Rückgang bei den Umfragewerten - Warum das BSW nach dem Höhenflug plötzlich abstürzt
Der Einwand, dass sich Wagenknecht immer wieder gegen das Establishment positioniert, greift hier nicht, denn sie ist seit vielen Jahren Teil des politischen sowie medialen Betriebs.
Das BSW ist, und das sollte in diesem Zusammenhang auch erwähnt werden, Wagenknechts zweiter Versuch, solch alternativ-politische Strukturen zu etablieren, nachdem die Sammelbewegung „aufstehen!“ insgesamt gescheitert ist.
Es wurde, nachdem Vorbereitungen über die Vereinsebene erfolgten, im Januar 2024 als politische Partei gegründet. Ehemalige Mitglieder der Linken, aber auch ein Teil der Protagonisten von „aufstehen!“, die teilweise identisch sind, spielten dabei eine zentrale Rolle.
Die Übertritte führten dazu, dass die neue politische Organisation im aktuellen Bundestag sowie in den Parlamenten von Hamburg, Berlin und Rheinland-Pfalz vertreten ist. Erfolgreich war man bei den Wahlen zum Europaparlament sowie in Brandenburg, Thüringen und Sachsen.
Obwohl es mit Amira Mohamed Ali noch eine weitere Vorsitzende gibt, ist Sahra Wagenknecht das Aushängeschild der Partei. Sie personifiziert die Organisation und generiert auch den größten Teil der öffentlichen Aufmerksamkeit. Das hat Vorteile, denn Wagenknecht ist äußerst medienpräsent und auch ein gerngesehener Gast. Es birgt aber auch die Gefahr, dass die Partei direkt am Auftreten der Person gemessen wird. Etwaige misslungene Positionierungen werden sich im öffentlichen Bild nur schwer korrigieren lassen. Insgesamt handelt es sich um eine interessante Entwicklung, die mit Spannung beobachtet werden darf.
Wo steht das Bündnis Sahra Wagenknecht inhaltlich?
Inhaltlich ist das Bündnis Sahra Wagenknecht nicht klar einzuordnen, da „Regen-Bewegungen“ dazu neigen, polarisierende Themen aus jeder politischen Richtung aufzugreifen, sie weiter aufzuladen und so Aufmerksamkeit zu generieren, ohne diese Themen zwangsläufig zu vertiefen.
Ersichtlich ist bislang eine kritische Haltung gegenüber Globalisierung, der EU, den USA und generell der Westbindung – weniger jedoch gegenüber Russland. Daneben gibt es klassische linke Themen wie soziale Gerechtigkeit, aber auch mutmaßlich rechte, wie eine kritische Haltung zur Migration. Allerdings wurde dies bislang nicht vertieft.
Gelegentlich wird der Vorwurf des „Querfront-Populismus“ erhoben. Es ist jedoch die Natur von „Regen-Bewegungen“, populäre Themen aufzugreifen und dort anzusetzen, wo andere politische Kräfte Lücken gelassen haben und sich als eine Art „Balancier“ zu verstehen. Sie definieren sich ja gerade als politische Bewegungen, die von oben initiiert werden und bestehende gesellschaftliche Unzufriedenheit gezielt nutzen, um daraus politische Unterstützung zu generieren.
Generell macht es daher im Jahr 2024 wenig Sinn, jede neue Partei in das längst obsolete Links-Rechts-Schema pressen zu wollen.
Warum verliert das BSW so massiv an Zustimmung?
Das hat mehrere Gründe, die sich größtenteils gegenseitig bedingen:
1. Fokussierung auf Sahra Wagenknecht :
Die Partei ist Wagenknecht, Wagenknecht ist die Partei. Das bedeutet, dass jede Äußerung und Kritik an der Person auf die politische Organisation ausstrahlt. Zudem können irgendwann Abnutzungserscheinungen durch Dauerpräsenz entstehen. Tatsächlich scheint es einen solchen negativen Effekt zu geben, denn Wagenknecht hat in verschiedenen Umfragen in jüngster Zeit deutlich an Beliebtheit verloren.
