„Hätt-ich-gern-Imperialismus“ – So reagiert die Politik in Deutschland auf Trumps Gaza-Pläne
Donald Trump schockiert die Welt mit seinen Plänen zum Gazastreifen. Politikerinnen und Politiker in Deutschland erklären ihre Einschätzung der Lage.
Berlin – Donald Trumps Pläne zur US-Übernahme des Gazastreifens sorgen für teils heftige Reaktionen im politischen Berlin. Der US-Präsident hatte in einem gemeinsamen Pressestatement mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu angekündigt, im Zuge der Annexion des Gazastreifens die rund zwei Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser umsiedeln zu wollen. Er könne sich vorstellen, aus dem Küstengebiet die „Riviera des Nahen Osten“ zu machen.
Auf Anfrage von IPPEN.MEDIA teilten führende Politiker in Deutschland ihre Einschätzung zu der angekündigten Übernahme des Gazastreifens durch die USA mit. Linken-Chef Jan van Aken teilte dabei scharf gegen den Republikaner aus: „Dieser ‚hätt-ich-gern-Imperialismus‘ von Donald Trump ist brandgefährlich“, so van Aken. Und auch die außenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Deborah Düring, erklärte, dass sie die dauerhafte Vertreibung der Zivilisten im Gazastreifen für „völkerrechtswidrig und absolut inakzeptabel“ halte.
Trumps Plan für den Gazastreifen – Grüne plädieren auf „Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser“
Düring pocht in einem Statement gegenüber unserer Redaktion auf eine diplomatische Lösung des Konflikts zwischen Israel und der Hamas. Das kürzlich begonnene Waffenstillstandsabkommen müsse „vollständig“ umgesetzt werden, „damit alle Geiseln freikommen und die Menschen in Gaza die dringend benötigte humanitäre Hilfe bekommen“.
Um im Nahen Osten für Frieden zu sorgen, müsse das „Selbstbestimmungsrecht der Palästinenserinnen und Palästinenser – in Gaza wie im Westjordanland und Ostjerusalem – gewahrt bleiben“, so Düring. Eine Beilegung des Konflikts könne nur dann nachhaltig umgesetzt werden, „wenn beide Seiten gleichberechtigt in Würde und Freiheit“ leben könnten. „Die Sicherheit der israelischen und der palästinensischen Bevölkerung sind untrennbar miteinander verbunden.“
Linken-Chef van Aken findet deutlichere Worte für Trumps Plan im Gazastreifen: „Die Welt ist für Donald Trump offenbar ein Selbstbedienungsladen. Erst Grönland, dann Panama und jetzt auch noch Gaza“. Er fordert die Bundesregierung auf, „laut und deutlich“ Stellung gegen die Politik des US-Präsidenten zu beziehen. Auch er betrachtet die angekündigte Vertreibung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen als „Völkerrechtsverbrechen, und die Missachtung der palästinensischen Selbstbestimmung ein direkter Bruch internationalen Rechts“.
Die Linke wollen Palästina als Staat anerkennen – Parteichef fordert „europäisches Stoppsignal“ gegen Trump
Deutschland muss laut van Aken „gemeinsam mit Frankreich den Staat Palästina anerkennen“. Er fordert ein „klares europäisches Stoppsignal“ gegen Trumps Außenpolitik.
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Das Palästinensergebiet wird mittlerweile von 146 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (UN) als Staat Palästina anerkannt. Darunter von der Türkei, Indien, China und Russland. Aber auch EU-Länder wie Polen, Ungarn, Schweden oder Spanien sprechen offiziell vom Staat Palästina.

Die meisten westlichen Länder haben die Existenz des israelischen Nachbarstaats bislang aber noch nicht anerkannt. Deutschland, Frankreich, Österreich oder eben auch die USA zögern bislang vor einer solchen Entscheidung. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kritisierte Mitte des vergangenen Jahres sogar die Anerkennung Palästinas durch Norwegen, Irland und Spanien als überstürzt. „Für eine Lösung dieser furchtbaren Situation, die wir gerade erleben müssen, da braucht es eben keine symbolische Anerkennung, sondern da braucht es eine politische Lösung“, zitierte sie der Bayerische Rundfunk am Rande eines Treffens des Weimarer Dreiecks.
Zwar sei Deutschland von der Zweistaatenlösung „tief überzeugt“, so Baerbock. Die Anerkennung Palästinas müsse allerdings im Laufe oder am Ende der Verhandlungen passieren und nicht zu Beginn. Den Plan von Trump weist die Außenministerin entschieden zurück. „Eine Lösung über die Köpfe der Palästinenserinnen und Palästinenser hinweg darf es nicht geben“, erklärte Baerbock in einer Stellungnahme. So müsse der durch den Krieg stark geschädigte Gazastreifen wieder aufgebaut – und eine Zweistaatenlösung am Verhandlungstisch getroffen werden. „Wir Europäer stehen bereit, unseren Teil gemeinsam mit den USA und den Partnern in der Region beizutragen“, so Baerbock.
