Muss Deutschland die Klimaziele überdenken? „Erhebliche Probleme bei verfügbarer Ladeinfrastruktur“

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Die Autoindustrie steht vor „erheblichen Problemen“. Dabei geht es auch um der Ladeinfrastruktur. Das Verbrennerverbot könnte fallen.

Brüssel/München – Emissionsfrei bis 2035: Das stellte sich das Europäische Parlament noch im Jahr 2023 vor, als grünes Licht für die neuen CO₂-Reduktionsziele durchgab. Diese sollten für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge gelten. Mehr als zwei Jahre später haben sich die Probleme in der Autoindustrie gehäuft. Teils ist es Preisdruck aus China, teils Bürokratie, teils Probleme in den Lieferketten. Sogar Branchenschwergewichte ziehen verstärkt Mitarbeiterkürzung in Betracht. Der Verband der Bayerischen Wirtschaft e.V. (vbw) rief vor diesem Hintergrund zum Gipfeltreffen in Brüssel. Vor Ort war auch Markus Ferber, Mitglied des Europaparlaments der EVP. Dieser sieht einen Fall des Verbrennerverbots voraus.

„Ich sehe noch erhebliche Probleme“ – Abschaffung des Verbrennerverbots möglich

Konkret ging es darum, ob der hundertprozentige Umstieg auf Elektroautos in dem gesetzten Zeitrahmen machbar sei. „Mit Blick auf die dramatische Lage in der Automobilindustrie fordern wir als Europäische Volkspartei seit langem eine frühere Überprüfung der Ziele“, erklärte Ferber gegenüber dem Münchner Merkur, der zu IPPEN.MEDIA gehört. „Ich sehe noch erhebliche Probleme bei verfügbarer Ladeinfrastruktur und notwendigen Netzanschlüssen“.

Markus Ferber in München.
„Erhebliche Probleme bei verfügbarer Ladeinfrastruktur“ – muss Deutschland die Klimaziele überdenken? © IMAGO / Lindenthaler

Erst im März hatte EU-Verkehrsminister Apostolos Tzitzikostas mitgeteilt, dass die EU-Kommission die CO₂-Flottengrenzwerte für die Autoindustrie früher überprüfen will als geplant. Eigentlich stand der Winter 2026 als Termin fest, stattdessen soll das schon in der zweiten Jahreshälfte 2025 passieren. „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, zitierte das Handelsblatt damals Tzitzikostas. Darauf verwies Ferber und gab an, einige öffentlich gemachte Vorschläge des Verbands der Automobilindustrie (VDA) würden hier „einen guten Debattenimpuls“ darstellen.

Mehr noch: Ferber befeuert die Debatte um das Verbrennerverbot und hält die Abschaffung des Verbrennerverbots für möglich. „Ich bin mir sicher, dass wir die benötigten Mehrheiten für die Abschaffung des Verbrennerverbots dann finden. CDU und CSU haben sich hier bereits im Wahlkampf klar positioniert.“ Der Abgeordnete fuhr fort: „Ich bin froh, dass nun auch aus der Industrie Vorschläge kommen, wie mehr Technologieoffenheit auch nach 2035 möglich sein kann. Unser gemeinsames Ziel muss die Einhaltung der Pariser Klimaziele bei gleichzeitiger Bewahrung der Schlüsselindustrie am Standort Deutschland sein.“ Es müssten „alle Wege“, um Klimaneutralität im Straßenverkehr zu erreichen, offenstehen.

Abschwächung der CO₂-Ziele – VDA-Vorstoß als Debattenanstoß?

Ein Exkurs zum VDA: Anfang Juni gab der Verband eine Liste mit zehn Forderungen für die klimaneutrale Mobilität heraus. „Damit fordert der VDA die Politik in Brüssel und Berlin auf, die notwendigen Rahmenbedingungen für einen langfristigen und nachhaltigen Erfolg der Elektromobilität zu sichern“, schrieb der VDA in der entsprechenden Meldung. Im Kontext, den Ferber ansprach, ist vor allem Punkt 8 wichtig.

„In der Flottenregulierung für LDV ist eine Anpassung des Reduktionsziels auf minus 90 Prozent ab 2035 und eine Sicherstellung der notwendigen Rahmenbedingungen erforderlich“, erklärte der VDA. Aktuell gilt noch: Ab 2035 sollen neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge emissionsfrei werden. Soll heißen, ihre CO₂-Emissionen sollen gegenüber 2021 um 100 Prozent senken. Ein Zwischenziel bis 2030 ist: Emissionen bei Neuwagen müssen um 55 Prozent gesunken sein.

Autoindustrie „vor großen Herausforderungen“ – Gespräche im Rat und im EU-Parlament voraus

Wie geht es weiter? Beim Dialog der Fahrzeugindustrie mit der EU gab die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. zu verstehen, dass sie jetzt auf weitere Unterstützungsmaßnahmen für die europäische Fahrzeugindustrie setze. „Unsere Fahrzeugindustrie in Europa, speziell auch in Bayern, steht vor großen Herausforderungen – von der starken Verunsicherung in der Weltwirtschaft durch die US-Zollpolitik bis zur enormen Konkurrenz aus China“, sagte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt dazu.

„Die jüngsten Maßnahmen aus Brüssel, wie die Flexibilisierungsmöglichkeit zur Erreichung der CO₂-Zielvorgaben für die Autohersteller, stimmen uns zuversichtlich, dass eine echte Trendwende in Europa möglich ist.“

V.l.n.r.: Moumen Hamdouch, Europäische Kommission / Markus Ferber, EVP im EU-Parlament / Dr. Josef Negri, Unternehmerverband Südtirol / Bertram Brossardt, vbw Hauptgeschäftsführer
„Erhebliche Probleme bei verfügbarer Ladeinfrastruktur“ – muss Deutschland die Klimaziele überdenken? © vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V.

Die Vorschläge liegen auf dem Tisch – jetzt ist die EU-Kommission dazu aufgerufen, im Jahresverlauf die Überprüfung der entsprechenden Gesetzgebung vorzulegen. Davon erhofft sich EU-Parlamentsmitglied Ferber eine bessere Planungssicherheit. „Auf dieser Basis werden anschließend Gespräche im Parlament und im Rat beginnen.“

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