Sultan Ahmed Al-Jaber - Ausgerechnet ein Ölprinz ist jetzt die größte Klima-Hoffnung
Erstmals unternimmt die Klimakonferenz diesmal einen „Global Stocktake“, eine Bestandsaufnahme über den Weg, den die Welt zurückgelegt hat im Sinne der Pariser Vereinbarungen - und das, was getan werden müsste. Da sieht es derzeit wenig hoffnungsvoll aus. Was dringend zu tun wäre, weil man auf diesen Gebieten zurückliegt, wären so unterschiedliche Dinge wie ein Stopp der Abholzung von Regenwald, und gleichzeitig Umstellung der Landwirtschaft auf klimaverträglichere Produktion.
Wenn der VW-Chef das Umweltbundesamt leitet
Der weitere Unmut der über 3000 anreisenden NGOs, die überwiegend aus den westlichen Industriestaaten kommen, konzentriert sich diesmal vor Beginn der zwölftägigen Konferenz weniger auf die ausrichtende Organisation der Vereinten Nationen oder deren zu gemächliches Tempo, sondern auf den Austragungsort Dubai und sein politisches, gleichzeitig wirtschaftlich verantwortliches Personal.
Greenpeace Deutschland meldete sich mit dem Vergleich zu Wort: „Das ist so, als ob das Umweltbundesamt vom Chef von VW geleitet würde“ – was angesichts der Elektroauto-Wandlungen beim Wolfsburger Konzern gar nicht mehr so verwunderlich wäre. Allerdings vergeben die UN den Gipfelort unter Berücksichtigung anderer Qualitäten: Die Kapazität des Landes muss ausreichen, und es sollten die verschiedenen Weltgegenden angemessen an die Reihe kommen. „Wir werden einen pragmatischen, realistischen und lösungsorientierten Ansatz einbringen, der transformative Fortschritte für das Klima und ein kohlenstoffarmes Wirtschaftswachstum ermöglicht“, kündigte al-Jaber schon an, als Dubai zu Jahresbeginn die Rolle des Konferenzortes zufiel.
Neben allem Wortgeklingel sehen wohlwollendere Beobachter dabei durchaus reale Bezüge. Denn al-Jaber ist nicht nur CEO der Ölgesellschaft, sondern nutzt die Gewinne seit Jahren für den Ausbau von Erneuerbaren Energien. Neben gewaltigen Solartürmen gehört dazu die Erforschung von Möglichkeiten zur CO2-Abscheidung und -Speicherung. Die Verfahren sind umstritten, unter anderem weil die Möglichkeiten wenig erprobt sind und das Bemühen womöglich verringern, CO2-Ausstoß durch Einschränkung zu vermeiden.
Pragmatische Dialektik
Al-Jabers Ölkonzern hat allein im letzten Jahr acht neue Ölbohrinseln in Betrieb genommen und erkundet gerade ein riesiges Gasfeld in einem geschützten Meeresgebiet, weshalb ihm die NGO „Climate Action Network“ so etwas wie die feindliche Übernahme der UN-Klimakonferenz vorwarf. Die UN könnten allerdings bei der Wahl des Veranstalters eine gewisse Dialektik verfolgt haben: Einerseits gehören die Vereinigten Arabischen Emirate zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch von fossilen Energieprodukten und demensprechend höchsten CO2-Ausstoß.
Dubai ist damit Zweiter hinter Katar, weit abgeschlagen folgen Großverbraucher wie die Vereinigten Staaten. Derzeit beträgt der jährliche CO2-Ausstoß 20 Tonnen pro Kopf. In Deutschland liegt er nicht einmal halb so hoch, und auch das ist kein Spitzenwert. Andererseits hat sich Dubai vorgenommen, bis 2050 völlig klimaneutral zu werden. Das entspricht nicht von ungefähr, mutmaßen Klimaschützer, dem Zeitpunkt für den angenommenen Niedergang der Ölvorräte der Emirate. Wobei vor allem im Bereich Gas noch sehr viele unbekannte Vorkommen erschlossen werden könnten.
Am Ende wäre es aus Sicht Dubais vorstellbar, selbst keine fossilen Brennstoffe mehr zu nutzen, sie allerdings weiterhin auch nach 2050 in alle Welt zu exportieren. In jedem Fall wird es Länder auf der Welt geben, die auch nach 2050 noch auf Erdöl oder Gas angewiesen sein werden. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand gehört China dazu, Indien aber ebenfalls wie auch Russland und Brasilien. Erst 2030, so die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem jährlichen Ausblick, könnte überhaupt der Höhepunkt des Ölverbrauchs auf der Welt erreicht sein. Wie schnell es danach mit der Nutzung bergab geht, ist offen.
Die anspruchsvollen deutschen Forderungen
Um so mehr Anlass, alle technischen Möglichkeiten zur CO2-Verringerung zu nutzen, sagt Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW Köln): „Die politisch vielfach geforderte Transformation unseres Wirtschaftsmodells hin zur Klimaneutralität von Produktion und Konsum verlangt nach effizienten Lösungen sowie der Bereitschaft, alle verfügbaren und künftig erwartbaren technologischen Optionen zu nutzen.“
Das ist ein Plädoyer nicht nur dafür, weltweit offen für neue Entwicklungen zu sein, was etwa die CO2-Filterung, Vermeidung und Lagerung angeht. Es ist vor allem auf Deutschland gemünzt, das 2045 vollständig klimaneutral vorankommen will, und Strom schon viel früher, 2035, ausschließlich aus erneuerbaren Quellen beziehen (80 Prozent bis 2030). Derzeit fällt die CO2-Bilanz aus vielerlei Gründen bekanntlich bestenfalls durchwachsen aus – Kohleverbrennung ist nach wie vor unentbehrlich, zusätzliche Gaskraftwerke sind nötig. Damit rangiert man in Sachen Transformation nicht in der weltweiten A-Liga. Und die für gewöhnlich sehr anspruchsvollen Forderungen und Diskussionsbeiträge aus Deutschland bei Klimakonferenzen könnten in Dubai eher nicht angebracht sein.