„Wir holen die Welt zu uns nach Hause“: US-Studenten in Holzkirchen

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Holzkirchen
  4. Holzkirchen

KommentareDrucken

Bayerisch-amerikanische Freundschaft: (v.l.) Hope Dwyer, Angela Wilde und ihre Tochter Leonora. Die Wildes tragen T-Shirts der Cardinals, Geschenke früherer Gaststudenten. © Stefan Schweihofer

Die Summerschool der Kansas-University besteht seit 1962 in Holzkirchen. Viele Gastfamilien haben seither amerikanische Studenten empfangen. Eine von ihnen ist Familie Wilde. Sie beherbergt derzeit die 20-jährige Hope Dwyer. Ein Besuch.

Angela Wilde öffnet im T-Shirt der Cardinals, einer Baseball-Mannschaft aus St. Louis/Missouri. Sie geleitet an einer kleinen USA-Flagge vorbei auf die Terrasse, wo Gläser im Design einer Coca-Cola-Dose auf dem Tisch stehen. Man merkt: Die Wildes sind Fans der Vereinigten Staaten. „Früher sind wir gern gereist, vor allem in die USA“, erzählt Angela Wilde. Doch dann kamen die Kinder, und Weltreisen rückten ein wenig in den Hintergrund. „Also dachten wir, dann holen wir die Welt eben zu uns nach Hause.“ Die Welt, das ist in diesem Fall Hope Dwyer. Sechs Wochen lebt die US-Amerikanerin bei den Wildes in Holzkirchen. Sie studiert Deutsch und Biological Engineering an der University of Arkansas im gleichnamigen US-Bundesstaat, die sich an der Summerschool der University of Kansas beteiligt. „Es macht Spaß, eine fremde Kultur wirklich kennenzulernen. Das ist über das Fernsehen oder das Radio ja gar nicht möglich“, sagt Wilde. Mittlerweile lernten auch ihre 13 Jahre alten Zwillinge und ihr 16-Jähriger Englisch in der Schule. „Wobei die Hope ja Deutsch sprechen soll“, sagt Wilde.

Referat über Schrebergärten in der DDR

Ohnehin brauchen die Kinder der Wildes noch ein bisschen, um mit dem Gast aus Übersee warm zu werden. Noch googeln sie lieber, statt Hope um Unterstützung bei den Englisch-Hausaufgaben zu bitten. Aber sie ist ja auch erst vor Kurzem angekommen – und viel unterwegs. Wochentags hat sie Unterricht in den Räumen der Vhs bei Professorin Andrea Meyertholen, die die Leitung der Summerschool vor zwei Jahren von William Keel übernommen hat. Hinzukommen die Hausaufgaben. Hope Dwyer hat bereits ein Referat über Schrebergärten in der DDR gehalten, derzeit arbeitet sie an einer Präsentation über den Englischen Garten in München. „Das sind wirklich interessante Themen, mit denen sich die Studenten befassen“, sagt Wilde und fügt lachend hinzu: „Da lerne ich noch was.“ Regelmäßig machen sie Ausflüge, um die bayerische Kultur kennenzulernen. Ein Workshop in der Holzkirchner Metzgerei Kraft zum Thema „Wie wird Leberkäs hergestellt?“, eine Exkursion zu den Königsschlössern, zur KZ-Gedenkstätte Dachau und zum Lern- und Erinnerungsort Obersalzberg stehen unter anderem auf dem Programm. Der Freundeskreis der Universität von Kansas, den Lisa und Albert Schlegl gegründet hatten, engagiert sich auch bei der Programmplanung.

Dwyer sagt: „Viele Amerikaner halten die bayerische Kultur für die deutsche Kultur.“ Wenn sie spricht, sucht sie zuerst nach den richtigen Worten, manchmal benutzt sie englische Wörter und fragt: „Wie sagt man das auf Deutsch?“ Sie ist nicht zum ersten Mal in Deutschland, 2022 studierte sie zwei Monate im hessischen Darmstadt. „Damals bin ich zum Oktoberfest nach München gefahren“, erzählt sie, um ein Beispiel dafür zu nennen, wie prägend Bayern für das Deutschlandbild im Ausland ist.

Offene und unbeschwerte Amerikaner

Dwyers Familie stammt aus Deutschland. Um 1850 war diese in die USA ausgewandert, nach dem Ersten Weltkrieg folgten weitere Vorfahren. Darum interessiert sich die 20-Jährige für Deutschland. Sie schätzt „die direkte Art“ der Deutschen, wie sie sagt. „Man muss nicht erst – was heißt guess? – man muss nicht erst erraten, was sie fühlen“, sagt sie, „man weiß es.“ Wilde dagegen mag die Unbeschwertheit der Amerikaner: „Die USA sind easy going“, sagt sie. „Man merkt außerdem, dass die USA ein Einwanderungsland sind.“ Auch wenn die Geschichte der Einwanderung lange abgeschlossen sei: „Die Amerikaner sind offener gegenüber Fremdem, als die Deutschen.“

Alltag in der Gastfamilie

Wie die Wildes und ihr Gast im Alltag zurechtkommen? „Hope hat einen Schlüssel, sie kann kommen und gehen, wann sie will“, sagt Wilde, die bereits seit sieben Jahren Studenten im Rahmen der Summerschool empfängt und zu einigen noch immer Kontakt pflegt. Die Zwillinge der Wildes sind für die Dauer von Hope Dwyers Aufenthalts in ein gemeinsames Zimmer gezogen, sodass der Gast aus den USA ein eigenes Zimmer hat. „Ich möchte nicht nur hier schlafen“, sagt Dwyer, „ich möchte Zeit mit meiner Gastfamilie verbringen.“ Größere Missverständnisse gibt es nicht, abgesehen davon, dass Wilde nichts von Dwyers Glutenunverträglichkeit wusste – und am Abend ihrer Ankunft Nudeln auftischte. Sie nahmen es auf die amerikanische Art. „Es war kein Problem, wir haben das hingekriegt“, sind sich die beiden einig.

Auch interessant

Kommentare