Bereits seit Juli hat die Zugspitze ein zweites Gipfelkreuz. Eines in der Bergstation. Dieses soll nun ausdrücklich beklebt werden. Damit das Original künftig nur noch golden erstrahlt. Aufwändig werden dort alle Sticker entfernt.
Wunderschön steht es da, das Gipfelkreuz-Duplikat auf der Zugspitze. Golden leuchtet es in der Bergstation, glänzt bereits auf ungezählten Instagram-Accounts. Doch so schön, so neu, so unangetastet soll es gar nicht bleiben. Bekleben ist ab sofort ausdrücklich erwünscht. Damit startet die Bayerische Zugspitzbahn (BZB) Teil zwei ihrer Sicherheitskampagne. Die mit der großen Bitte verbunden ist, das Original-Gipfelkreuz respektvoll zu behandeln – und mit Stickern zu verschonen.
Selfiejäger auf der Zugspitze: „Die bringen sich da echt in Gefahr“
Seit Anfang Juli hat Deutschlands höchster Berg sein Indoor-Gipfelkreuz. Aufgestellt wurde es, um all die Bergneulinge, all die Turnschuh- und Sandalentouristen vom ausgesetzten, felsigen Weg zum Original abzuhalten. Sicher und ohne jedes Risiko können sie nun vor einer Panoramaleinwand ihre Erinnerungsfotos schießen. Doch das Bild ist es offenbar nicht allein, weshalb sich viele Besucher hinüberzittern auf das kleine Felsplateau. Besonders beliebt ist ein Bild samt Aufkleber aus der Heimat, vom liebsten Fußballverein, vom liebsten Spruch. Je höher der Sticker klebt, je spektakulärer das Selfie wirkt, umso besser. Immer wieder entdecken Mitarbeiter der Zugspitzbahn auf den Webcams Besucher, die dafür zum Teil akrobatische Übungen vollbringen. „Die bringen sich da echt in Gefahr. Das muss aufhören“, sagte Marketing- und Vertriebsleiter Klaus Schanda bereits kurz bevor das zweite Kreuz aufgestellt wurde. Nun setzt sich die BZB aktiv für ein Ende des riskanten Papp-Sports ein.
Schilder animieren zum Bekleben des Indoor-Gipfelkreuzes
Bald animiert sie nicht nur aktiv die Besucher auf Schildern, das Indoor-Kreuz zu bekleben anstatt das Original im Freien. Darüber hinaus lässt sie dieses komplett von allen Stickern befreien: Am 10. November wird das Gipfelkreuz ins Tal geflogen und dort von dem Kunstschmiede-Betrieb Franz Würzinger restauriert: Die Experten ziehen die Aufkleber ab, vergolden die Oberfläche neu. Zudem wird geprüft, ob eine Schutzschicht angebracht wird, auf der die lästigen Souvenirs der Gäste nicht mehr so gut haften. Zum Winter-Saisonstart auf der Zugspitze am 28. November soll das Kreuz wieder auf dem Gipfel erstrahlen. Unberührt wie 1993.
Damals fertigte das Unternehmen aus Eschenlohe die originalgetreue Nachbildung des ersten Gipfelkreuzes an. Dieses wurde 1851 aufgestellt und ist heute im Werdenfels-Museum zu bewundern. Seit 1993 ziert das Würzinger-Werk Deutschlands höchsten Gipfel. Damals noch ohne Aufkleber. Mittlerweile dürften es mehrere Schichten sein, die sich über die Jahre angesammelt haben. „Wahnsinn, wie viele das sind“, sagt Schanda.
Gipfelkreuz bereits 2017 von Aufklebern befreit - Nach vier Wochen war alles wieder voll
Lange schon haben die Verantwortlichen überlegt, was sie gegen die Klebewut unternehmen können. 2017 hatten sie einen Saubermach-Versuch gestartet. Bei Arbeiten für die neue Seilbahn Zugspitze war das Kreuz beschädigt und bei der Kunstschmiede repariert worden. Mühsam befreiten Experten das Blattgold vom bunten Plastik. Kaum war das Kreuz wieder aufgestellt, verewigten sich die nächsten Touristen. Vom Stahlbereich darunter ganz zu schweigen. Nicht mal vier Wochen hat’s gedauert, dann war alles wieder voll, erinnert sich Schanda. „Du entfernst die Aufkleber, und die nächsten Besucher freuen sich, dass sie wieder Platz haben für ihre Souvenirs.“
Damals zumindest war es so. Doch es bestand ein wesentlicher Unterschied: Die Klebe-Alternative fehlte. Genauso wie eine gezielte Kommunikation und ein Appell. All das gibt es jetzt. Deshalb glauben Schanda und sein Team fest daran, dass es dieses Mal funktioniert, das Kreuz golden bleibt. Wenn nicht? „Dann haben wir es wenigstens versucht.“ Denn eine jährliche Entklebungsaktion wird es nicht geben, stellt Schanda klar. Dafür ist das Ganze zu aufwändig und zu teuer. Einen niedrigen fünfstelligen Betrag – genauer wird der Vertriebsleiter nicht – kosten allein die Arbeiten der Kunstschmiede. Im Zuge dessen erneuert die BZB auch alle Hinweisschilder, die beispielsweise vor den alpinen Gefahren auf dem Weg Richtung Gipfel warnen.
„Das Gipfelkreuz ist ein Kunstwerk. Und die Leute verschandeln es“
Die Sicherheit ist das eine. Abgesehen davon sorgen die Aufkleber aus allen Teilen der Welt für Ärger bei der Zugspitzbahn. „Das Gipfelkreuz ist ein Kunstwerk. Und die Leute verschandeln es“, kritisiert der Vertriebs- und Marketingchef. „Das ist respektlos.“ Eine Straftat obendrein, rein rechtlich handelt es sich um Sachbeschädigung. An Anzeigen denkt Schanda aber auch künftig nicht. Er und sein Team hoffen einfach, dass der Plan aufgeht. „Wir fänden es wirklich schön, wenn dieses Wahrzeichen dann in seiner ganzen Schönheit erhalten bleibt.“
Anti-Sticker-Aufruf im Allgäu
Im Allgäu kämpfen die Verantwortlichen mit einem ähnlichen Problem wie die Bayerische Zugspitzbahn. In den Sozialen Medien rufen die Betreiber der Tegelbergbahn ihre Gäste nun zum Klebeverzicht auf. „Wir freuen uns, dass so viele von euch den Tegelberg lieben“, schreiben sie. „Aber bitte lasst eure Aufkleber trotzdem daheim. Unsere Schilder, Pfosten und Hinweistafeln sind keine Stickeralben.“ Zwischen drei und fünf Stunden müssen Mitarbeiter jede Woche investieren, um die unliebsamen Aufkleber wieder zu entfernen, berichtet die Allgäuer Zeitung. Mit Spachtel, Heißluftföhn oder Lösungsmitteln rücken sie den Souvenirs zu Leibe.