Der neue Kanzlerkandidat der Grünen – Baerbock macht Habeck Platz
Drei Monate vor der Bundestagswahl werden die Grünen auf ihren Kanzlerkandidaten zugeschnitten: der Parteitag als Krönungszeremonie für Robert Habeck.
Berlin – Er sah damals lange nicht so grau, lange nicht so erschöpft aus wie heute. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass Robert Habeck einen großen Schritt zurücktrat und Annalena Baerbock die Kanzlerkandidatur überließ. „Wir beide wollten es“, sagte er damals, „aber am Ende kann es nur eine machen.“ Nur wenige Stunden später wird er in einem Interview erzählen, dass das der schmerzhafteste Tag seiner politischen Laufbahn war. Doch in dem Moment ging es erst mal darum, sich als guten Verlierer zu präsentieren, als jemand, der die Partei vor seine eigene Karriere stellt.
Einen kleinen Hinweis konnte er sich aber trotzdem nicht verkneifen. Politik sei ja dynamisch, sagte er, und „eine Dynamik bedeutet, dass sich Rollen immer wieder neu justieren werden“. Er wird es wieder versuchen, sollte das heißen.

Robert Habeck wird zum Kanzlerkandidaten gekürt – Baerbock soll unterstützen
Nun ist der Moment gekommen. Am Sonntag ist es Robert Habeck, der sich auf dem Parteitag von den Delegierten zum Kanzlerkandidaten küren lassen wird. Und die Erwartungshaltung ist klar: Diesmal soll Baerbock den 55-Jährigen unterstützen. Die beiden sollen „im Spitzenduo“ in die Bundestagswahl gehen, heißt es in einem Antrag für den Grünen-Parteitag, der am Freitag in Wiesbaden begonnen hat. Um das Wort „Kanzlerkandidat“ drückt man sich allerdings noch – Habeck werde als „Kandidat für die Menschen in Deutschland“ antreten.
Das klingt kryptisch, aber vielleicht wollte man die Spannung ja noch irgendwie bis zu diesem Sonntag (17. November) aufrechterhalten – auch wenn Habeck völlig konkurrenzlos dasteht. Womöglich wollte die Partei aber auch nicht größenwahnsinnig klingen, bei Umfragewerten von gerade mal elf bis zwölf Prozent.
Grünen Bundesvorstand wird neu gewählt – Habeck holt Brantner und Banaszak an Board
Und dann ist da noch die Last des ewigen Ampelstreits, die Mitschuld am Bruch der Koalition. All das will Robert Habeck nun abschütteln. An diesem Samstag wird der komplette Bundesvorstand neu gewählt. Franziska Brantner und Felix Banaszak sollen die neue Doppelspitze bilden. Brantner (45) gilt als enge Habeck-Vertraute, arbeitet für ihn als Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Banaszak (35) versteht sich als Linker und soll wohl dem Realo Habeck dabei helfen, Wähler aus der bürgerlichen Mitte zu fischen, ohne den Rückhalt im linken Parteiflügel zu verlieren.
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Die neue Doppelspitze, den meisten Bürgern völlig unbekannt, soll für einen sauberen Neuanfang stehen – und Patzer wie das vermasselte Heizungsgesetz vergessen lassen. Drei Monate vor der Wahl schneidert Habeck die Partei auf sich zu. Alles wird ausgetauscht. Auf dem Parteitag werden außerdem Omid Nouripour und Ricarda Lang als Parteichefs verabschiedet, die nach den verheerenden Ergebnissen der Ost-Wahlen ihren Rücktritt angekündigt hatten. Sie stehen für eine Zeit, in der die Grünen ihre Werte völlig auf den Kopf gestellt haben, von der echten Ökopartei zum Ampel-Problem, das Verschärfungen in der Asyl-Politik mit ausgehandelt hat.
Die Grünen wieder als Klimapartei wie vor der Bundestagswahl 2021
In einem Doppelinterview mit der Süddeutschen Zeitung haben Brantner und Banaszak klargemacht, die Grünen wieder stärker zur Klimapartei machen zu wollen – etwas, das treue Grünen-Wähler zuletzt immer mehr vermisst haben. Die Partei erhofft sich ein Comeback, wie damals, als die Grünen 2021 in Umfragen an der 30-Prozent-Marke kratzten – kurz bevor Baerbock in der Wählergunst massiv abstürzte. Robert Habeck wird sich oft gedacht haben, dass es unter ihm anders gelaufen wäre. Jetzt kann er es beweisen. (Kathrin Braun)