Rehkitz-Retter: Hightech und Gummistiefel gegen den Mähtod
Rehkitz-Rettung per Drohne: Wie Jäger und Landwirte zum Schutz des Wildes kooperieren.
Frauenneuharting – Mit einem forschen Sirren treiben vier Propeller die Drohne in den blauen Himmel über einer Waldlichtung bei Frauenneuharting. In 60 Metern Höhe fliegt das Gerät die programmierte Flugbahn ab, während Peter Schöpperle und Martin Höher den Bildschirm fixieren, der auf einem Stativ in der Wiese steht. Ein weißer Fleck im Einheitsgrau des Infrarotbildes weckt ihre Aufmerksamkeit. „Halt! Da haben wir Temperatur!“, spricht Schöpperle (61), Jäger, aus langjähriger Erfahrung.
Während viele Sonnenanbeter im Landkreis Ebersberg am Wochenende und am Feiertag genüsslich alle Viere von sich gestreckt haben, bedeuteten die warmen Tage für Martin Höher (44) und seine Landwirtskollegen vor allem eine Menge Arbeit – entsprechend emsig waren die Traktoren unterwegs. Die Wiesen stehen voll im Saft und dank des trockenen Wetters ist die erste Mahd fällig. Damit daraus kein Blutbad wird, fliegen vielerorts Jäger wie Peter Schöpperle mit seiner Drohne über die Wiese, anderswo haben Landwirte zusammengelegt und so ein Gerät gekauft, das leicht einen hohen vierstelligen Eurobetrag kosten kann.
Erst nach dem Überflug wird gemäht
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Der Jäger hat die Drohne in der Luft gestoppt und lässt sie ein paar Meter tiefer sinken. „Ein verlassenes Bett“, gibt er nach erneutem prüfenden Blick Entwarnung. Und tatsächlich zeigt die Drohne als „Beifang“ zwei Rehe, die am Waldrand zwischen den Bäumen stehen. Die lebenden Tiere leuchten wegen ihrer Körperwärme auf dem Wärmebild der Drohnenkamera wie Kerzerl am Christbaum. „Da siehst du alles“, sagt Schöpperle über die empfindliche Sensorik. Kaum drei Minuten dauert der Überflug. Dieses Mal kommt sein Sohn Michael Schöpperle (34), der sprintbereit in Gummistiefeln daneben steht, nicht zum Einsatz. Die Wiese ist zum Mähen freigegeben.
Das kurze, unspektakuläre Flugmanöver kann Leben retten. An diesem Morgen hat Michael Schöpperle ein paar Kilometer weiter schon zwei schockstarre Rehkitze aus dem fast kniehohen Gras geholt. Es ist Setzzeit, und die Geißen verstecken die wenige Tage oder Wochen alten Kitze im hohen Gras, wo sie sie in Sicherheit vor Raubtieren wähnen. Die Evolution hatte noch keine Zeit, zwölf Meter breite landwirtschaftliche Mähwerke in diese Kalkulation einzupreisen. Den kleinen Tieren fehlt der notwendige Fluchtreflex, weswegen sie, falls sie vorher nicht gefunden werden, zwischen den Mähmessern einen grausamen Tod sterben müssen.

Im Ernstfall drohen Strafen - doch der Tiertod ist schlimm genug
Es liegt in der Verantwortung der Landwirte, ihre Wiesen vor dem Mähen abzusuchen oder anderweitig Vorkehrungen gegen den Mähtod zu treffen. Tun sie das nicht, reichen die möglichen Konsequenzen von vierstelligen Geldbußen bis hin zu Freiheitsstrafen, falls die Tat entdeckt wird.
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Bevor es die Drohne gab, war die Zahl der getöteten Kitze wesentlich größer, erinnern sich Landwirt und Jäger. Die fußläufige Absuche sowie das „Aufstecken“ von Tierscheuchen zur Vergrämung der Tiere böten längst nicht den Schutz wie das Absuchen mit der Wärmebildkamera. Dabei liege den Landwirten, abgesehen von den schwarzen Schafen, die es immer gebe, selbst daran, dass die wehrlosen Tiere beim Mähen verschont bleiben.
Die möglichen Strafen gäben bei ihm gar nicht den Ausschlag, sagt Landwirt Martin Höher. Einmal, vor gut einem Jahrzehnt, habe er das gefürchtete Knacken im Mähwerk gehört, den Mähtod eines Rehkitzes miterleben müssen. „Das Gefühl wenn du das siehst“, sagt er, „das hat mir gelangt.“ und Jäger Schöpperle erzählt, dass fast alle Landwirte in seinem Revier, an die 20, inzwischen auf seine Drohne zählen.
Im Herbst nutzt sie der Jäger auch, um im Maisfeld wühlende Wildschweine aufzuspüren. Dann aber nicht mit Rettungsabsichten – die Tiere gelten angesichts ihrer hohen Zahl als Schädlinge.
In Wald und Flur: Landwirt appelliert zu Achtsamkeit
Martin Höher hat sich auf den Traktor gesetzt und zieht, geleitet vom GPS-Gerät, die Bahnen über die Waldwiese. Gute Qualität, passable Wuchshöhe, diagnostiziert er: „Gras ist nicht gleich Gras.“ Der Nährstoffgehalt entscheide mit darüber, wie viel Kraftfutter er zukaufen müsse. Müll oder Hundekot könnten schlimmstenfalls zu Verletzungen und Krankheiten im Stall führen. Dazu ist das Wetter ein unkalkulierbarer Faktor. „Wir sind von allem abhängig“, appelliert der Landwirt zum achtsamen Verhalten in Wald und Flur.