Wird er Kretschmann-Nachfolger? Özdemir zieht es in die Heimat

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Cem Özdemir (vorne) mit Winfried Kretschmann (Archivbild) © Julian Rettig/phototek/Imago

Leitfrage im Ländle: Wer folgt auf Winfried Kretschmann? Die Grünen wollen wohl Cem Özdemir für das Ministerpräsidentenamt aufbauen.

München/Stuttgart – Cem Özdemir hat nicht so viele schöne Termine als Bundesagrarminister, oft Pfiffe, Plakate, Proteste. An die Auftritte in seiner Heimat denkt er umso lieber zurück. Im Juli zum Beispiel feierten ihn 30.000, als er in seiner Geburtsstadt Bad Urach in der historischen Festkutsche umhergefahren wurde, sogar an seinem Elternhaus vorbeirumpelte. „Das schönste Fest“, frohlockte er über den traditionsreichen „Schäferlauf“. Ach, könnte es nur immer so sein.

Könnte es. Jedenfalls hat Özdemir die Chance, politisch in seiner Heimat zurückzukehren, in das höchste Amt in Baden-Württemberg. Die Grünen wollen ihn zum nächsten Ministerpräsidenten aufbauen, zum Nachfolger des populären Winfried Kretschmann, der übrigens mit in der Uracher Kutsche saß. 2026 nach 15 Dienst- und bald 77 Lebensjahren will der erste grüne Regierungschef der Republik dann nicht mehr antreten.

Ja, es laufe auf Özdemir zu, heißt es aus grünen Kreisen wie auch von prominenten CDUlern, die in Baden-Württemberg den kleinen Koalitionspartner stellen. Offiziell wird eine Festlegung, jüngst auch von Bild gemeldet, noch dementiert. Die Anzeichen aber sind eindeutig: Özdemir verbringt auffällig viel Zeit im Südwesten. Auffällig eng mit Kretschmann. Und auffällig harmonisch mit anderen potenziellen Bewerbern wie dem jungen Finanzminister Danyal Bayaz (40), übrigens dem Partner der bayerischen Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze.

Cem Özdemir, der „anatolische Schwabe“

Alles harmonisch also derzeit. Und auch der Zeitplan steht, durchs Wahlrecht erzwungen. Nach den Europawahlen im Juni soll es sein, aber nicht lange danach. Özdemir ist ja derzeit Bundesminister und Abgeordneter in Berlin. Er kann sich, wenn er wirklich ins Ländle wechseln will, kaum noch mal zur Bundestagswahl (spätestens) im Herbst 2025 stellen. Er wird wohl vor der Sommerpause noch seine Pläne bekannt geben und Platz für einen neuen Kandidaten machen. Wobei die Latte hoch liegt: Özdemir holte 2021 in Stuttgart satte 40 Prozent, das beste grüne Ergebnis in ganz Deutschland.

Vorerst äußert sich der 58-Jährige brav zurückhaltend. „Es gibt keinen neuen Stand. Winfried Kretschmann ist ein großartiger Ministerpräsident, und ich habe einen der spannendsten Jobs, die es im Bund gibt.“ Auch enge Beobachter der Südwest-Landespolitik rechnen aber seit Monaten mit dem Wechsel. Und sagen klar: Nein, auch der türkische Hintergrund – Özdemir nennt sich einen „anatolischen Schwaben“ – beschäftige kaum einen Wähler sonderlich.

Inhaltlich wäre der Wechsel Kretschmann/Özdemir wohl kein Bruch

Inhaltlich wäre der Wechsel Kretschmann/Özdemir wohl kein Bruch. Der Alte gilt als Pragmatiker, der sich vor Ministerpräsidentenrunden enger mit seinen Unionskollegen abspricht als mit der SPD. Der Neue sitzt zwar in der Ampel-Regierung, in letzter Minute noch ins Kabinett gekungelt statt des Bayern Anton Hofreiter, gilt aber auch nicht als Linksausleger bei den Grünen.

Ein Hindernis gibt es allerdings: die Umfragen. In den letzten Monaten lag die CDU in den 30ern stets weit vor den Grünen in den 20ern. Bei der Wahl 2021 war‘s noch andersrum. Das schaut eher nach einem Wechsel im „Staatsministerium“ (so heißt die Staatskanzlei dort) aus. Die Union will Özdemir zudem einen Amtsbonus verweigern.

Eine vorzeitige Neuwahl des Ministerpräsidenten bei laufender Legislaturperiode macht der junge CDU-Fraktionschef Manuel Hagel (35), der wohl Spitzenkandidat wird, erklärtermaßen nicht mit. Einzige denkbare Ausnahme wäre eine schwere Erkrankung Kretschmanns. Der aber ist, wenn auch altersbedingt etwas behutsamer, recht munter unterwegs.

Für die Grünen ist das bundesweit eine der wichtigsten Personalien

Für die Grünen ist das bundesweit eine der wichtigsten Personalien, es geht ja um den einzigen Ministerpräsidenten. Derweil beginnt im Hintergrund eine andere Debatte langsam anzulaufen: die Frage nach der Kanzlerkandidatur. Die Bild am Sonntag berichtet von einer Neuauflage einer Rivalität zwischen Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock. Beide hätten Interesse an einer Kandidatur 2025.

„Nach dem verstolperten Wahlkampf von Annalena findet Robert, dass er an der Reihe ist“, zitiert die Zeitung einen „Insider“. Bis spätestens Jahresende brauche es hier eine Einigung. Auch ein Mitglieder-Entscheid über beide wird als Lösung gehandelt.

Allerdings gibt es auch bei dieser Personalie einen demoskopischen Dämpfer: Bundesweit liegen die Grünen bei 13 Prozent, hinter Union (31), SPD (15) und AfD (19).

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