Waffenruhe in Gaza: „Kein Plan für den Tag danach“ – Düstere Zukunft nach Feuerpause?
Auf dem Tisch liegt der Vorschlag für eine neue 60-tägige Feuerpause in Gaza. Die Hamas stimmt sich noch mit ihren Verbündeten ab. Der Ausgang bleibt offen.
Tel Aviv/Gaza – Es war US-Präsident Donald Trump, der zuletzt Hoffnungen auf eine Waffenruhe im Konflikt zwischen Israel und der Hamas machte. Doch während Israel Bereitschaft zu einer Feuerpause in Gaza signalisiert und die islamistische Hamas einen neuen Vorschlag prüft, beschwor Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zuletzt das Ende der Terrororganisation. Die Vermittler USA, Ägypten und Katar hatten zuvor einen Vorschlag für eine auf 60 Tage begrenzte Waffenruhe im Gaza-Krieg vorgelegt.
Am Freitag, dem 4. Juli, sagte Trump, man werde voraussichtlich in 24 Stunden wissen, wie die palästinensische Terrorgruppe Hamas auf einen Vorschlag für einen Waffenstillstand und ein Abkommen zur Freilassung von Geiseln mit Israel reagieren werde. Der US-Präsident ergänzte, die Bewohner des Gazastreifens seien „durch die Hölle gegangen“. Ob die Verhandlungen in eine Waffenruhe münden, ist offen – Klarheit dürfte erst in den kommenden Tagen herrschen. Laut Times of Israel sagten zwei israelische Beamte, dass Einzelheiten für eine mögliche Waffenruhe in Gaza noch ausgearbeitet würden.
Waffenruhe in Gaza: Hamas will dauerhaftes Ende des Krieges mit Israel
„Das wesentliche Hindernis in den Verhandlungen während der letzten Monate war das Pochen der Hamas auf ein dauerhaftes Ende des Krieges, was Israel nicht zugestehen will“, sagt Andres Böhm, Nahost-Experte sowie Dozent für Völkerrecht und internationale Beziehungen an der Uni St. Gallen, gegenüber der Frankfurter Rundschau. Netanyahu spiele auf Zeit und „möchte mit dem Abkommen über eine Feuerpause Zeit gewinnen – einerseits für sich selbst, seine politische Zukunft, andererseits für die Streitkräfte zur Regeneration“, so der Experte. Zugleich äußert Böhm Zweifel am Erfolg einer solchen Feuerpause.
„Wenn es stimmt, dass er in der letzten Sitzung des Sicherheitskabinetts äußerte, man werde jeden in Gaza töten, der eine Waffe tragen kann, ist eher davon auszugehen, dass er nach der Feuerpause die Kampfhandlungen wieder aufnehmen will – auch weil ihm sonst seine Koalitionspartner Ben Gvir und Smotrich von der Fahne gehen.“ Die „ethnische Säuberung Gazas und des Westjordanlandes“ sei letztlich Teil des politischen Programms der Regierung Israels, so Böhm.
Auch auf internationaler Ebene gab es bereits in den vergangenen Monaten entsprechende Positionen: Die UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese warf der Regierung eine „genozidale Kampagne“ im Gazastreifen vor – ein Vorwurf, den Israel entschieden zurückwies. Mit Blick auf eine mögliche Waffenruhe in Gaza zeigte sich ein hochrangiger israelischer Beamter gegenüber Channel 13 zuletzt optimistisch: „Wenn es eine positive Antwort gibt, könnte dies bis nächste Woche geschehen“, so der hochrangige Beamte.
Gespräche über Waffenruhe in Gaza: Bedingungen für Feuerpause noch unklar
In der Hamas nahestehenden Medien hieß es, die Terrororganisation habe positiv auf den neuen Vorschlag reagiert. Allerdings wolle die Gruppe Garantien, dass die zweimonatige Waffenruhe zu einem dauerhaften Ende der Kämpfe führt, zitierte die in London herausgegebene Zeitung Asharq Al-Awsat eine Person aus dem Umfeld der Hamas. Unterdessen kam laut einem Bericht des Nachrichtenportals Ynet das israelische Sicherheitskabinett zusammen, um über die Einzelheiten einer möglichen Feuerpause zu beraten.

Die genauen Bedingungen des neuen Vorschlags der Vermittler sind noch unklar. Die New York Times berichtete, der Vorschlag für einen Deal sehe die Freilassung von zehn der noch lebenden Geiseln und die Übergabe der Leichen von 18 Entführten im Austausch gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen vor. Der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al-Saud sagte indes laut Guardian am Freitag auf die Frage nach der Möglichkeit einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel, dass die derzeitige Priorität darin bestehe, einen dauerhaften Waffenstillstand im Gazastreifen zu erreichen.
Hamas baut wegen Waffenruhe in Gaza auf USA – „belastbare Garantie durch Trump“
Angesichts der derzeitigen Lage der Hamas vermutet Böhm, dass das aktuelle Szenario für die Terrorgruppe inakzeptabel sei. „Sie besteht, wenn nicht schon auf eine definitive Zusage eines Kriegsendes im Abkommen selbst, dann doch auf eine belastbare Garantie durch Trump.“ Im Hinblick darauf habe die Hamas den als Geisel gehaltenen US-Amerikaner Edan Alexander im Mai ohne direkte Gegenleistung freigelassen.
„Wenn die kolportierten Modalitäten des Abkommens zutreffen, dass während der 60-tägigen Feuerpause zehn lebende Geiseln freigelassen sowie 18 Leichen getöteter Geiseln übergeben werden sollen“, so Böhm, „die verbleibenden Geiseln aber erst nach einem Ende des Krieges übergeben werden sollen, wäre dies für Hamas wohl eher zu akzeptieren, da ihr damit zumindest ein Faustpfand verbleibt, falls Israel den Krieg fortsetzt.“
Waffenruhe in Gaza: Israel hat „keinen Plan für den Tag danach“
Nach offiziellen israelischen Angaben werden noch 50 aus Israel entführte Menschen im Gazastreifen festgehalten, davon sollen mindestens 20 noch am Leben sein. Trump hatte die Waffenruhe in Gaza zuletzt zum großen Thema auf der US-Agenda gemacht. In den kommenden Tagen steht zudem ein Besuch Netanjahus in den USA an. Mutmaßlich wird eine Lösung des Konflikts dabei eine größere Rolle spielen. Erst am vergangenen Wochenende hatte der US-Präsident klar Position bezogen und über das Korruptionsverfahren gegen Netanjahu geschimpft. Laut Times nannte er es eine „Hexenjagd“.
„Die alles entscheidende Frage ist, ob Trump politisches Kapital einsetzen wird, um eine Einwilligung Netanyahus zu einem dauerhaften Ende des Krieges zu erlangen – und später auch darauf zu bestehen. Denn der Krieg ist, was diese israelische Regierung zusammenhält.“
Selbst wenn es also zu einer Feuerpause kommen sollte, sei kein Frieden in Gaza in Sicht, so Böhm. „Die israelische Regierung hat keinen Plan für den Tag danach. Einzig auf eine ethnische Säuberung kann sie sich einigen. Gedankenspiele, dass lokalen Clans die Herrschaft übertragen werden soll, sind illusorisch.“ Noch ist unklar, ob die Konfliktparteien den Weg zu einer tragfähigen Lösung finden. Ob dies gelingt, hängt wohl auch von den nächsten diplomatischen Signalen aus Washington ab. (fbu)
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