Erholung für Lucas (6) und seine Familie

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Empfang vor dem Hotel: (von links) Dagmar Lennartz (Direktorin Dorint Sporthotel Garmisch-Partenkirchen), Anja Böhm (Hospiz im Pfaffenwinkel), Helga Haberstock (Familienbegleiterin), Yvonne und Hans Weiß sowie (vorn von links) Leonhard, Lucas und Marius. © Dorint Hotel

Die Familie Weiß muss ein schweres Schicksal akzeptieren: Eines der Kinder ist schwer krank. Unterstützung erhält sie durch eine Familienbegleiterin. Nicht nur im Alltag – durch sie wurde sogar ein Urlaub möglich. In Zukunft sollen solche Auszeiten auch im Hospiz im Pfaffenwinkel angeboten werden.

„Sind wir schon im Urlaub? Das ist aber schnell gegangen“, stellt Marius (6) fest, als sein Vater nach nur einer knappen halben Stunde Fahrt schon vor dem Hotel parkt. Dort hat sich ein kleines Empfangskomitee eingefunden, um Familie Weiß zu begrüßen. Neben Hoteldirektorin Dagmar Lennartz werden sie von ihrer Familienbegleiterin Helga Haberstock und Anja Böhm vom Hospizverein im Pfaffenwinkel erwartet.

Die Eltern, die Zwillinge Marius und Lucas sowie ihr großer Bruder Leonhard wurden vom Dorint Sporthotel in Garmisch-Partenkirchen eingeladen, eine Woche so unbeschwert wie möglich Ferien zu machen. Für die junge Familie ist jede gemeinsame Zeit kostbar. Lucas ist unheilbar krank. Er kam mit nur einer Herzkammer zur Welt, ein Herzfehler der bei etwa einem Prozent aller Neugeborenen auftritt. Damit der Blutkreislauf dennoch funktioniert, sind in den ersten Lebensjahren mehreren Operationen und eine ganze Reihe von Medikamenten nötig. Viele Kinder können damit dann ein weitgehend normales Leben führen. Lucas gehört aber zu jenen, bei denen eine weitere Komplikation dazu kommt: ein permanenter Eiweißverlust, für den es noch keine wirkungsvolle Behandlungsmöglichkeit gibt. Lucas ist ein fröhlicher Junge und wenn sein Gesundheitszustand etwas besser ist, wie im Augenblick, genauso aktiv wie sein Zwillingsbruder Marius und sein großer Bruder Leonhard – nur wird er viel schneller müde. Und der nächste gesundheitliche Rückschlag wird kommen, das ist gewiss.

Stiftung lädt ins Hotel ein

Die vielen Belastungen der vergangenen Jahre – dazu gehören neben dem Alltag einer Familie mit drei Kindern eben auch der Umgang mit der Krankheit und die ständigen Sorgen, die vielen Klinikaufenthalte, der Kampf mit Behörden, Ämtern und Versicherungen – kosteten viel Energie. Einen Urlaub erlaubt das Budget aber im Moment nicht.

Das wollte Helga Haberstock, die seit einem Jahr die Familie ehrenamtlich als Familienbegleiterin unterstützt, vermittelt von einem ambulanten Hospizdienst, nicht einfach so hinnehmen und hat ihr persönliches Netzwerk durchforstet. Dabei fiel ihr Dagmar Lennartz ein, die Direktorin des Dorint Sporthotels in Garmisch-Partenkirchen, mit der sie eine langjährige Freundschaft verbindet. Diese brachte die Stiftung „Neighbours by Dorint“ der Hotelgruppe ins Spiel. Der Stiftungszweck besteht unter anderem darin, kranken und behinderten Menschen im Umfeld eines jeweiligen Hotelbetriebs unter die Arme zu greifen. Das passte. Im Hotel und in der Umgebung gibt es alles, was einer Familie guttut: einen Spielplatz, ein Schwimmbad, einen lauschigen Biergarten im Schatten einer Kastanie, Eis, ein geräumiges Familienzimmer, Vollpension und jede Menge Ausflugsziele.

Hospizverein hilft im Alltag

Dagmar Lennartz hat dazu noch ein paar Extras organisiert wie eine Kutschfahrt. „Wir freuen uns, wenn wir auf diese Weise dazu beitragen können, dass die Familie eine schöne gemeinsame Zeit erlebt“, unterstreicht die Hoteldirektorin. Die Stiftung „Neighbours by Dorint“ wurde 2019 aus Anlass des 60-jährigen Jubiläums der Hotelgruppe vom Aufsichtsratsvorsitzenden und Familienunternehmer Dirk Iserlohe gegründet. Dabei sollen hilfsbedürftige „Nachbarn“ auch durch die Infrastruktur der einzelnen Hotels unterstützt und gefördert werden.

Von immenser Bedeutung ist für Familie Weiß auch der zuverlässige Beistand im Alltag: „Der halbe Tag, an dem Helga kommt, ist eine unbeschreibliche Erleichterung“, erzählt Yvonne Weiß. Familienbegleiterin Helga Haberstock steht ihr regelmäßig zu Hause zur Seite, nicht nur bei der Kinderbetreuung und dem Haushalt, sondern auch als Gesprächspartnerin und Ratgeberin. Es hat lange gedauert, bis die Familie von dem Angebot erfahren hat. Vielen ist es noch unbekannt, obwohl es für alle zugänglich ist. Hospiz heißt im Kontext mit Kindern nicht, wie häufig angenommen, Sterbebegleitung in der letzten Lebensphase, sondern alltägliche Unterstützung für Familien mit Kindern, die an einer lebensverkürzenden Erkrankung leiden. Haberstock ist eine solche Familienbegleiterin mit spezieller Ausbildung.

Zusätzlich zu ihrer ehrenamtlichen Hospizarbeit setzt sie sich für den Bau eines teilstationären Kinderhospizes in Polling mit ein. Dafür laufen momentan die Planungen – in Verbindung mit einem Neubau für das schon seit über 30 Jahren bestehende Erwachsenenhospiz. Doch nicht nur Planung und Organisation beschäftigen den Verein, der die künftig zwei Hospize im Pfaffenwinkel auch betreiben wird. Er muss auch fünf Millionen Euro Eigenmittel aufbringen. „Das ist eine große Aufgabe für uns, aber wir sind zuversichtlich, dass wir das stemmen werden“, sagt Anja Böhm, die sich im Vorstand mit um die Finanzen kümmert. „Und wenn es das Kinderhospiz schon gäbe, wäre es ein Einfaches, der Familie Weiß einen solchen Aufenthalt zu ermöglichen. Genau dafür soll es entstehen: um Familien mit schwerstkranken Kindern ambulant oder stationär die bestmögliche Unterstützung anbieten zu können.“

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