Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, zu Gast in Freising: „Wir wählen keinen Entertainer“
Er ist als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion ganz nah dran an Bundeskanzler Olaf Scholz. Und er ist auf Wahlkampftour. Am Donnerstag machte Rolf Mützenich einen Abstecher in Freising. Nicht alle, die ihn sehen wollten, konnten das. Zu groß war das Interesse.
Freising – Donnerstagabend in der Fischergasse. Im Café Junkers rücken die Gäste nah zusammen. Kein einziger Stuhl ist mehr frei. Einige, die keinen Platz ergattern, gehen wieder nach Hause. Eine schwarze Limousine fährt vor, parkt gegenüber. Juso-Vorsitzender Michael Firlus, der draußen vor dem Café wartet, öffnet kurz die Tür: „Er ist da!“ Wenige Augenblicke später kommt ein Mann im hellblauen Hemd mit schwarzen Knöpfen, darüber ein dunkles Sakko, ins Junkers. Es ist der Mann, wegen dem hier heute volles Haus ist, von dem die vielen Gäste hören wollen, was er zur aktuellen Lage im Land und zur bevorstehenden Bundestagswahl zu sagen hat.
Rolf Mützenich begrüßt SPD-MdB Andreas Mehltretter, auf dessen Einladung er gekommen ist, herzlich, freundschaftlich. Dann verschwindet er kurz, um sich frisch zu machen, ehe er sich vor dem Wahlplakat, für alle gut sichtbar, in Position bringt.
Es soll ein emotionaler Abend werden. Das zeigt sich bereits nach wenigen Worten, die Mützenich über den Gastgeber des Abends, Andreas Mehltretter, sagt. „Ich will euch für Andreas beglückwünschen: Er geht auf die Leute zu, hört zu. Er ist nicht nur eine verlässliche Stütze für die gesamte Bundestagsfraktion, sondern auch für mich persönlich.“ Lorbeeren für den Freisinger SPD-Bundestagskandidaten von höchster Stelle. Applaus.
Und dann wird er ernst. Nur einen Tag vor seinem Besuch in Freising wurde der Anschlag in Aschaffenburg verübt, bei dem ein Kind und ein Mann getötet wurden. Mützenich berichtet, dass er nur wenige Meter davon entfernt gewesen sei. Ja, er sei für weitere rechtliche Korrekturen nach diesem Attentat bereit. Ja, es müsse Konsequenzen und eine schonungslose Aufklärung geben. „Ich bin aber nicht bereit, wenige Stunden nach dieser schrecklichen Tat nur um der Aufmerksamkeit willen, oder weil ich meine, das bringt die eine oder andere Stimme ein, einen Fünf-Punkte-Katalog durch die Welt zu schicken und zu sagen, wenn die erfüllt gewesen wären, wäre es nicht zu diesem Attentat gekommen.“ Dieses Verhalten von CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sei unverantwortlich. Was wenige Stunden nach der Tat aus Respekt vor den Opfern, den Eltern, Freunden und Kindern, die das erleben mussten, notwendig sei: „Anteilnahme. Ein paar Stunden innehalten, bevor man eine innerpolitische Debatte führt, die Wasser auf die Mühlen derer ist, die dieses Land niemals regieren dürfen.“
Jetzt switcht der 65-Jährige um in den Wahlkampfmodus. Berichtet vom ehemaligen Koalitionspartner, der FDP, mit der kein Neustart mehr zu machen gewesen sei, berichtet von den schlimmsten drei Jahren im Bundestag, die er jemals erlebt habe und sagt, im Brustton der Überzeugung: „Ohne Sozialdemokraten wäre manches noch viel schlimmer ausgegangen.“ Nein, er schäme sich nicht dafür, dass die SPD Verantwortung getragen habe in dieser schwierigen Zeit, nicht für die Beschlüsse bezüglich der Energiekrise, nicht dafür, das Kindergeld für jedes Kind auf 250 Euro erhöht zu haben.
Über Kanzler Olaf Scholz sagt er: „Auch, wenn er dem einen oder anderen vielleicht ein bisschen zu dröge sein mag: Wir wählen keinen Entertainer, sondern jemanden, der den Menschen, so gut es geht, beistehen kann.“ Olaf Scholz habe stets gesagt, er werde versuchen, jedes Fenster der Diplomatie ein bisschen weiter zu öffnen. Er sei aber auch einer, der Donald Trump widerspricht, „weil er ihn zu Recht ernst nimmt“.
Und ernst müsse man auch die AfD nehmen. Er habe am selben Tag zwei Behinderteneinrichtungen besucht. „Die haben Angst.“ Angst vor Björn Höcke und davor, dass er seiner Überzeugung, Kinder mit Behinderung würden nicht in die allgemeine Schulbildung gehören, Taten folgen lasse. „Sie haben Angst vor Ausgrenzung.“ Auch darum gehe es bei den Wahlen am 23. Februar. Eine gute Stunde nimmt sich Mützenich Zeit, beantwortet Fragen. Dann geht‘s weiter nach Köln. Seine Worte zum Abschied: „Lassen wir unsere Demokratie nicht vor die Hunde gehen.“ Tosender Applaus.