Drag-Lesung wird zum Politikum: Skandal oder Zeichen von Vielfalt?

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Vicky Voyage © dpa

Selten, dass Lesungen in einer Stadtbibliothek für viel Aufregung sorgen. Die, die am Mittwoch in Puchheim geplant ist, tut es schon

Puchheim - Ein Travestie-Künstler soll Kindern ab vier Jahren vorlesen. Ein Zeichen der Vielfalt – oder ein Skandal? Die Stadtbibliothek Puchheim plant eine Veranstaltung zum Thema Anderssein und Toleranz. Dabei soll die Drag-Queen Vicky Voyage Kinderbücher vorlesen. Seitens der CSU sieht man die Veranstaltung kritisch. Die AfD hält sie gar für ideologisch motiviert und plant eine Demonstration.

Ankündigung der Bibliothek

„Hosen für Jungs und Röcke für Mädchen? Zwei Mamas oder zwei Papas? Wer sagt eigentlich, was normal ist und was nicht? Drag-Queen Vicky Voyage zeigt bei dieser besonderen Lesestunde, dass das Anders Sein zum Leben gehört und dass alle so leben dürfen, wie sie es sich wünschen“, heißt es in der Ankündigung der Bibliothek. Laut Leiterin Janine Weinberger, geht es darum, „verschiedene Lebensentwürfe, die in unserer Gesellschaft normal sind, aufzuzeigen.“ Es gehe um Toleranz und darum, Menschen so sein zu lassen, wie sie eben sind. Ein ähnlicher Auftritt des Mannes in Frauenkleidern in München hatte dort ebenfalls für Proteste gesorgt.

Das sagt die AfD

Bei der AfD sieht man das gänzlich anders. In einem einminütigen Video auf der Facebook-Seite des Kreisverbands echauffiert sich der Vorsitzende Prof. Dr. Tassilo Erhardt über die Veranstaltung. Kinder würden mit Gender-Ideologie vollgepumpt. Dazu steht da: „Finger weg von unseren Kindern!“ Auf Nachfrage gibt Erhardt an, dass die Kinder seiner Auffassung nach mit „nicht altersgerechten Inhalten konfrontiert“ werden – „gutmöglich schädlichen Inhalten“, schiebt er hinterher. Diese „Frühsexualisierung“ sei nichts für kleine Kinder. Außerdem störe man sich daran, dass die Veranstaltung mit Steuergeldern finanziert werde. Deshalb die Demonstration.

„Nicht Aufgabe der Stadt“

Dominik Schneider, Vorsitzender der Puchheimer CSU, beurteilt die Veranstaltung ebenfalls kritisch, lehnt aber eine Beteiligung an der AfD-Demonstration ab. Obwohl auch ihn die junge Zielgruppe der Veranstaltung und insbesondere die Verwendung von Steuergeldern stören, weil es „nicht Aufgabe der Stadt sei, eine solche Weltanschauung aktiv zu propagieren“.

Das sagt der Bürgermeister

Drag Queen Vicky Voyage
Drag Queen Vicky Voyage schlüpft mit Kostümen und auffälliger Schminke in eine Kunstfigur und spielt bewusst damit, dass ein Mann Frauenkleider trägt. © mm

Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) winkt ab. Kultur habe immer einen staatlich finanzierten Anteil. „Es ist Aufgabe des Staates, Kultur zu fördern - und zwar vielfältig“, gibt er auf Nachfrage an. „Wenn wir als Staat Kultur nicht fördern würden, würde kulturelle Armut eintreten. Wer zahlt denn Theater? Wer zahlt denn die Oper?“ Darüber hinaus dürfe Kultur auch provozieren und Konventionen infrage stellen, sie müsse es vielleicht sogar. Es gehe bei der Veranstaltung darum, dass Kinder Vielfalt erleben dürfen. Und sicher nicht darum, „sie in irgendeine Ecke sexueller Präferenz zu drängen.“ Dass die AfD eine Demonstration plant, sei von der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit gedeckt und eben Teil der Grundrechte.

Auch Bibliothekschefin Janine Weinberger nimmt die angekündigte Demonstration locker: „Mei, das ist halt Demokratie, die können halt demonstrieren. Vielleicht ist auch einfach kurz vor der Wahl.“ Sie und ihr Team freuen sich jedenfalls auf die Veranstaltung. Man sei ausgebucht, erwarte 50 bis 60 Gäste. (Patrick Tietz)

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