Personalmangel verzögert Abschiebungen: 3000 Menschen in Nordhessen müssten eigentlich ausreisen
Auch in der Region Kassel stockt die Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer, weil das Dezernat für Ausländerrecht am Regierungspräsidium überlastet ist.
Kassel/Hersfeld-Rotenburg – Der mutmaßliche Täter von Solingen hätte eigentlich bereits 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen. Doch dies scheiterte, weil den Behörden die Überstellung in das Land, über das der Syrer nach Deutschland eingereist war, nicht innerhalb einer sechsmonatigen Frist (nach der Dublin-III-Verordnung) gelang. Der Fall hat die Debatte um Abschiebungen angeheizt.
Wie das Regierungspräsidium (RP) Kassel auf Nachfrage mitteilt, leben im Kreis Hersfeld-Rotenburg derzeit 150 ausreisepflichtige Personen. Ausreisepflichtige Ausländer verfügen üblicherweise über eine Duldung. Häufigster Grund für eine Duldung wiederum sind fehlende Ausreisedokumente, erklärt RP-Sprecher Hendrik Kalvelage auf Nachfrage.
Insgesamt leben nach Behördenangaben etwa 3000 ausreisepflichtige Personen im gesamten Regierungsbezirk Kassel, der neben der Stadt Kassel alle fünf nordhessischen Landkreise und Fulda umfasst. Im März waren es nach RP-Angaben noch 2000 Personen, die entweder zur freiwilligen Ausreise bewegt werden sollten oder – wenn dies nicht gelingt – abgeschoben werden müssen.
RP Kassel: Zahlen der freiwilligen Ausreisen sind deutlich gestiegen
Das RP Kassel verweist dennoch auf Fortschritte. Im Vergleichszeitraum Januar bis Juli seien die Zahlen der freiwilligen Ausreisen deutlich von 180 (2023) auf 361 (2024) gestiegen. Im Vorfeld führen die Mitarbeiter des Dezernates für Ausländerrecht eine intensive Rückkehrberatung mit den Betroffenen, bei denen es auch um Förderungen zum Aufbau einer Existenz im Heimatland geht. Zudem wird die Ausreise organisiert.
Grundlagen der Abschiebungen
Hat eine Person mit ausländischer Staatsangehörigkeit kein Bleiberecht, kann sie zwangsweise außer Landes gebracht werden. Die Entscheidung muss der Person mit einer Frist – die ihr Zeit für eine rechtliche Überprüfung gibt – für die Ausreise mitgeteilt werden. Die hier genannten Zahlen sind Gesamtzahlen. Hierunter sind Abschiebungen in die Herkunftsländer sowie Überstellungen nach der Dublin-III-Verordnung und Abschiebungen im Drittstaatenverfahren erfasst.
Seit 2018 gibt es zudem die Gemeinsame Arbeitsgruppe Intensivtäter (GAI). In dieser kümmern sich Behördenmitarbeiter des RP Kassel mit der Polizei darum, mehrfach straffällig gewordene Ausländer sowie „Gefährder“ möglichst schnell abzuschieben. Seit Einrichtung der GAI seien mehr als 500 Personen aus diesem Personenkreis im Bezirk abgeschoben worden, so das RP. Wie viele Gefährder noch ausgewiesen werden sollen, dazu machen die Behörden keine Angaben.
Zuletzt hatten Sparvorgaben für Unruhe gesorgt, weil das Dezernat für Ausländerrecht mit 40 Stellen kaum mit der Arbeit hinterherkommt. Nach der Berichterstattung im Frühjahr wurden alle befristeten Stellen zumindest zunächst bis Ende 2024 verlängert. (Bastian Ludwig, Daniel Göbel)