Hitzige Diskussion über Solarenergie in Kempten

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Kempten will mehr Photovoltaikanlagen bauen. Doch für den Weg, den die Stadt einschlagen will, erntet sie Unverständnis. © PantherMedia/Wolfgang Zwanzger

Kempten – Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein wichtiger Faktor, um Treibhausgasemmissionen zu verringern. Großes Potenzial gibt es bei der Solarenergie. Doch wo die PV-Anlagen in Kempten hin sollen, darüber gab es Streit im Klimaschutzbeirat.

In der letzten Sitzung des Klimaschutzbeirates kochten die Gemüter hoch. Nachdem die Mitglieder von Petra Hausmann vom Energie- und Umweltzentrum Allgäu über die aktualisierte Energie- und Treibhausgasbilanz der Stadt Kempten sowie über die Ergebnisse des internen eea-Audits informierten wurden, folgte der dritte Punkt auf der Tagesordnung.

Florian Eggert, Leiter des Stadtplanungsamtes, präsentierte den Entwurf eines Leitfadens zur räumlichen Steuerung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen im Stadtkreis Kempten. Er erklärte, dass es während der Erarbeitung der Leitlinien zu veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen gekommen ist.

Privilegierte Flächen ihn Kempten

So ist Anfang des Jahres eine Gesetzesänderung für die Privilegierung von Freiflächen-PV-Anlagen in Kraft getreten. Das Gesetz sieht eine Aufnahme von Solarparks in die Liste der privilegierten Vorhaben vor, die sich auf einer Fläche längs von Autobahnen oder zweigleisigen Schienenwegen des übergeordneten Netzes und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern befinden. Das bedeutet, dass für diese Bereiche keine Bebauungspläne für die Schaffung von Baurecht notwendig sind; ein Bauantrag ist ausreichend. Eggert sagte, dass sich dadurch ein Potenzial von rund 122 Hektar Freiflächen-PV entlang der A7 und der Bahntrasse Kempten–Buchloe ergibt.

Im Juli wurden durch eine weitere Gesetzesänderung Agri-PV-Anlagen mit einer maximalen Grundfläche von zweieinhalb Hektar, die in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang zu einem landwirtschaftlichen Betrieb stehen, ebenfalls zu privilegierten Flächen erklärt. Das entspricht laut Eggert einem Flächenpotenzial von 152 Hektar. Seine Präsentation schloss er damit, dass die Verwaltung der Stadt empfiehlt, sich auf die per Gesetz privilegierten Bereiche zu fokussieren. „Sollten die Potenziale in den kommenden Jahren kaum realisiert werden, kann über eine Erweiterung auf nicht-privilegierte Flächen diskutiert werden“, so Eggert. Er räumte aber auch ein, dass es bisher keine Anträge für privilegierte Flächen gibt.

Worauf in Zukunft setzen?

Dass die Stadt den Fokus auf eben jene Bereiche legen möchte und die anderen außen vor lassen will, war der Stein des Anstoßes bei mehreren Mitgliedern des Beirates. So meinte Prof. Dr. Martin Steyer: „Kempten will bis 2035 klimaneutral sein, aber nur die Pflicht erfüllen. Das passt für mich nicht zusammen.“ Andreas Breuer, Geschäftsführer ZAK und SEA, nahm Bezug auf die 122 Hek­tar an der A7: „Man kann davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren maximal 30 bis 40 Hektar ins Rennen kommen.“

Getrud Epple (Grüne), Vorsitzende des Beirates, äußerte andere Bedenken. Sie gab an, dass man auch die Landwirtschaft im Blick haben muss: „Können wir es uns erlauben, mehrere Hundert Hektar für Freiflächen-PV herzugeben?“ „Können wir es uns erlauben, es nicht zu machen?“, entgegnete Steyer.

Hitzig diskutierten die Mitglieder darüber, wo man Frei­flächen-PV-Anlagen installieren soll: Auf allen privilegierten Flächen, nur entlang der A7 oder auch auf nicht-privilegierten Flächen? Durch die Wortmeldungen wurde deutlich, dass mehrere Anwesende es unsinnig finden, die nicht-privilegierten Flächen momentan nicht zu beachten – vor allem, weil es für diese bereits Anträge gibt.

Verärgerte Antragssteller

„Insgesamt wurden Anträge für eine Fläche von rund 90 bis 100 Hektar gestellt, wobei sich Teile davon in privilegierten Flächen befinden“, so Eggert auf Nachfrage des Kreisboten. Stellenweise wurden die Anträge bereits vor Jahren gestellt, doch passiert ist bisher nichts. „Es wurde einem Hoffnung gemacht, die dann wieder zerstört wurde. Es ist unverständlich, dass Anträge drei Jahre nicht bearbeitet werden. Es gibt keinen politischen Willen, einen Präzedenzfall zu schaffen“, so einer der Antragsteller, der anonym bleiben möchte. Sein Projekt sieht eine Anlagengröße von fünf bis sechs Megawattpeak auf einer Fläche von fünf Hektar vor – sie könnte den Strombedarf von circa 1.250 Haushalten decken. Aber der Antrag auf Schaffung von Baurecht wird seit September 2020 nicht bearbeitet.

Eggert ist der Fall bekannt, wie er auf Nachfrage bestätigte. Allerdings wand er auch ein, dass die politische Diskussion zu dem Thema erst noch geführt werden muss. Im nächsten Schritt wird der Leitfaden im Bauausschuss besprochen, danach im Stadtrat. Der stimmt letztendlich darüber ab, ob der Leitfaden umgesetzt wird oder nicht. Wenn nicht, dann wird sich die Stadt vermutlich mit den bereits gestellten Anträgen für Freiflächen-PV-Anlagen auf nicht-privilegierten Flächen befassen müssen.

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