„Fatales Signal europäischer Schwäche“: 50-Prozent-Zölle setzen deutsche Branche unter Druck
Die USA und die EU haben einen Handelskrieg abgewendet. Die weiterhin hohen Zölle auf Stahl sorgen in Bremen und dem Saarland für scharfe Kritik.
Berlin – „Größter aller Deals“ – so bezeichnete der US-Präsident Donald Trump den Kompromiss im Zollstreit mit der EU. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) lobte zwar die Einigung, durch die ein Handelskonflikt abgewendet worden sei – besonders in der deutschen Industrie und Regionalpolitik fiel die Reaktion verhaltener aus.
Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einigten sich auf einen Basiszollsatz von 15 Prozent für die meisten EU-Importe in die USA. Dieser Satz soll laut von der Leyen auch für Autos, Halbleiter und Arzneimittel gelten. Zudem bilde die Vereinbarung die Grundlage für mögliche künftige Zollsenkungen auf weitere Waren. Für Stahl und Aluminium sollen hingegen weiterhin die bereits im Juni von Trump verhängten Zölle in Höhe von 50 Prozent bestehen bleiben.
„Fatales Signal europäischer Schwäche“: Stahlindustrie soll weiter 50 Prozent Zölle zahlen
Scharfe Kritik äußerte unter anderem Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). Die Einigungen im Zollstreit seien ein Punktsieg für Trump und „ein fatales Signal europäischer Schwäche“, sagte er laut Tagesschau. Der Deal lasse die Stahlindustrie in Deutschland im Regen stehen. Der Bremer Regierungschef sprach sich infolge der Entwicklungen für umfassende Unterstützung der Branche aus. Um die Produktion zu schützen, müssten nun Importquoten für ausländische Stahlproduzenten eingeführt werden. Gleichzeitig müssten die Energiepreise gesenkt werden.
Weitere Negativeinschätzungen kamen aus dem Saarland. „Wenn es dabei bleibt, dass US-Zölle auf Stahl bestehen bleiben und wir Europäer auch noch Milliardeninvestitionen in die USA bringen sollen, dann ist das ein Deal von Ursula von der Leyen auf dem Rücken der Stahlindustrie“, sagte der saarländische SPD-Generalsekretär Esra Limbacher dem Spiegel. „Die Zeche zahlen wir dann in unserem Land.“ Er forderte „jetzt schnell einen Stahlgipfel und einen Fahrplan für bezahlbare Energiepreise, Wasserstoff und Leitmärkte.“ Denn die Politik dürfe nicht tatenlos zusehen, wie die deutsche Stahlindustrie zunehmend den Anschluss verliert.
Strenge Worte zum Handelskompromiss kamen vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): „Das Übereinkommen ist ein unzureichender Kompromiss und sendet ein fatales Signal an die eng verflochtene Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks“, teilte der BDI mit. Die EU nehme schmerzhafte Zölle in Kauf.

„Brauchen niedrige Zölle, offene Märkte“: Merz lobt Kompromiss, Klingbeil ist verhalten optimistisch
Merz hingegen lobte die Einigung und hob hervor, dass sich „die Einigkeit der Europäischen Union und die harte Arbeit der Verhandler ausgezahlt“ hätten. Zugleich betonte er, Europa habe trotz aller Herausforderungen seine zentralen Interessen wahren können – auch wenn er sich zusätzliche Handelserleichterungen im transatlantischen Verhältnis gewünscht hätte. „Von stabilen und planbaren Handelsbeziehungen mit Marktzugang für beide Seiten profitieren alle – diesseits wie jenseits des Atlantiks, Unternehmen wie Verbraucher“, sagte Merz.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) äußerte sich verhalten optimistisch zur erzielten Einigung. Dass eine Verhandlungslösung gefunden wurde, sei „erstmal gut“, sagte er. Die Bundesregierung werde nun das Ergebnis sowie dessen Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und den Arbeitsmarkt eingehend prüfen, erklärte der Vizekanzler. Zugleich unterstrich er die Bedeutung, dass Europa seine Interessen gewahrt habe.
Zugleich machte Klingbeil deutlich: „Grundsätzlich bleibt meine Überzeugung: Zölle schaden der Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks. Wir brauchen niedrige Zölle und offene Märkte. Wir setzen weiter auf gute Handelsbeziehungen. Dafür werden wir neben den USA auch neue weltweite Partnerschaften aufbauen.“
„Einzig Positive“: Kompromiss zwischen EU und USA hat Eskalation abgewendet
Trump hatte den weltweiten Handelskonflikt durch die Einführung zusätzlicher Zölle ausgelöst, deren Höhe je nach Herkunftsland unterschiedlich ausfiel. Trotz zwischenzeitlich erzielter Handelsabkommen liegen die Abgaben für Importeure weiterhin über dem Niveau vor Beginn von Trumps zweiter Amtszeit. So wurden etwa bei der Einfuhr von Autos zusätzliche Zölle in Höhe von 25 Prozent fällig, was den Gesamtzollsatz auf 27,5 Prozent erhöhte.
Die nun vereinbarte Senkung auf 15 Prozent bezeichnete EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen als das bestmögliche Ergebnis. „Wir sollten nicht vergessen, wo wir herkommen“, sagte sie. 15 Prozent seien zwar nicht gering, aber das Maximum dessen, was erreichbar gewesen sei.
„Das einzig Positive an dieser Einigung ist, dass eine weitere Eskalationsspirale zunächst abgewendet werden konnte“, hieß es vom BDI. Entscheidend sei jetzt, dass das Übereinkommen verbindlich werde. Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks bräuchten Planungssicherheit für Lieferketten und Investitionen. (hk/dpa)