OP-Ärzte: „Wir haben eine gute Auslastung erreicht“
Seit 2018 gibt es das OP-Zentrum im Holkirchner Atrium. Inzwischen hat sich als Adresse für ambulante Eingriffe etabliert. EIn Gespräch mit den Ärzten.
Anästhesist Felix Jahn (52) und Orthopäde Philipp Minzlaff (45), Mannschaftsarzt der Tölzer Löwen, kommen gerade aus dem Operationssaal. Der ambulante Eingriff, den die beiden soeben durchgeführt haben, hat etwas länger gedauert, als geplant. Jetzt sitzen sie – noch in OP-Kluft – in einem Besprechungsraum des OP-Zentrums Oberland. Das Krankenhaus Agatharied hat die auf ambulante Operationen spezialisierte Außenstelle 2018 im Holzkirchner Atrium eröffnet, das heuer 20 Jahre alt wird. Zuvor war der Klinikbereich des Atriums mit den beiden OP-Sälen zwei Jahre lang leer gestanden, nachdem sich verschiedene Betreiber daran erfolglos versucht hatten. Im Interview sprechen Jahn und Minzlaff über die Entwicklung des OP-Zentrums Oberland seit seiner Eröffnung, über die Sicherheit ambulanter Eingriffe – und die Zukunft stationärer Operationen.
Herr Dr. Jahn, das OP-Zentrum Oberland wurde vor bald sieben Jahren eröffnet. Wie hat es sich seither entwickelt?
Felix Jahn: Es hat sich sehr positiv entwickelt. Mit etwa 2000 Eingriffen pro Jahr haben wir inzwischen eine gute Auslastung erreicht. Zusammen mit dem Krankenhaus Agatharied und mit externen Operateuren können wir von Montag bis Freitag einen kontinuierlichen OP-Betrieb in den beiden Sälen gewährleisten. Die Patienten kommen in der Regel aus einem Umkreis von circa 30 Kilometern, aber auch aus München, Rosenheim und der Penzberger Gegend. Vereinzelt haben wir auch überregionale Patienten, die wegen der operierenden Ärzte kommen.
Herr Dr. Minzlaff, Sie sind einer der hier operierenden Ärzte. Was ist aus Ihrer Sicht der Vorteil eines ambulanten OP-Zentrums gegenüber einem Krankenhaus?
Philipp Minzlaff: Patienten erleben häufig ambulante Operationen als weniger belastend. Sie kommen geplant von zu Hause und können nach der Operation die Nacht auch wieder im gewohnten heimischen Umfeld verbringen. Alle Prozesse sind hervorragend auf die Kernleistung „Operation“ abgestimmt. Patienten kommen kurz vor der OP nüchtern und können in der Regel kurz darauf operiert werden. Der administrative Aufwand im Vergleich zu einem Krankenhausaufenthalt ist wesentlich geringer. Das gesamte OP-Team kennt sich in der Regel sehr gut und alle Abläufe sind sehr standardisiert. Gerade bei sportorthopädischen Eingriffen wie Kreuzband-, Meniskus- oder arthroskopischen Schulteroperationen besteht eine hohe Expertise, die durch schonende OP-Verfahren und hohe Fallzahlen gekennzeichnet ist. Hinzukommt, dass das OP-Zentrum kein Ausbildungsbetrieb ist. Das bedeutet, dass hier nur sehr erfahrene Operateure und Anästhesisten tätig sind.
Am OP-Zentrum Oberland operieren auch niedergelassene Ärzte. Aus welchen Fachbereichen kommen die Operateure?
Jahn: Die Orthopädie macht den wohl größten Teil aus. Aber auch gynäkologische, HNO-ärztliche und Hernien-Operationen führen wir hier durch. Gemäß dem gesundheitspolitischen Grundsatz „ambulant vor stationär“, hat die Zahl der ambulanten Eingriffe zugenommen. Leistenbruch- oder Kreuzband-OPs zum Beispiel fanden früher viel häufiger in Krankenhäusern statt. Aber dank moderner Narkose-Verfahren und der Routine der Operateure kann man diese Eingriffe unter bestimmten Voraussetzungen den Patienten guten Gewissens ambulant anbieten.
Die Infrastruktur eines ambulanten OP-Zentrums unterscheidet sich von einer Klinik. Wie sorgen Sie für die Sicherheit der Patienten?
Jahn: Das beginnt bei der Auswahl der Patienten. Sobald ein Patient schwere Vorerkrankungen hat oder die Betreuung zu Hause, etwa durch Angehörige, nicht sichergestellt ist, muss die OP stationär gemacht werden. Vorerkrankungen werden vorher abgefragt, und der Hausarzt macht eine Voruntersuchung. Einige Tage vor der OP findet außerdem ein Gespräch mit dem Anästhesisten statt, in dem beurteilt wird, ob der Patient für einen ambulanten Eingriff geeignet ist und in dem er über die Risiken aufgeklärt wird.
Minzlaff: Ein großer Vorteil des ambulanten OP-Zentrums in Holzkirchen ist durch die Trägerschaft bedingt. Diese gewährleistet eine enge Kooperation mit dem Krankenhaus Agatharied. Im Fall von Komplikationen können Patienten jederzeit stationär aufgenommen werden. Allerdings gibt es aufgrund der sorgfältigen Patientenauswahl kaum Situationen, in denen eine Verlegung ins Krankenhaus notwendig wird. Die Rate, dass jemand aus dem Aufwachraum ins Krankenhaus verlegt werden muss, liegt weit unter einem Prozent.
Operieren Sie hier auch Kinder?
Jahn: Ja, zum Beispiel im HNO-Bereich. Allerdings gibt es ein Anästhesie-Limit: Das Kind muss mindestens drei Jahre alt sein und mindestens zehn Kilo wiegen. Darunter machen wir es nicht. Außerdem verfügen wir über Anästhesisten, die Erfahrung in der Anästhesie bei Kindern haben.
Minzlaff: Nach oben hin gibt es übrigens auch keine klare Altersgrenze. Wenn ein 80-Jähriger topfit ist, können wir ihn hier operieren. Dagegen kann bei deutlich jüngeren Patienten, die viele Risikofaktoren mitbringen oder schlichtweg zuhause nach der Operation nicht versorgt sind, eine ambulante Operation unter Umständen nicht möglich sein.
In der Vergangenheit kam es bei ambulanten OPs an Kindern auch zu Todesfällen.
Jahn: Dabei handelte es sich um Eingriffe in Zahnarzt- und HNO-Praxen, wo strukturbedingt die Versorgung schlecht war und Organisationsfehler gemacht wurden. Wir dagegen arbeiten streng nach den Vorgaben der Fachgesellschaften. Im Aufwachraum zum Beispiel haben wir nur Fachpersonal. Im Operationszentrum Oberland kam es dank der bestehenden Qualitätssicherungsmaßnahmen noch zu keinem einzigen Todesfall oder folgenreichen Zwischenfall. Aber natürlich birgt jede OP und Anästhesie Risiken. Die bestehen allerdings auch in Kliniken. Auch dort ist es leider schon zu Todesfällen gekommen.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach will stationäre Behandlungen ambulantisieren. Werden in fünf Jahren auch Kaiserschnitte und Blinddarmentfernungen ambulant gemacht?
Jahn: Nein, das glaube ich nicht. Zwar wird es weitere Operationen geben, die künftig ambulant gemacht werden können, zum Beispiel Gallen-OPs. Aber wir können hier am OP-Zentrum Oberland nicht das gesamte Spektrum der Medizin abbilden. Das ist auch eine Frage des Equipments.