Hundeprofi und Bestseller-Autor - Martin Rütter: „Ich zeige den Leuten, an welchem Ende der Leine das Problem liegt!“

Und worauf sollte man bei der Auswahl des Hundes am Ende wirklich achten?

Rütter: Ich finde, dass es sehr wichtig ist, noch lange bevor man einen Hund in sein Leben holt, eine Art Checkliste zu erstellen und sich zu fragen: Welcher Hund passt überhaupt zu mir? Ein sehr aktiver Mensch, der lange Tageswanderungen unternimmt oder täglich mehrere Kilometer joggt, wird wohl kaum mit einem Bernhardiner oder Mops glücklich werden, da diese im ersten Fall wenig Motivation haben auf so viel Aktivität und im zweiten Fall einfach vom Körperbau her nicht für lange sportliche Aktivitäten geeignet sind. Genauso wird aber ein eher gemütlicher Mensch, der den Hund zur Gesellschaft möchte und dem es reicht, dreimal täglich gemütlich eine Runde durch den Stadtpark zu drehen, kaum mit einem aktiven Jagd- oder Hütehund glücklich werden. In jeder guten Hundeschule kann man sich vor der Anschaffung dahingehend beraten belassen. Und was auch noch ganz wichtig ist: Für einen Hund muss man Zeit haben. Und damit meine ich nicht nur die Zeit für die Pflege wie beispielsweise Kämmen oder Krallen schneiden. Ein Hund ist kein Spielzeug, das man bei Bedarf rauskramt und dann wieder wochenlang verstauben lässt. Er ist ein Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen, über die man sich gut informieren muss. Und worauf selbstverständlich natürlich auch zu achten ist, dass der Hund entweder aus dem Tierheim oder aus einer seriösen Zucht kommt. Es ist einfach pervers, dass Welpen in der Zoohandlung und bei ebay Kleinanzeigen verkauft werden dürfen.

Wie baut man am schnellsten eine enge Verbindung zu seinem Hund auf?

Rütter: Das ist letztendlich natürlich sehr individuell. Ich rate dazu, viel Zeit zu investieren, viel gemeinsam zu erleben und jede Menge zu spielen. Gerade der letzte Punkt wird immer wieder unterschätzt.

Sie entwickelten mit „DOGS“ eine eigene Philosophie der Hunde-Erziehung. Wie würden Sie die beschreiben?

Rütter: DOGS ist ein System, das kein System ist! So sagt schon der Name „Dog Orientated Guiding System“ (etwa „Am Hund orientiertes Führungssystem“), dass sich das Training an den jeweiligen natürlichen Bedürfnissen des Hundes orientiert. Wir arbeiten nicht mit Schablonen, sondern individuell. Der Schwerpunkt von DOGS liegt also darin, den Hund einschätzen zu können, um dann ein für den Menschen und seinen Hund ganz individuell zugeschnittenes Trainingskonzept zu entwerfen. Unser Anspruch ist es, Mensch und Hund ein für beide Seiten glückliches Zusammenleben zu ermöglichen – und das vollkommen gewaltfrei und den arteigenen Bedürfnissen des Hundes entsprechend. Der Fokus liegt immer auf Mensch UND Hund.

Was sind aus Ihrer Sicht Todsünden bei der Hunde-Erziehung?

Rütter: Es gibt drei Kardinalfehler in der Beziehung zwischen Hund und Mensch. Erstens, die extreme Vermenschlichung, denn diese schürt Erwartungen, die der Hund niemals erfüllen kann. Ein Hund kann nicht denken und handeln wie ein Mensch. Dazu kommt mangelnde Konsequenz, womit ich jetzt nicht Strenge oder Härte meine. Es ist ja so: Menschen stellen Regeln auf, gehen dann aber zu lax mit diesen um. Immer sonntags darf der Hund mit am Frühstückstisch sitzen und bekommt sein Leberwurstbrötchen, an den anderen Tagen aber nicht. Das kapiert kein Hund und verunsichert ihn nur. Ein Hund benötigt klare Regeln, nur so kann er Vertrauen zu seinem Menschen aufbauen und sich auch in schwierigen Situationen auf ihn verlassen. Und ein weiteres Problem ist die mangelnde Beschäftigung. Hunde brauchen körperliche und geistige Auslastung.

