Putin greift nach tausenden Unternehmen – Millionen-Geschäft mit Enteignungen in den besetzten Gebieten

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Aus den besetzten Gebieten fließen Milliardensummen nach Russland. Angeblich liegt das auch an massenhaften Enteignungen. Das zeigt eine Untersuchung.

Mariupol – Russlands Wirtschaft steht kurz vor weiteren Rückschlägen durch neue Sanktionen. Erst kürzlich hatten sowohl Großbritannien als auch die EU angekündigt, weitere Sanktionspakete auflegen zu wollen – auf EU-Ebene steht diese Woche eine Entscheidung dazu an. Die Maßnahme eines wichtigen Maschinenbauers, tausende Mitarbeiter zu beurlauben, zeigt, wie wirksam die Sanktionen werden. Aus den besetzten Gebieten fließt derweil neues Geld an den russischen Staat.

Enteignungen in Mariupol – wie die besetzten Gebiete Russlands Wirtschaft speisen

Offenbar sind russische Unternehmen in großem Stil in Diebstahl und Enteignungen in der ukrainischen Großstadt Mariupol verwickelt. Ein Forschungspapier der sogenannten Serious Organized Crime & Anti-Corruption Evidence (SOC ACE), veröffentlicht am 14. Mai, benennt mehr als 1.000 russische Staats-Entitäten und rund 1.200 private Unternehmen, die mittlerweile in die Wirtschaft des besetzten Mariupol eingebunden sind.

Eine Präsentation auf dem Kazanforum mit einer Abbildung von Wladimir Putin.
Eine Präsentation auf dem Kazanforum mit einer Abbildung von Wladimir Putin (Symbolfoto). Aus den besetzten Gebieten fließen Milliardensummen nach Russland. Angeblich liegt das auch an massenhaften Enteignungen. Das zeigt eine Untersuchung. © IMAGO / SNA

Die Stadt befindet sich im Südosten der Ukraine und gelangte unter anderem wegen der heftigen Verteidigung des Hüttenwerks Asow-Stahl zu Bekanntheit. Durch die nun angestellte Untersuchung wollten die Forscher herausstellen, welche Individuen und Unternehmen von der russischen Besatzung profitieren oder sie anleiten. Ihre Ergebnisse haben sie in drei Datensets angelegt, jeweils mit einem unterschiedlichen Schwerpunkt:

  1. Das erste Datenset beinhaltet mehr als 1.000 russische Offizielle und Institutionen, die in die Wirtschaft von Mariupol involviert sind. Es soll potenziellen Missbrauch von Autorität und/oder Anteilhabe an Asset-Diebstahl offenlegen. Außerdem zeigt es, wie russische Gesetzgebung in den besetzten Gebieten alles Ukrainische eliminieren soll.
  2. Das zweite Datenset beinhaltet mehr als 1.200 private Unternehmen, ebenfalls involviert in Mariupols Wirtschaft, die potenziell von Korruption oder Betrug profitieren sollen. Weiter sollen sie Dienstleistungen an russische Sicherheitskräfte geliefert haben.
  3. Und das dritte Datenset soll zeigen, wie mehr als 180 russischstämmige Unternehmen potenziell in Firmenübernahmen gegen den Willen der Eigentümer involviert sind. Insgesamt sollen russische Akteure die Kontrolle über „tausende“ ukrainische Unternehmen, Immobilien und Assets übernommen haben, ohne Kompensation dafür zu liefern.

Diese drei Datensets kommen in der sogenannten Russian-Illicit-Finance-in-Occupation-Datenbank (RIFO-Datenbank) zusammen. Zuletzt haben die Studienautoren auch untersucht, wie Russland Mariupol als logistisches Zentrum benutzt, um erstens das eigene Militär zu versorgen und zweitens illegal ukrainisches Getreide oder andere Güter exportiert. „Diese wirtschaftlichen Praktiken stellen in vielen Fällen kriminelle Aktivitäten dar und könnten potenziell Kriegsverbrechen sein“, schlossen die Studienautoren. Das gesamte Dokument können Sie auf dieser Website herunterladen.

„Integration“ der besetzten Gebiete – lohnt sich das für Russlands Wirtschaft?

Mariupol soll dabei nur als ein Beispiel für Vorgänge gelten, die aber ebenso in vielen anderen ukrainischen Städten stattfinden. Welche wirtschaftlichen Vorteile das für Russland bringt, ist nicht vollumfänglich klar. Laut einer früheren Analyse des SOC ACE (2023) sollten die russischen Investments in die besetzten Gebiete zwischen 2022 und 2023 etwa zwei Billionen Rubel (rund 20 Milliarden US-Dollar) betragen, allerdings sprach das SOC ACE davon, dass die konkreten Zahlen geheim seien.

Der russische Präsident Wladimir Putin gab auf einer Pressekonferenz im Dezember 2023 selbst noch an, pro Jahr elf Milliarden US-Dollar aufwenden zu wollen, um die besetzten Gebiete zu „integrieren“. Damit sich das Ganze für Russland lohnt, müssten die in diesen Gebieten erwirtschafteten Gewinne höher sein als erstens diese Zahlen und zweitens die finanziellen Belastungen, die der Krieg mit sich bringt.

Für die Ausrüstung, Verschiebung und Aufrechterhaltung der Truppen für Operationen in der Ukraine und Moskau soll Russland in den ersten zwei Kriegsjahren rund 211 Milliarden US-Dollar aufgewandt haben. Das hatte ein US-Offizieller Anfang 2024 gegenüber Reuters angegeben. Zusammen mit den Investments in die Okkupationszone nach Putin wären das 233 Milliarden US-Dollar (Putins elf Milliarden eingerechnet), und das ungefähr im selben Zeitraum.

1,2 Milliarden an Steuereinnahmen für Putin – Bärenanteil entfällt auf Luhansk und Donetsk

Dagegen stehen Einnahmen aus Steuern, die Russland aus der Besatzungszone erhält. Laut der Moscow Times beliefen sich diese zwischen Januar und September 2024 auf rund 1,2 Milliarden US-Dollar. Das soll die Summe vom Vorjahr 2023 übertreffen. Dabei berief sich die Zeitung auf RBS news, einem russischen Sender.

Pikant daran: Auf die Regionen Donetsk und Luhansk, in denen Russland schon früh Separatisten bezahlt hatte, entfielen 80 Prozent der eingesammelten Steuern. Berechnet man für 2022 und 2023 ähnliche Steuereinnahmen (auch wenn das unrealistisch ist), stünden 3,6 Milliarden US-Dollar an Steuereinnahmen (2022 bis 2024) einer Investitionssumme von 233 Milliarden Dollar (2024 und 2025 noch nicht berechnet) gegenüber.

Kreml fährt Ukraine-Investments zurück – Bevölkerung will auch unterstützt werden

Laut SOC ACE ist die russische Bevölkerung nicht glücklich mit den enormen Investitionen, die in die besetzten Gebiete fließen. Dieses Geld fehlt dann logischerweise für den Aufbau von Infrastruktur innerhalb des eigentlichen Landes. Im Kreml gab es bereits ein Umdenken: Eine im Herbst 2024 veröffentliche Budget-Planung der russischen Regierung zeigte laut Moscow Times einen drastischen Anstieg der Militärausgaben, aber dafür lediglich noch eine Menge von etwa 9,68 Milliarden Dollar für die „Restauration“ der Regionen Donetsk, Luhansk, Kherson und Saporischja zwischen 2025 und 2027.

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