Florian Illies über sein neues Buch zu Caspar David Friedrich: „Er war ein sonderbarer Kauz“

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„Er hat Natur schon als etwas Gefährdetes gemalt, ehe die Industrialisierung überhaupt begonnen hatte“, sagt Florian Illies über Caspar David Friedrich (hier das Gemälde „Wanderer über dem Nebelmeer“), von dessen Leben er in seinem neuen Buch „Zauberer der Stille“ erzählt. © Hannes P. Albert/dpa

Florian Illies erzählt in seinem neuen Buch „Zauber der Stille: Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeit“ von dem großen Künstler und seiner Zeit. Ein Gespräch mit dem Bestsellerautor über die Lust am literarischen Zeitreisen.

Florian Illies kann durch die Zeit reisen. Und das Schöne ist: Er nimmt uns mit – in Bestsellern wie „1913“ oder „Liebe in Zeiten des Hasses“. Nun hat der 52-Jährige sich das 18. und 19. Jahrhundert vorgenommen: In „Zauber der Stille: Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeit“ (S. Fischer, 251 S.; 25 Euro) erzählt er im Collage-Stil von dem Künstler sowie seiner Zeit. Weil es ihm dabei nicht um das Abarbeiten von Daten, sondern um sinnliches Nachempfinden geht, vertieft er sich während des Schreibens in Musik, Literatur, Kunst der jeweiligen Zeit. Ernährt er sich dann auch wie seine Protagonisten? Häufig, ja. In Bezug auf Friedrich (1774-1840) aber kommt ein klares Nein des Schriftstellers, der heute Abend beim Bayerischen Buchpreis den Ehrenpreis des Ministerpräsidenten erhält: „Friedrich hat die meiste Zeit Hering aus Fässern gegessen, die ihm seine Brüder geschickt haben. Das mache ich nicht nach“, betont Illies im Interview.

Schon wieder ein neues Buch. Wann schreiben – und vor allem recherchieren – Sie all das?

Florian Illies: Das, was am Längsten dauert, ist tatsächlich die Recherche. Sobald ich weiß, was ich erzählen möchte, fange ich an, ungeheuer viel zu lesen. Die Herausforderung ist dann, alles wieder zu vergessen, damit es kein anstrengendes Buch wird, kein verkopftes. Das Schreiben selbst ist reines Vergnügen.

Diesmal sind Sie zum Schreiben an die Orte gereist, an denen Caspar David Friedrich gelebt hat.

Florian Illies: Stimmt. Ich war sehr viel an der Ostsee und in Dresden, bei Greifswald, in Kopenhagen. Also an den vier Lebensorten von Friedrich. Man weiß, dass er jeden Morgen und jeden Abend in der Dämmerung spazieren gegangen ist. Deshalb habe ich das auch gemacht. Die Spaziergänge haben mir dabei geholfen, diesen Dämmerzustand zu erfassen, der über Friedrichs Bildern liegt.

Warum fiel Ihre Wahl überhaupt auf Caspar David Friedrich?

Florian Illies: Weil er in der Kunst eine der großen Figuren des 19. Jahrhunderts ist, wie Goethe in der Literatur. Ich habe mir aus Trotz lange Zeit gedacht: Nein, der ist nicht so gut, wie alle sagen, es gibt bestimmt Bessere. Aber irgendwann habe ich gemerkt: Jeder Widerstand ist zwecklos – Caspar David Friedrich ist zu Recht der berühmteste deutsche Maler des 19. Jahrhunderts.

Warum?

Florian Illies: Weil er jede Generation neu berührt. Das ist vielen anderen Künstlern nicht gelungen. Da heißt es oft: Das ist ein wichtiger Künstler, weil er etwas Besonderes in seiner Zeit geleistet hat – doch meist fehlt der Bezug zu uns. Es ist aufregend zu sehen, dass Friedrich heute wieder ein Maler der Stunde ist. Die Klimaschützer entdecken ihn für sich; erkennen, wie Friedrich auf die Natur geschaut hat, mit dieser Ernsthaftigkeit, dieser Andacht – das ist ein Blick auf die Natur, den wir uns wieder erarbeiten müssen. Er hat Natur schon als etwas Gefährdetes gemalt, ehe die Industrialisierung überhaupt begonnen hatte.

