Busfahrer enttäuscht: Als ob Autofahrer alles aus der Fahrschule vergessen haben
Wir Busfahrer haben eines gemeinsam: Wir tragen Verantwortung. Verantwortung für Kinder, die morgens mit großen Schultaschen und müden Augen an der Haltestelle stehen.
Verantwortung für ältere Menschen, die langsam ein- und aussteigen. Verantwortung für alle, die uns anvertrauen, sie sicher ans Ziel zu bringen.
Als hätte man die Regel aus der Fahrschule längst vergessen
Doch diese Verantwortung wird uns jeden Tag schwerer gemacht. Immer wieder erleben wir, wie Autofahrer achtlos an haltenden Bussen mit eingeschaltetem Warnblinker vorbeifahren – als hätte man die Regel längst vergessen, die jeder in der Fahrschule gelernt hat.
Für uns ist das nicht nur ein Ärgernis, sondern ein ständiger Schreckmoment.
Martin Binias, bekannt als „Herr Busfahrer“, ist Influencer und aktiver Busfahrer. Mit Humor und Reichweite macht er den ÖPNV nahbar, schafft Verständnis für den Berufsalltag und wurde mehrfach ausgezeichnet. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Wir sehen im Rückspiegel die Kinder, die aussteigen und loslaufen, ohne lange nachzudenken. Und wir sehen gleichzeitig Autos, die mit viel zu hoher Geschwindigkeit vorbeischießen.
In diesen Sekunden stockt uns der Atem. Wir wissen: Es braucht nur einen Augenblick der Unachtsamkeit, und es kann eine Tragödie geschehen.
Wir erleben tagtäglich, dass die klare Regel ignoriert wird
Dabei ist die Vorschrift eindeutig: § 20 der Straßenverkehrsordnung verpflichtet Autofahrer, an haltenden Linien- und Schulbussen mit eingeschaltetem Warnblinker Schrittgeschwindigkeit einzuhalten – aus beiden Richtungen.
Und doch erleben wir tagtäglich, dass diese klare Regel ignoriert wird – aus Hektik, aus Ungeduld oder aus Gedankenlosigkeit. Aber was für den einen nur ein paar Sekunden Zeitverlust bedeuten würde, kann für unsere Fahrgäste lebensgefährlich werden.
Es geht nicht nur um Strafen, es geht um Menschen
Wir Busfahrer erinnern uns an Situationen, die uns nicht mehr loslassen: Kinder, die fast direkt vor ein Auto gelaufen wären. Autofahrer, die im letzten Moment bremsen mussten. Eltern, die uns ansprechen, weil sie Angst um ihre Kinder haben. Solche Momente bleiben – und sie machen uns Sorgen.
Natürlich gibt es Strafen für dieses Fehlverhalten: Bußgelder, Punkte in Flensburg, sogar Fahrverbote. Aber es geht nicht nur um Strafen. Es geht um Menschen. Um Vertrauen. Um Sicherheit.
Darum mein Appell an alle Autofahrerinnen und Autofahrer: Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal einem Bus mit Warnblinker begegnen. Vielleicht steigt gleich ein Kind aus, das Sie kennen. Vielleicht ein Enkel, eine Nachbarin oder ein Freund. Halten Sie Schrittgeschwindigkeit, seien Sie aufmerksam und zeigen Sie Rücksicht.
Denn am Ende ist Rücksicht im Straßenverkehr keine Frage von Paragraphen allein. Es ist eine Frage von Menschlichkeit.