Meiler in Hamm-Uentrop - Atomausstieg: Rückbau-Gesellschaft pleite - Bund soll mit Milliarden einspringen

Das Landgericht Düsseldorf hat in der vergangenen Woche ein Urteil gefällt, das die gesamte Atomausstiegsdebatte in Deutschland von neuem befeuern kann. Es klang eher nüchtern, aber dahinter könnte sich der nächste politische Gau verbergen.

Passiert ist folgendes: Die Düsseldorfer Richter entschieden, dass die Abrisskosten für ein längst stillgelegtes Kraftwerk in Nordrhein-Westfalen, den Meiler in Hamm-Uentrop, von der Betreibergesellschaft zu zahlen seien. Diese hatte sich geweigert. Sie war der Meinung, dass Bund und Land für Abriss und Abwicklung bezahlen müssten, weil das aus einem Rahmenvertrag hervorgehe. Das Landgericht sah das anders. Die Betreibergesellschaft kann jetzt in Berufung gehen, aber bis dann das Oberlandesgericht entscheidet, wird viel Zeit vergehen. So weit, so unspektakulär.

Betreibergesellschaft kurz vor der Insolvenz

Was dann aber diese Woche geschah, macht den Fall möglicherweise auch für den Rest der Republik bedeutsam: Nach Angaben der nordrhein-westfälischen Wirtschafts- und Energieministerin Mona Neubaur (Grüne) hat die Betreibergesellschaft als Konsequenz aus dem Urteil mitgeteilt, dass sie kurz vor der Insolvenz stehe. Die rund eine Milliarde Euro, die der Abriss kosten würde, kann sie nicht aufbringen. Das Land muss jetzt in die Bresche springen und Firmen beauftragen, die statt der Betreibergesellschaft den Abriss der Anlage organisieren. Damit entwickelt sich der abgewrackte Atommeiler zur Altlast für das Land - oder den Bund. Neubaur kündigte in einem Parlamentsausschuss im Düsseldorfer Landtag jedenfalls an, die Milliarden-Rechnung an den Bund weiterzureichen - wo man sich allerdings bedanken wird.

An sich ist der Abriss so geregelt: Von den 33 ehemals in Betrieb genommenen Kernkraftwerken sind laut Bundesumweltministerium drei bereits vollständig rückgebaut worden. Etwa zehn bis zwölf Jahre dauert so ein Prozess, wenn er erstmal angelaufen ist. Im Fall Hamm-Uentrop hat man sich allerdings schon lange um die Kosten des Abrisses gestritten. Der Meiler, der überhaupt nur drei Jahre im Probebetrieb lief, steht bereits seit 1989 still.

Fast 20 Jahre hat Rückbau AKW Niederaichbach gedauert

Und auch sonst dauert es manchmal länger und wird entsprechend teurer: Das AKW Niederaichbach bei Landshut wurde als erste Atomanlage in Deutschland überhaupt demontiert. Fast 20 Jahre hat der Rückbau gedauert - zweieinhalbmal so lange wie die Bauzeit. Mittlerweile sind die Betreiber der Atomkraftwerke verpflichtet, die Kosten für Stilllegung und Rückbau selber zu tragen und dafür entsprechende Rücklagen bilden. Dass das nicht immer gelingt, zeigt jetzt der Fall in Nordrhein-Westfalen.

Dort hat die Betreibergesellschaft der Atomaufsicht des Landes mitgeteilt, dass ihre finanzielle Liquidität „akut gefährdet“ sei und sie deswegen gezwungen sei, „in den nächsten Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen“. Anteilseigner der Betreibergesellschaft sind der Energieversorger RWE sowie einige kommunale Unternehmen, darunter die Stadtwerke Aachen und der Energieversorger Mark-E aus Hagen. Allein RWE hat das vergangene Jahr mit einem überraschend hohen Nettoergebnis von 4,5 Milliarden Euro abgeschlossen und dürfte eigentlich nicht zu knapp bei Kasse sein. Gegenüber dem Handelsblatt, das nachgefragt hat, wollte der Energieversorger den Fall dennoch nicht kommentieren.

Finanzielle Verantwortung nun beim Bund

Der Reaktor in Hamm-Uentrop sollte in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Zukunft der atomaren Energieversorgung werden. Stattdessen wurde er nach kurzer Laufzeit wieder stillgelegt, weil es immer wieder Probleme und Störfälle gegeben hatte. Der Abriss des Kraftwerks soll Ende 2030 beginnen.

Nach Ansicht von Energieministerin Neubaur liegt die finanzielle Verantwortung nun eindeutig beim Bund. „Da das Land das Atomgesetz im Auftrag des Bundes ausführt, werden wir die Kosten beim Bund geltend machen“, sagte sie und kann sich dabei auf Artikel 104a Absatz 2 des Grundgesetzes berufen. Dort heißt es: „Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben.“ Schrillen jetzt im Bundesumweltministerium die Alarmglocken? Nein, dort spricht man auf Anfrage von einem „Sonderfall“. Weitere Fälle dieser Art seien bei den in Stilllegung befindlichen Reaktoren nicht zu befürchten.