Protestwelle und halbvolle Stadien – die Klub-WM auf dem Weg zum Mega-Flop?

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Kurz vor Beginn drohte die Klub-WM im Schatten der Proteste in den USA zu verschwinden – bei gleichzeitig schleppendem Ticketverkauf. Ein Blick auf die ersten Spiele.

Frankfurt – „Eine neue Ära des Fußballs hat begonnen“ – mit nicht weniger gab sich Gianni Infantino zufrieden, als er am vergangenen Wochenende der Welt sein Herzensprojekt Klub-WM erneut anpries. Doch dem Turnier drohten ein schleppender Ticketverkauf, Sicherheitsdebatten für Spieler und Fans – und nicht zuletzt die Proteste in den USA – einen Kratzer am Prestige des Fußballs zu verpassen. Nach den ersten Spielen scheint ein großer PR-GAU zumindest vorerst abgewendet.

Dank 20 Dollar-Tickets? Eröffnungsspiel der Klub-WM vor 60.000 Fans

In der Nacht zu Samstag (14. Juni) war es dann so weit: Inter Miami mit Lionel Messi – eigens von FIFA-Boss Infantino per Sonderdekret ins Turnier beordert – kam gegen den ägyptischen Vertreter Al-Ahly nicht über ein 0:0 hinaus. Die eher dröge Darbietung konnte auch Messi nicht retten: Ein Kunstschuss des 37-Jährigen kurz vor Schluss wurde vom Al-Ahly-Torhüter über die Latte gelenkt. Immerhin:

Das dynamische Preissystem verhinderte, dass TV-Zuschauer neben dem Spiel auf leere Sitzschalen blicken mussten. 60.927 Zuschauer waren offiziell in der 65.000 Plätze fassenden Arena der Miami Dolphins anwesend. Kurzentschlossene konnten unter bestimmten Voraussetzungen für 20 Dollar bis zu fünf Tickets erwerben. Käufer anderer Partien lockt die FIFA mit einem Vorkaufsrecht für Spiele der Nationen-WM im kommenden Jahr.

Was sich ebenfalls bewahrheitete: Spiele mit Beteiligung europäischer Top-Klubs ziehen die Massen an. In Pasadena – nur unweit vom Protest-Hotspot Los Angeles – fanden sich für das Gigantenduell zwischen PSG und Atlético Madrid 80.619 Zuschauer ein. Nicht umsonst hatte man hier wohl von vornherein auf das größte Stadion der Klub-WM gesetzt: 92.500 Fans fasst die riesige Football-Schüssel.

FC Bayern-Spiel nicht ausverkauft: Testkick-Atmosphäre in Cincinnati

Ein anderes Bild zeigte sich dagegen an der Ostküste. Das 0:0 zwischen Palmeiras und dem FC Porto – mit zwei durchaus gewichtigen Teilnehmern – lockte gerade einmal 46.200 Zuschauer ins MetLife Stadium, am Rand von New York City. Dabei bietet das Stadion sonst Platz für 82.500 Fans bei NFL-Spielen.

Ein paar Stunden zuvor schlug der deutsche Rekordmeister in Cincinnati, Ohio auf. Bundesliga-Klubs, die die USA als nächsten großen Absatzmarkt für die deutsche Eliteliga erschließen wollen, werden den FC Bayern und Borussia Dortmund für ihre Präsenz bei der Klub-WM beneiden. Im reinen Fußballstadion der Stadt blieben beim 10:0-Kantersieg gegen Auckland City jedoch Plätze frei: Nur 21.152 der 26.000 möglichen Tickets wurden abgesetzt. Die Marke FCB allein reichte nicht für ein ausverkauftes Haus.

Ungewohnte Situation: der Fußball muss das Medieninteresse während eines Großturniers teilen ©  IMAGO / Imagn Images; Imago

An der US-Westküste: Proteste gegen Donald Trump – halbleeres Stadion in Seattle

Eine weitere Nagelprobe – sowohl für die Klub-WM als auch für den US-Fußball – fand in Seattle statt. Dort empfingen die Seattle Sounders Botafogo zum Heimspiel, mussten sich gegen die Brasilianer jedoch mit 1:2 geschlagen geben. 30.151 Zuschauer waren vor Ort – theoretisch wären im Lumen Field mehr als doppelt so viele möglich gewesen. 67.000 Plätze bietet das Stadion – eine Auslastung, die dem Veranstalter kaum gefallen kann.

Zur gleichen Zeit setzten sich in den USA die Proteste gegen Donald Trump und seine Einwanderungspolitik fort. Ungeachtet der Klub-WM kam es etwa in Los Angeles zu Kundgebungen gegen das razzienartige Vorgehen der Polizei- und Zollbehörde ICE, die teils in Auseinandersetzungen mündeten. Flankiert wurde das Geschehen durch die Entsendung der Nationalgarde in die kalifornische Metropole – auf Befehl des Präsidenten.

Auch auf den Fußball schwappte der Protest zuletzt bereits über: Fans des Los Angeles FC äußerten im Stadion via Spruchbänder ihren Unmut über den 79-jährigen Präsidenten. Unter den Fans der kalifornischen MLS-Klubs befinden sich viele Angehörige der spanischsprachigen Community. Gleichzeitig sind Immigrantinnen und Immigranten aus lateinamerikanischen Ländern häufig Ziel der aktuellen Abschiebungen.

Die Autokratisierungstendenzen unter Trump führten am Wochenende weiter zu einer riesigen Protestwelle auf amerikanischen Straßen. Die Veranstalter sprachen von mehr als fünf Millionen Teilnehmern in über 2.100 Städten unter dem Motto „No Kings“ („Keine Könige“). Zwischen den Protesten und den teils ernüchternden Zuschauerzahlen lässt sich kein direkter Zusammenhang herstellen – Fußball hat gegenüber anderen Sportarten in den USA ohnehin nach wie vor einen nachgeordneten Stellenwert. Dennoch gilt: Die Aufmerksamkeit gehört ihm auch dann nicht uneingeschränkt, wenn die FIFA mit einem neuen Turnier zu Gast ist.

Trump selbst nahm derweil in Washington an seinem eigenen Geburtstag eine Militärparade ab – offiziell zum 250-jährigen Bestehen des US-Militärs. Der enge Vertraute von Gianni Infantino sorgt damit am Premieren-Wochenende in doppelte Weise dafür, dass König Fußball in den USA dieser Tage nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die sich der Schweizer gewünscht hätte. Ein Umstand, der Infantino missfallen dürfte, wenn er von einer neuen Ära im Fußball spricht. (nki)

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