So bereitet die Berufsschule geflüchtete Jugendliche auf den Arbeitsmarkt vor
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VonUlrike Osmanschließen
Für ihren Platz auf dem Arbeitsmarkt müssen junge Geflüchtete sich mächtig ins Zeug legen. An der Berufsschule Fürstenfeldbruck werden sie darauf vorbereitet, eine Ausbildung zu machen – oder auf eine weiterführende Schule zu gehen.
Fürstenfeldbruck – Kfz-Mechatroniker, Elektriker, Bürokauffrau – Hussein (17), Rami (18) und Anesa (16) haben ihre Berufsziele schon im Auge. Die beiden Syrer und die Kosovo-Albanerin gehören zu den 103 Schülern in insgesamt sechs Integrationsklassen. Je nach Vorbildung werden die Jugendlichen auf zwei Berufsintegrationsklassen, zwei Vorklassen sowie zwei Deutschklassen verteilt. Darüber hinaus besuchen 45 Schüler in drei Klassen ein kooperatives Berufsvorbereitungsjahr.
Spracherwerb ist ein zentrales Element
Der Unterricht findet zum großen Teil in einem Container hinter dem Schulgebäude statt. „Das hat den Vorteil der Überschaubarkeit“, sagt Schulsozialarbeiterin Melike Sungur. Doch es entstehen durch die räumliche Trennung kaum Kontakte zu den deutschen Altersgenossen im Hauptgebäude. Sungur kommt vom Internationalen Bund (IB), einem freien Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit. Als Kooperationspartner stellt er der Schule neben der Sozialpädagogin freiberufliche Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache zur Verfügung.
Der Spracherwerb ist ein zentrales Element im Lehrplan für die Schüler aus aller Herren Länder, darunter Syrien, der Irak, die Ukraine, Afghanistan, der Kosovo, Sierra Leone, Senegal, Brasilien, Kolumbien und die Türkei. „Die Lehrkräfte in den Integrationsklassen bringen viel Erfahrung mit, wie sie mit dieser Heterogenität umzugehen haben“, sagt Schulleiterin Andrea Reuß. Selten gebe es Probleme unter den Schülern. Wenn, dann beruhten diese meist auf Missverständnissen aufgrund der kulturellen Unterschiede.
Neben Deutsch stehen Mathe, Ethik, Politik und Gesellschaft (ehemals Sozialkunde) auf dem Stundenplan. Im Fach „Berufliche Handlungsfähigkeit“ geht es um Themen wie Selbstorganisation, den Bewerbungsprozess und Berufsvorbereitung. Das Fach „Lebensgestaltung“ vermittelt Alltagskompetenzen, „Medienwelten“ den Umgang mit Computer und Smartphone. Reichlich Stoff also für die Jugendlichen – in einer fremden Sprache, die sie parallel erst erlernen.
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Als Ausgleich zu der vielen Theorie bietet Melike Sungur im Rahmen der Schulsozialarbeit oft Kunstprojekte an oder geht mit den Klassen auf den Trimm-dich-Pfad. Denn Sportunterricht steht nicht auf dem Lehrplan.
Die Motivation, zu lernen, ist bei den meisten hoch. Wer allerdings unfreiwillig von den Eltern mitgebracht wurde, traumatische Erfahrungen verarbeiten muss oder von Abschiebung bedroht ist, dem falle es schon schwer, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, so Reuß. Dennoch bekamen im vergangenen Schuljahr über 80 Prozent der Integrationsschüler einen Ausbildungsplatz.
In der Ausbildung geht die Plackerei los
Dann aber geht die Plackerei erst richtig los. Denn nun müssen die Jugendlichen den normalen Berufsschulunterricht in den Fachklassen besuchen. „Da braucht man Biss, und zum Großteil haben sie den auch“, sagt Anne Wynne, Fachbereichsleiterin für Berufsvorbereitung und Berufsintegration. „Aber sie brauchen Unterstützung.“
Wenn die jungen Erwachsenen mit 18 Jahren aus der Zuständigkeit der Jugendhilfe herausfallen, wird ihr Leben meist schwieriger – jedenfalls dann, wenn sie in einer Gemeinschaftsunterkunft landen, in der es kein ruhiges Plätzchen zum Lernen gibt. Umso mehr freut man sich in der Berufsschule über Erfolgsgeschichten wie die eines jungen Eritreers, der als Analphabet an die Schule kam und im vergangenen Jahr seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann mit einer guten Note abgeschlossen hat.
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