Bodentruppen und Russland-Fans - Wie Macron die Rechten in Frankreich in Schach hält

Als Marine Le Pen im Juni 2023 vor einer Untersuchungskommission „über die politische, wirtschaftliche und finanzielle Einmischung ausländischer Mächte“ zu ihren Russlandverbindungen befragt wurde und sie sich nochmal zur Annexion der Krim äußern musste, konnte sie nur mit Mühe den Schaden von sich wenden. Beim Tod von Alexei Nawalny konnte ihr jeder ansehen, wie schwer es ihr fiel, öffentlich Position zu beziehen. Das hat sie am Ende gemacht, ohne allerdings von „Mord“ zu sprechen: Das klang alles andere als überzeugend. Solche Situationen gilt es nun zu vermeiden, denn am Ende könnten sie dem Image schaden, das sie sich über die Jahre gebaut hat.

Aus demselben Grund wird nicht mehr von der Anerkennung der von Russland annektierten Krim gesprochen. Wenn auch die Situation außerordentlich ist, darf die Partei mit extremen Positionen nicht aus dem Rahmen fallen. Sie kann hier den Ton nicht vorgeben und muss mit der

Die Rechte in Frankreich warnt seit vielen Jahren vor einer „Überschwemmung durch Migranten“ und einer „Zersetzung der französischen Identität“. Wie hat sie sich zur Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine positioniert? 

Meinungsumfragen haben früh gezeigt, dass eine große Mehrheit der Franzosen bereit war, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen, sogar bei sich zu Hause. Dieser Befund brachte der RN dazu, eine Kehrtwende „in seiner Migrationspolitik“ zu machen. Wenig später ließ die Partei wissen, man sei „selbstverständlich“ bereit, Polen zu entlasten und ukrainische Flüchtlinge ins Land zu lassen: im Namen der Genfer Flüchtlingskonvention.

Der Wink war klar: Wir halten uns an in internationale Regeln. Le Pen machte aber gleichzeitig deutlich: Bei Syrern und Afghanen habe man aber seine Meinung nicht geändert, da sie aus „wirtschaftlichen Gründen“ (!) nach Frankreich kommen wollen. Dass Eric Zemmour, der Vorsitzende der Partei Reconquête, im selben Atemzug bekräftigte, ukrainische Flüchtlinge sollten „besser in Polen bleiben“, spielten ihr in die Karten. Sie erschien als die gemäßigte, er als der radikale. Ihr Kalkül ging auf.

„Ein EU-Beitritt der Ukraine wäre völlig verrückt“, betonte Maximilian Krah im November vergangenen Jahres. Wie sagt die Rechte dazu? 

Die Bauernproteste gaben dem RN die Argumente, die er benötigte, um sich der Frage anzunehmen. Bis dahin hatte sich Le Pen bedeckt gehalten. Das Nein, das sie aussprach, rechtfertigte sie nicht mit geostrategischen Argumenten (wie Orban es tut), sondern mit wirtschaftlichen Erwägungen: Dies würde den Tod der französischen Landwirtschaft bedeuten und den Zusammenbruch ganzer Wertschöpfungsketten mit sich ziehen.

Die (inzwischen teilweise rückgängig gemachte) Aussetzung von EU-Zöllen auf ukrainische Exporte sei der erste Schritt in diese Richtung. Mit dieser These steht Le Pen übrigens nicht alleine: Viele Bauernverbände, nicht nur in Polen und Ungarn, argumentieren ähnlich. Das verschafft ihren Forderungen große Resonanz.

Wie sieht es mit dem NATO-Beitritt der Ukraine aus? 

In seinem Wahlkampfprogramm 2022, „400 Vorschläge, um das Land wiederaufzurichten“, hatte Eric Zemmour gefordert, Frankreich solle einen Vertrag unterzeichnen, der den Beitritt der Ukraine (deren Existenz er 2016 in Frage gestellt hatte) zur NATO unmöglich machen sollte. Seitdem hat sich Zemmour nicht mehr zum Thema geäußert. Ähnlich wie Marine Le Pen hatte er vor dem Krieg mehrfach von seiner Bewunderung für Putin gesprochen und sogar öffentlich gesagt, „er träume von einem französischen Putin.“ Heute sucht man bei ihm vergeblich nach Spuren seiner ideologischen Nähe zum Kreml-Chef. Das Thema ist vom Tisch, zumindest was öffentliche Stellungnahmen angeht.

Für Marine Le Pen ist klar: Nicht die Ukraine, sondern Russland soll „eine strategische Partnerschaft“ mit der NATO eingehen. Die „Partnerschaft“ mit Moskau hat sie sogar in ihrem Wahlkampfprogramm 2022 festschreiben lassen, jenem Programm, das mit einem Bild von sich und Putin verziert werden sollte. Heute wird gezwungenermaßen nicht mehr davon gesprochen. Das Nein zum NATO-Beitritt der Ukraine wird nicht laut gesprochen: Doch es steht. Was aus der Ukraine in diesem Kontext werden soll, ist unklar: Orban, mit welchem sie enge Kontakte unterhält, sprach neulich von einem Pufferstaat.

Le Pen geht nicht so weit, aber klar ist: Wenn die Ukraine weder der NATO noch der EU beitritt, wird sie über kurz oder lang von Russland geschluckt. Le Pen weiß dies ganz genau. Das dürfte ihrem langjährigen Freund im Kreml gefallen. 

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Landry Charrier

Experte für deutsch-französischen Beziehungen sowie Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik

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Experte für deutsch-französischen Beziehungen sowie Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik

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Landry Charrier

Experte für deutsch-französischen Beziehungen sowie Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik

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