„Etwas, das eine Frau tun sollte“: Kamala Harris muss sich die gleichen Vorwürfe anhören wie Angela Merkel

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Kamala Harris wäre die erste US-Präsidentin. Angela Merkel war die erste Bundeskanzlerin. Doch schon jetzt gibt es eine weitere Parallele, die Diskussionen auslöst.

Ein Ausschnitt aus einem alten Interview mit dem republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance ist in den sozialen Medien aufgetaucht und hat für viel Kritik gesorgt. „Wir werden von einem Haufen kinderloser Katzen-Frauen regiert, die unglücklich sind, und deshalb wollen sie den Rest des Landes auch unglücklich machen“, sagte er darin und erwähnte auch Kamala Harris.

Harris will nach dem Rückzug von Joe Biden gegen Donald Trump im US-Wahlkampf antreten. Seit dem 1. August läuft die virtuelle Abstimmung zur offiziellen Nominierung der 59-Jährigen als Präsidentschaftskandidatin. Nach Angaben der Parteizentrale unterstützten im bisherigen Nominierungsprozess 99 Prozent der teilnehmenden Delegierten ihre Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur. 

Während die USA noch diskutieren, ob eine kinderlose Frau wie Harris das Land regieren kann, zeigt ein Blick nach Deutschland, dass es geht: Angela Merkel war 16 Jahre lang deutsche Bundeskanzlerin. Sie ist verheiratet, hat keine Kinder.

Merkel und Harris: Forscherin erklärt Vorwürfe, die unsere Gesellschaft kinderlosen Frauen macht

Hanna Szekeres von der Universität Amsterdam hat zum Thema Mutterschaft geforscht: „Für Menschen ist Kinderlosigkeit bei einer Frau ein Zeichen dafür, dass es ihr an Wärme, Geselligkeit und Gemeinschaftssinn mangelt. Wir denken, dass etwas mit ihnen nicht stimmt“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.

Der Gedanke, dass Frauen in der Gesellschaft die Mutterrolle erfüllen müssen, sei tief in der Gesellschaft verwurzelt. „Es ist immerhin eine Funktion, die nur Frauen erfüllen können. Keine Kinder zu haben, ist ein klarer Verstoß. Etwas, das eine Frau tun sollte, aber nicht tut“.

Diese Anschuldigungen seien weltweit verbreitet. Eine Studie von Szekeres und ihren Kollegen zeigt, dass Alter, Bildungsstand oder Familienstand der Befragten diese Einstellungen nicht beeinflussen. Dabei spielte es auch keine Rolle, ob der Befragte eine Frau oder ein Mann ist.

Kamala Harris und Angela Merkel.
Kamala Harris und Angela Merkel trafen sich 2021. © Newscom World/Imago

Merkel und Harris sind beide kinderlos – warum Harris stärker kritisiert wird

Als 2015 im Bundestag Politiker über die „Ehe für alle“ diskutierten, thematisierte ein Zwischenrufer Merkels Kinderlosigkeit. Ansonsten blieb das Privatleben der ehemaligen Bundeskanzlerin vor allem eins: privat. In den USA hingegen äußerte sich sogar die Exfrau von Harris‘ Ehemann Doug Emhoff zu Harris‘ Kinderlosigkeit. Harris ist Stiefmutter der beiden Kinder aus Emhoffs früherer Ehe.

Woher kommt der Unterschied? Im US-Wahlkampf spielt die Personalisierung der Politik eine viel größere Rolle als in Deutschland. „Natürlich wählt man auch in den USA eine Partei, aber in erster Linie wählt man eben eine bestimmte Person“, erklärt US-Politikexpertin Caroline Leicht. Zu dieser Person gehöre auch ihre Familie, ihr Privatleben.

Und Merkel kam, im Gegensatz zu der Demokratin Harris, als CDU-Politikerin aus der konservativeren Partei. „Da der heftigste Sexismus tendenziell von der konservativen Seite ausgeht, insbesondere die strategische Nutzung des Sexismus, ist er für Frauen aus den politisch eher linken Parteien am schwierigsten, am brutalsten“, sagt die USA-Expertin Rachel Tausendfreund BuzzFeed News Deutschland.

Harris kann sich dem Image der kinderlosen Frau widersetzen – Mutti Merkel zeigt, wie

„Die Themen Kinder und Familie spielen aktuell in den USA eine große Rolle“, betont Leicht. Den Wählern sei es in diesem Wahlkampf wichtig, dass die Kandidaten persönliche Erfahrungen mit diesen Themen haben. Sie möchten sehen, dass sie Wert auf Familie legen und Fürsorge zeigen.

Szekeres erklärt: „Eine Frau, die keine Kinder will, löst das Gefühl aus, dass man ihr nicht trauen kann, weil man sie nicht versteht.“ Eine Politikerin könne diesem Image nur entgegenwirken, „indem sie zumindest sehr mütterlich oder fürsorglich gegenüber dem Land ist“. Dies sei eine Strategie, die Kamala Harris im US-Wahlkampf gegen Trump anwenden könnte und etwas, das Merkel 16 Jahre lang erfolgreich umgesetzt habe. Bis heute klebt vielleicht gerade deswegen der Spitzname „Mutti“ an ihr.

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