2. Unklare bzw. zu klare Programmatik :
Es wird viel benannt, aber wenige Lösungen geboten. Programmatisch ist kaum Tiefe vorhanden und was auf welche Weise erreicht werden soll, bleibt unklar. Problematisch ist aber auch manch geschärfter Punkt: Besonders die Haltung zu Russland und der Westbindung macht das BSW für manche Wählergruppen faktisch unwählbar. Diese Positionen treten im Vergleich zur Anfangszeit immer deutlicher hervor und werden im medialen Umgang mit Wagenknecht auch öffentlichkeitswirksamer herausgearbeitet. Im Gegensatz zur AfD hat das BSW das Thema, gerade im Rahmen des Wahlkampfs im Osten, aber sehr in den Mittelpunkt gerückt und wird es nun nicht mehr los.
3. Hierarchische Führung und Kontrollversuche :
Die Partei wird augenscheinlich sehr hierarchisch geführt und achtet genau darauf, wen sie in ihre Reihen aufnimmt. Das bremst das Wachstum – beispielsweise gibt es noch nicht in allen Bundesländern Landesverbände – und verlangsamt die Strukturbildung. Dieses Vorgehen scheint eine Lehre aus den Erfahrungen bei „aufstehen!“ zu sein. Damals führte der schnelle Zuwachs zu einem Kontrollverlust und bedingte Richtungsstreitigkeiten. Interessanterweise gibt es aber bereits jetzt ähnliche Spannungen zwischen ehemaligen Linken-Mitgliedern und anderen Gruppen, die sich der Partei angeschlossen haben.
4. Finanzielle Herausforderung:
Die Finanzierung ist ein großes Problem. Das BSW hat, teilweise wohl auch noch über die Vereinsstruktur, Spenden erhalten. Teilweise in erstaunlicher Höhe. Wahlkämpfe, von denen es 2024 einige gab, sind jedoch teuer, und Mittel aus der Parteienfinanzierung werden immer erst nachträglich bereitgestellt. Daher sind die Kassenstände überschaubar, und möglicherweise werden Überbrückungskredite notwendig. Insgesamt benötigt die Partei wohl mindestens 4 Millionen Euro für den Wahlkampf. Ohne Geld gibt es aber auch weniger Präsenz im Wahlkampf. Und das fehlt im Moment.
5. Fehlende Kernwählerschaft :
Bislang konnte das BSW keine echten Kernwähler aufbauen. Derzeit rekrutiert es überwiegend enttäuschte Urnengänger der Linkspartei, manchem AfD-Sympathisanten vor allem die schnell wachsende Gruppe der politisch-interessierten, aber Heimatlosen, die sich durch die Fehler anderer Parteien seit längerem schlecht vertreten fühlen und keine Parteibindung mehr besitzen. Ein Teil dieser Gruppe sucht noch nach neuer Orientierung und wird auf dem Weg dahin immer wieder schwanken. Der anderer Teil bleibt möglicherweise dauerhaft Wechselwähler.
6. Streben nach Regierungsverantwortung :
Grundsätzlich hilft eine schnelle Verantwortungsübernahme der Partei, sich zu etablieren und Brandmauern gleich zu vermdeiden. Da man aber noch nicht über eine Kernwählerschaft verfügt, könnte manch Interessent nun irritiert sein. Nicht wenige der BSW-Wähler betrachten eine Zusammenarbeit mit etablierten Parteien kritisch und könnten aus einer solchen schließen, dass das BSW seine Prinzipien möglicherweise schnell aufgeben würde, wenn es eine Machtperspektive gäbe. Die sehr schnelle Übernahme von Verantwortung ist daher ein zweischneidiges Schwert.
In der Summe gibt es daher mehrere Gründe, die einen Rückgang bei den Umfragewerten erklären können.