Was war das verrückteste Erlebnis, das Sie in Ihrer Arbeit mit Hunden und deren Besitzern erlebt haben?

Rütter: Ganz absurd war es mal, als der Mann drei Jahre lang auf der Couch geschlafen hat, weil der Hund ihn nicht mehr zu Frauchen ins Schlafzimmer gelassen hat (lacht). Die Schwierigkeit lag aber nicht am Hund, sondern an Frauchen – nämlich sie zu überzeugen, das zu ändern.

Sie sind im Rahmen Ihrer Deutschland-Tour mit Ihrem Programm „Der will nur spielen“ unterwegs. Was erwartet Ihr Publikum bei der Show?

Rütter: Eine Mischung aus Information und Unterhaltung. Ich halte den Leuten vor Augen, an welchem Ende der Leine das Problem wirklich liegt, natürlich zum Leidwesen der Menschen (schmunzelt). Gemeinsam machen wir in „Der will nur spielen!“ so einen kleinen Abriss der letzten mehr als 25 Jahre, in denen ich jetzt als Hundetrainer arbeite. Denn als ich angefangen habe, war ich ein Exot. Da sind die Leute noch mit einem Kettenhalsband über den Hundeplatz gerannt und haben Platz geschrien und der Hund sollte sich hinschmeißen. Dann kam ich und habe gesagt: „Ja aber warum eigentlich? Also es macht ja überhaupt keinen Sinn.“

Ich bin zu Hausbesuchen gefahren, habe die Leute da unterstützt, wo sie Probleme haben und so weiter. Heute ist es ja so: Wenn eine durchschnittliche Hundehalterin spazieren geht und eine Runde um den Block läuft, sieht sie aus, als würde sie auswandern (lacht). Sie hat eine Literflasche Wasser für den Hund dabei, ne Wärmedecke, einen dicken Mantel, sie hat zwei verschiedene Leinen, sie hat drei Spielzeuge, einen Klicker und einen Tracker, falls der Hund verloren geht. Sie hat einfach alles dabei. Und als ich angefangen habe, da ist der Opa mit dem Dackel zum Kiosk gegangen, hat sich ne Fricko reingefeuert, mit dem Hund geteilt, ne Flasche Bier getrunken und ist wieder nach Hause gegangen.

Was glauben Sie, wie oft im Alltag die Aussage „Der will nur spielen“ gelogen ist?

Rütter: In 99 Prozent der Fälle. „Der will nur spielen“ ist für mich einfach ein absoluter Klassiker aus dem Hundetraining und gleichzeitig auch immer so eine Art Bankrott-Erklärung (lacht). Es ist diese Hilflosigkeit, wenn man merkt, man hat keinen Einfluss. Der Hund brettert zum Beispiel einem Jogger hinterher, es folgt der Ruf seines Halters „Der tuuuuuut nix“, was übrigens im Endeffekt dann nichts anderes als „Der tut nix von dem, was ich gerne hätte“ bedeutet. Wenn der Hund dann den Jogger anspringt, schiebt der Halter hinterher: „Der will nur spielen“. Und wenn der Hund dann zugebissen hat, heißt es: „Das hat er ja noch nie gemacht“. Das ist eigentlich immer so die Reihenfolge. Heißt also: wenn jemand „Der tut nix, der will nur spielen“ ruft, ist das eher ein Alarmsignal (lacht).

Was sind Ihre Tipps für den professionellen Umgang mit Lampenfieber?

Rütter: Augen zu und vorne rechts ist Gas. Nein, aber mal im Ernst. Ich glaube, dass es sehr verschiedene Weisen gibt, damit umzugehen. Da muss, glaube ich, jeder sein individuelles Rezept anwenden.

Worauf sollte  achten, wer sein Publikum unterhalten und begeistern möchte?

Rütter: Neben einem Schuss Humor ist sicherlich die Art, wie man erklärt wichtig, damit Leute zuhören. Ich versuche stets Bilder im Kopf entstehen zu lassen. So, dass es einleuchtet.