Nur 80 Prozent der 5.100 Bürger sind an das kommunale Trinkwassernetz angeschlossen, ein bayernweit unterdurchschnittlicher Wert.
Etwa 450 Einwohner holen bisher ihr Wasser aus eigenen Brunnen und Quellen. Diese fallen durch den Klimawandel mit häufigeren und länger anhaltenden Dürreperioden aber immer öfter aus, die Menschen sitzen buchstäblich auf dem Trockenen, auch würden die Anforderungen an die Wasserqualität höher geschraubt.
Kostspielige Lösung sorgt für lange Gesichter
„Dieses Problem zu lösen, ist eine Riesenherausforderung, der wir uns alle gemeinsam stellen müssen“, machte Eigstler klar. Sein Lösungsvorschlag: Ausbau und Erweiterung des Trinkwasserleitungsnetzes. Aufgrund der flächenmäßigen Ausdehnung des Gemeindegebietes eine kostspielige Angelegenheit. „Der Ausbau könnte uns acht bis zehn Millionen Euro kosten und den Trinkwasserpreis für alle Bürger in die Höhe treiben“, erklärte er. Lange Gesichter im Saal und die Frage im Raum: Wie weit geht die Solidarität der Mehrheit mit einigen Wenigen?
Eine Frage, die in den bevorstehenden Monaten beantwortet werden muss: „Wir werden mit den Bürgern sprechen, Fachleute zu Rate ziehen und bis zur nächsten Bürgerversammlung klarer sehen“, versprach Eigstler. Die findet am 18. April 2024 statt.