Was hat Sie bei Ihrer Recherche überrascht?

Florian Illies: Spannend fand ich, zu erfahren, wie viele Menschen Friedrich inspiriert hat. Walt Disney beispielsweise hat seinen Film „Bambi“ im Wesentlichen nach Bildern von Friedrich aufgebaut. Bei einem München-Besuch hat Disney 147 Bücher zur deutschen Romantik gekauft. Als Inspiration für die „Bambi“-Zeichner: Sie sollten das Rehkitz durch Friedrich’sche Landschaften laufen lassen.

Wurde gerade mit dem Bayerischen Buchpreis in München ausgezeichnet: Bestseller-Autor Florian Illies.
Wurde gerade mit dem Bayerischen Buchpreis in München ausgezeichnet: Bestseller-Autor Florian Illies. © Hannes P Albert

Nach all der Auseinandersetzung mit Caspar David Friedrich: Mögen Sie ihn?

Florian Illies: Er war schon ein sehr sonderbarer Kauz. Sternzeichen Jungfrau, Aszendent Jungfrau, von einem großen Bestreben nach Sauberkeit durchdrungen. Er war menschenscheu, verkleidete die Fenster seines Ateliers, damit er die Sonne nicht sehen musste. Er wollte nie nach Italien. Alles Dinge, die mir sehr fremd sind. Aber es fasziniert mich. Er war ein schwermütiger Mensch, hatte früh viele Schicksalsschläge. Ein Bruder ertrank, als er Friedrich das Leben retten wollte. Dafür fühlte er sich zeitlebens schuldig. Friedrich hatte aber zum Glück einen guten, trockenen Humor – und ein großes Herz. Also er ist mir schon sehr nah als Figur. Gerade, weil er ein solcher Sonderling gewesen ist.

Das heißt, Sie wären gern mal mit ihm durch die Dämmerung spaziert?

Florian Illies: Das wäre wunderbar gewesen. Obwohl er vermutlich kein Wort gesagt hätte. Und sich nur immer mal wieder wie die Rückenfiguren auf seinen Bildern hingestellt und aufs Meer geschaut hätte.

Was haben Sie über das Menschsein gelernt in all den Büchern. Verändern wir uns über die Jahrhunderte oder bleibt der Mensch immer gleich?

Florian Illies: Ich glaube, die ganz großen Fragen bleiben: Welche Rolle habe ich auf der Welt? Wie finde ich die große Liebe? Gibt es einen höheren Sinn? Die haben sich nicht verändert. Völlig unabhängig von den technischen Entwicklungen. Ich glaube, alle Bücher, alle Bilder, alle musikalischen Werke, die versuchen, Antworten zu geben, veralten sehr schnell. Aber die, die Fragen stellen, die bleiben frisch. Friedrich etwa stellt immer nur Fragen und räumt offen ein, dass er keine Antworten hat.

Es heißt, man müsse Künstler und Werk trennen. Das tun Sie nicht. Gibt es Werke, die Sie nicht mehr genießen können, weil Ihnen der Künstler dermaßen unsympathisch ist?

Florian Illies: Also mich hat sehr irritiert die politische Lauheit von Erich Kästner, von Gottfried Benn sogar die blinde Liebe zum Nationalsozialismus 1933. Es gibt das Gleiche bei fast jedem großen Künstler... Caravaggio war wohl ein Mörder – und wir halten seine Bilder trotzdem für unsterblich. Das ist eine der schweren Lektionen, die einen Kunst lehrt und auch mich immer wieder aufs Neue, dass man solche Werke liebt und verehrt – aber zugleich realisiert, dass sie von einem Menschen erschaffen wurden, der Dinge getan hat, die man verurteilt. Also: Es ist viel bequemer, Werk und Autor zu trennen. Aber ich finde den unbequemeren Weg, den ich mit meinen Büchern wähle, den besseren.

Und den unterhaltsameren.

Florian Illies: Ja, auch das.

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