Der Boden auf dem Feldweg zwischen den Äckern ist auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden von den Öllachen, die noch zu sehen sind. Und das ist möglicherweise ein Glücksfall. Denn Regen, der sich über die Uckermark in den vergangenen Tagen reichlich ergossen hat, könnte eine Umweltkatastrophe größeren Ausmaßes in einem Naturschutzgebiet verhindert haben. Fällt Öl auf Wasser, schwimmt es obenauf, weil es leichter ist.
Ab 14 Uhr am Mittwoch war sehr viel Öl aus einer Schieberstation der Pipeline zwischen Rostock und Schwedt auf einen Acker in der Nähe von Gramzow gelaufen, oder besser gesagt: geregnet. In einer zeitweise bis zu 20 Meter hohen Fontaine schoss Rohöl in den Dezemberhimmel.
Sechs Stunden ergoss sich schwarzer Öl-Regen in Naturschutzgebiet
Rund sechs Stunden ging der schwarze, zähflüssige Regen nieder, mit einem Druck von 20 Atmosphären aus dem Pipelinerohr gepresst, ununterbrochen. Und während Brandenburgs Umweltministerin Hanka Mittelstädt (SPD) knapp 24 Stunden später am Unglücksort vor Journalisten noch von den am Mittwochabend kursierenden geschätzten 200.000 Liter spricht, die sich über eine Fläche von zwei Hektar ergossen hätten, wurde sie von der dpa zeitgleich bereits mit "250.000 bis 350.000 Litern" zitiert.
"Das Unglück ist passiert, als zwei Mitarbeiter von uns Vorbereitungen für einen Test trafen, bei dem am heutigen Tage ein Leck simuliert werden sollte. Was genau schiefgelaufen ist, versuchen wir noch, zu verstehen. Zum Glück sind die beiden Mitarbeiter unverletzt geblieben", sagte Ralf Schairer, Geschäftsführer der die Pipeline betreibenden PCK-Raffinerie GmbH aus Schwedt, FOCUS online. Schuld könnte ein defekter Stutzen gewesen sein, der auf der Pipeline sitzt.
Gefahrenwarnung für Bevölkerung noch in der Nacht aufgehoben
Rund 100 Feuerwehrleute, 30 von der betriebseigenen PCK-Werksfeuerwehr sowie 30 weitere Helfer waren bis tief in die Nacht im Einsatz gewesen, um nach dem Abriegeln der Leckstelle sofort mit dem Absaugen des Rohöls auf dem Acker zu beginnen. "Nach dem, was wir festgestellt haben, konnte durch den mit Regen durchtränkten Ackerboden kaum Rohöl ins Erdreich einsickern", erklärte Alexander Trenn, Brandamtsrat bei der Feuerwehr in Schwedt, FOCUS online.
Trenn ist studierter Chemiker und für diesen Bereich Sachverständiger beim Landesumweltamt. "Ich selbst hatte zunächst eine Gefahrenwarnung für die Bevölkerung herausgegeben, die ich aber noch im Laufe der Nacht herabgestuft und dann noch vor Anbruch des Morgens aufgehoben habe. Denn aus unserer Sicht geht wegen der Witterungsverhältnisse mit dem vielen Regenwasser im Boden von dem Unglück keine Gefahr für die Bevölkerung aus."
Rohöl kontaminiert Grabensystem im Niedermoor
Auch am Donnerstag fahren weiterhin unentwegt Lkw mit Sandladeflächen und Absaugfahrzeugen von der asphaltierten Landstraße nahe der winzigen Ortschaft Zehnebeck feldeinwärts ein paar Hundert Meter Richtung Osten. Feuerwehr, THW und Dienstleister der PCK-Raffinerie bereiten die Arbeiten für das Abtragen des Erdreichs vor, nachdem die Absaugarbeiten so gut wie beendet sind.
Auf der mit Trassierband abgesperrten, mit Gras bestandenen Ackerfläche um die Schieberstation sind nur noch wenige Öllachen zu sehen, im Hintergrund werden Bäume gefällt, die etwas vom Ölregen abbekommen haben.
Was man jedoch nur sieht, wenn man auf eine Landkarte guckt: Die Schieberstation liegt nur wenige Meter vom Wiesengraben entfernt, der sich über ein weit verzweigtes Entwässerungssystem etwas mehr als einen Kilometer entfernt in den Fluss Randow ergießt. Der wiederum grenzt an den Blumberger Forst. Das ganze Niedermoorareal ist Teil eines großen Naturschutzgebietes, in dem sogar Schrei- und Seeadler nisten.
Verbliebene Sorge: Schäden für Tier- und Pflanzenwelt
Durch einen relativ starken Wind, der während der Havarie über die Felder strich, ist das Öl eben nicht nur auf dem Acker verteilt worden, sondern auch in den Mühlengraben gerieselt, bestätigte Umweltministerin Hanka vor Ort. Nach dem jetzigen Kenntnisstand gehe es dabei allerdings "nur um geringfügige Ausmaße".
Wie schlimm es ist, das müssen nun Boden- und Wasserproben zeigen. "Es ist vor allem einem sehr schnellen Reagieren der Feuerwehr zu verdanken, dass wahrscheinlich nur geringe Mengen Rohöl über die Grabensysteme in die Randow gelangt sind", erklärte Alexander Stephan, Verbandsvorsitzender des Wasser- und Bodenverbandes Welse, FOCUS online.
Die Feuerwehr habe durch ihr beherztes Eingreifen dafür gesorgt, dass die zwei betroffenen Durchlässe zur Randow mit Schwimmblasen und Bohlen fest verschlossen worden seien, ergänzte Stephan.
Ob und wie stark eine Kontaminierung stattgefunden habe und wie schwerwiegend die Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt des Ökosystems sein könnten, hänge im Wesentlichen von zwei Faktoren ab. "Zum einen müssen Analysen zeigen, wie hoch der Benzolgehalt des ausgetretenen Rohöls ist. Zum anderen kommt es nun darauf an, die kontaminierten Erdflächen und vor allem Uferbereiche samt Vegetation abzutragen und zu entfernen, um eine weitere Ausbreitung des Rohöls zu vermeiden", erklärte Stephan.
Raffinerie stellt Imbisswagen "Raffinierter Snack" an Unglücksort
PCK-Geschäftsführer Schairer sicherte zu, dass eben genau diese Arbeiten nun mit "hoher Geschwindigkeit" vorangetrieben würden.
Schairer und Uckermark-Landrätin Karina Dörk (CDU) bescheinigten sich gegenseitig einen "sehr professionellen, zügigen Einsatz" der beteiligten Hilfskräfte. Und Schrainer vergaß nicht, zu erwähnen, dass sein Unternehmen sogar einen kleinen Imbisswagen vor Ort zur Verfügung gestellt habe. Wer wollte, konnte sich in der Bude "Raffinierte Snacks" kleine Happen und Getränke besorgen.