Neues Wahlrecht lässt CSU-Leute zittern: „Die Reform benachteiligt Großstädte, etwa in Bayern“

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Neues Wahlrecht lässt CSU-Leute zittern: „Die Reform benachteiligt Großstädte, etwa in Bayern“

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Durch das neue Wahlrecht zählt bei der Bundestagswahl nur noch die Zweitstimme. Das heißt auch: Etlichen Direktkandidaten droht das Aus.

Bei der Bundestagswahl am 23. Februar gilt ein neues Wahlrecht. Im Kern sieht die Reform Folgendes vor: Die Überhang- und Ausgleichsmandate fallen weg. Bislang waren automatisch alle Kandidaten im Bundestag, die über die Erststimmen einen Wahlkreis gewonnen haben. Hatte eine Partei mehr Wahlkreissieger als ihr nach dem Zweitstimmenrecht Sitze zustanden, wurde das mit Mandaten für die Konkurrenz ausgeglichen; der Bundestag blähte sich auf.

Das ist nun Geschichte. Im drastischsten Fall bekommen Wahlkreissieger kein Mandat mehr – dann, wenn ihr Stimmenanteil relativ gering ist und das Zweitstimmenkontingent ihrer Partei bereits durch andere Direktkandidaten mit besseren Ergebnissen ausgeschöpft wurde.

Neues Wahlrecht zur Bundestagswahl: „Die Reform benachteiligt Großstädte, etwa in Bayern“

Wer verliert durch das neue Wahlrecht an Sitzen? Generell jeder Wahlkreis, in dem es einen engen Ausgang im Erststimmenergebnis gibt. Betroffen sind also vor allem umkämpfte Wahlkreise. „Die Wahlrechtsreform benachteiligt Großstädte, etwa in Bayern“, sagt der Politikwissenschaftler Martin Gross unserer Redaktion. In München oder anderen Städten könnte es einen Dreikampf zwischen CSU, SPD und Grünen geben: „Sie nehmen einander die Stimmen weg.“ 

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, hier mit Parteichef Markus Söder, im Bundestag
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, hier mit Parteichef Markus Söder, im Bundestag: Blickt das Spitzenduo der Christsozialen nach der Bundestagswahl auf eine Unionsfraktion mti geschrumpfter CSU-Beteiligung? © IMAGO/Bernd Elmenthaler

Wahlrechtsreform zur Bundestagswahl: Diese CSU-Abgeordneten müssten zittern

Hätte die Wahlrechtsreform bereits 2021 gegolten, wären vor vier Jahren neun der insgesamt 45 in Bayern direkt gewählten CSU-Kandidaten nicht in den Bundestag eingezogen. Getroffen hätte es zum Beispiel in München Bernhard Loos (25,7 Prozent; tritt 2025 nicht mehr an), Stefan Pilsinger (27,0), Wolfgang Stefinger (31,7), in Augsburg Volker Ulrich (28,1) oder in Nürnberg Sebastian Brehm (28,5) und Michael Frieser (34,4).

CSU-Politiker Wahlkreis Erststimmenanteil
Bernhard Loos München-Nord 25,7 Prozent
Stephan Pilsinger München-West/Mitte 27 Prozent
Volker Ulrich Augsburg-Stadt 28,1 Prozent
Sebastian Brehm Nürnberg-Nord 28,5 Prozent
Mechthilde Wittmann Oberallgäu 29,7 Prozent
Andreas Scheuer Passau 30,7 Prozent
Wolfgang Stefinger München-Ost 31,7 Prozent
Tobias Winkler Fürth 33,5 Prozent
Michael Frieser Nürnberg-Süd 34,4 Prozent

Wie aus der Tabelle oben zu entnehmen ist, wären in Bayern also tatsächlich mehrheitlich die Städte betroffen gewesen. „In ländlichen Gegenden ist die Konkurrenz geringer“, sagt Gross. Bei der Wahl 2021 gab es auch einen Wahlkreis in Bayern, der an die Grünen ging: Jamila Schäfer in München (27,5). Mit diesem Ergebnis wäre sie drin gewesen, weil ihre Partei weniger Prozent bei den Zweitstimmen holte. Die Wahlkreissieger haben immer noch Vorrang vor der Landesliste.

Wahlrechtsreform zur Bundestagswahl: Diese Wahlkreise sind betroffen

Auch in Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg seien die Städte umkämpfter. In Baden-Württemberg dürfte es für die Union etwa in Stuttgart, Mannheim oder in den Studentenstädten Heidelberg und Freiburg eng werden. Ein knappes Rennen in NRW wird etwa in Aachen, Münster oder einigen Wahlkreisen in Köln erwartet.

Eine Prognose, ab welchen Werten ein Wahlkreissieger zittern muss, ist schwierig. Bei der vergangenen Bundestagswahl gab es sechs Abgeordnete, die ihren Wahlkreis mit weniger als 25 Prozent gewonnen haben. Ein ähnliches Ergebnis bei dieser Bundestagswahl dürfte wohl nicht reichen. Vorausgesetzt, es ist nicht vom Zweitstimmenanteil gedeckt.

Wahlrechtsreform zur Bundestagswahl: „Ich war nie ein Freund davon“

Der Abgeordnete, der sich mit am sichersten sein kann, heißt Johann Saathoff. Der SPD-Politiker aus Niedersachsen holte 2021 das beste Erststimmenergebnis (52,2 Prozent). Sein Sieg im Wahlkreis Aurich-Emden gilt auch dieses Mal als ausgemacht; bislang hatte hier ausnahmslos die SPD gewonnen. Auch, wenn er nicht von der Wahlrechtsreform betroffen ist, kritisiert er sie. „Ich war nie ein Freund von dieser Wahlrechtsreform”, sagt Saathoff im Gespräch mit dem Münchner Merkur.

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Der Ostfriese weiß um die Bedeutung der Direktkandidaten für die Menschen vor Ort. „Ich frage mich immer noch, wie das wohl ist, wenn man seinen Wahlkreis gewinnt, dann aber am nächsten Tag Bescheid bekommt, dass man nicht einzieht“, meint Saathoff. „Das muss man ja den Menschen vor Ort auch erklären: Da hat ein Kandidat zwar die meisten Stimmen bekommen, und trotzdem sitzt niemand aus dem Wahlkreis im Bundestag.“ Ein Szenario, das nach der Bundestagswahl auf mehrere Wahlkreise zutreffen könnte. Auch in Bayern.

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