Union hält Trumps Plan im Gazastreifen nicht für „konkreten Politikvorschlag“
„Trumps sehr abstrakte Ideen sollten Araber und Europäer – aber auch Israelis – als eindrückliches ‚Hallo wach!‘ verstehen“, erklärt Jürgen Hardt (CDU), außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag in einem Statement gegenüber unserer Redaktion. Dabei handele es sich weniger um einen „konkreten Politikvorschlag“. Trump habe die Angewohnheit, „auf sehr drastische Weise auf verkrustete Konflikte aufmerksam zu machen“, so Hardt.
In seiner Analyse gebe er dem US-Präsidenten aber recht: „Mit der Hamas geht es in Gaza nicht weiter. Eine Rückkehr zum Status vor dem 7. Oktober gefährdet Israel und die Region“. Israel müsse als strategisch wichtiges Ziel bessere Beziehung zur arabischen Welt aufbauen. „Die US-Beziehungen insbesondere zu Riad, Kairo und Amman sind eng und vertrauensvoll. Ich gehe davon aus, dass sie bei weiteren Vorschlägen beteiligt würden“, erklärt Hardt weiter.
Trump will Gazastreifen kontrollieren: SPD fordert „Kleeblatt-Format“ und „Zweistaatenlösung“
Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, appelliert für eine „verhandelte Zweistaatenlösung“ im Nahen Osten. „Der Vorschlag von Trump ist völlig inakzeptabel. Er steht im krassen Widerspruch zum Völkerrecht und würde 2 Millionen Palästinensern ihre Heimat rauben“, so Schmid in einem Statement gegenüber IPPEN.MEDIA. Europa solle mit Blick auf Trumps Aussagen an einer friedlichen Beilegung des Konflikts und der Aushandlung der Zweistaatenlösung „mit unseren Partnern in der arabischen Welt festhalten“.
Auf Ebene des Außenministeriums fordert Schmid daher, dass Deutschland „umgehend ein Treffen im Kleeblatt-Format“ initiiert. Dabei handelt es sich laut einer Erklärung des Auswärtigen Amtes um eine Schnittstelle europäischer und arabischer Partner, bestehend aus Deutschland, Frankreich, Ägypten und Jodanien. In dem Format, das auch als „Münchner Gruppe“ bezeichnet wird, gehe es darum, „die Logik der Gewalt“ im Nahost-Konflikt zu durchbrechen. „Das Kleeblatt-Format verfolgt eine langfristigere Perspektive mit dem Ziel, einen Pfad zur politischen Lösung des Konfliktes offen zu halten“, heißt es auf der Webseite des Außenministeriums.
Diese Initiative sei gerade jetzt besonders gefordert, da „durch eine solche willkürliche Vertreibung der Palästinenser“ – wie sie Trump zu fordern scheint – keine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und der arabischen Welt zu erwarten sei, so Schmid weiter. Er spricht sich ebenfalls für die Schaffung eines palästinensischen Staates aus: „Wirtschaftliche Entwicklung ist ein wichtiges Element für die Zukunft des Gazastreifens und der Palästinensergebiete insgesamt. Dazu bedarf es aber eines klaren politischen Rahmens in Form von palästinensischer Staatlichkeit.“
Trumps Plan für den Gazastreifen – Vertreibung und Kontrolle durch die USA
„Die USA werden die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen, und wir werden damit auch gute Arbeit leisten“, erklärte Donald Trump am Dienstag (4. Februar) gegenüber Reportern im Weißen Haus. Er wolle etwas „phänomenales“ in dem Palästinensergebiet schaffen – „Die Riviera des Nahen Osten“.
Der US-Präsident nannte nicht viele Details seines Plans für den Gazastreifen. Jedoch plane er, dass die USA als Kontrollinstanz in der Region für die „Entsorgung aller gefährlichen, nicht explodierten Bomben und anderer Waffen“ verantwortlich sein soll. Zudem plane er, die rund zwei Millionen Zivilisten in andere Länder wie Ägypten oder Jordanien dauerhaft umzusiedeln. Er selbst und sein näheres Umfeld scheinen von dem Plan überzeugt zu sein. „Jeder, mit dem ich gesprochen habe, ist von der Idee begeistert, dass dieses Stück Land den Vereinigten Staaten gehört“, so Trump. (nhi)