US-Kritik nach Geisel-Drama im Gazastreifen: Biden äußert Anschuldigung – Netanjahu tue nicht genug
Im In- und Ausland wächst der Druck auf Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, ein Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen zu erzielen.
Tel Aviv – Noch immer ist Israel im Krieg. Und nach der Bergung von sechs getöteten Hamas-Geiseln wächst im In- und Ausland nun wieder der Druck auf Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, ein Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung aller übrigen Geiseln zu erzielen.
Netanjahu bat am Montagabend (2. September) zwar um „Verzeihung“ für die nicht gelungene Rettung der Geiseln, will bei den Verhandlungen über das Waffenruhe-Abkommen aber hart bleiben. Außer den Teilnehmern landesweiter Proteste und eines zwischenzeitlichen Generalstreiks in Israel übte auch US-Präsident Joe Biden Kritik an Netanjahus Kurs.

Sechs tote Geiseln im Gaza-Krieg: Netanjahu entschuldigt sich bei Bevölkerung
„Ich bitte Sie um Vergebung, sie nicht lebend zurückgebracht zu haben“, sagte Netanjahu bei einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz über die sechs getöteten Geiseln. „Wir waren nah dran, aber es ist uns nicht gelungen.“
Die Hamas werde „in naher Zukunft einen sehr hohen Preis“ dafür zahlen, dass sie die Geiseln mit Schüssen „in den Hinterkopf“ getötet habe, sagte Netanjahu. Statt Zugeständnissen sei „maximaler Druck auf die Hamas“ notwendig. Zugleich versicherte Netanjahu, dass niemand sich mehr um die Befreiung der Geiseln bemühe als er: „Niemand kann mir darüber Lehren erteilen.“
Israel im Krieg: Biden kritisiert Netanjahu
Auch US-Präsident Joe Biden, der weiterhin auf einen Geisel-Deal hofft, kritisierte Netanjahu. Auf die Frage, ob der israelische Ministerpräsident genug tue, um ein Abkommen zu erreichen, entgegnete Biden bei einem Auftritt in Washington: „Nein.“
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Gleichwohl sei man einer finalen Vereinbarung zur Freilassung der restlichen Geiseln aus der Hand der Hamas „sehr nah“. Dazu befragt, was ihn nach den vielen erfolglosen Anläufen für einen Deal zu dieser Einschätzung bringe, antwortete Biden, die Hoffnung sterbe zuletzt.
Britische Regierung kündigt teilweise Aussetzung der Waffenexporte nach Israel an
Die britische Regierung kündigte derweil an, 30 von insgesamt 350 Ausfuhrgenehmigungen für Waffenlieferungen an Israel würden ausgesetzt. Zur Begründung verwies Außenminister David Lammy auf ein „eindeutiges Risiko“, dass die Waffen bei „einer schweren Verletzung des humanitären Völkerrechts“ eingesetzt werden könnten. Betroffen sind unter anderem Teile für Jets und Drohnen.
Das Büro von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach von einer „beschämenden Entscheidung“, die die islamistische Hamas ermutigen werde. „Mit oder ohne britische Waffen wird Israel diesen Krieg gewinnen“, hieß es in einer Mitteilung auf der Plattform X. Israel halte sich im Gaza-Krieg an das humanitäre Völkerrecht und ergreife „beispiellose Maßnahmen, um Zivilisten vor Gefahren zu schützen“.
Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass sich unter den Geiseln immer noch eine niedrige zweistellige Anzahl von Menschen mit Deutschland-Bezug befindet. Die Ermordung der nun entdeckten sechs Geiseln verurteilte das Auswärtige Amt am Montagabend im Onlinedienst X als „schier unerträglich“. Alle übrigen Geiseln müssten freigelassen und ein humanitärer Waffenstillstand im Gazastreifen erreicht werden. „Das Sterben in Gaza muss aufhören“, hieß es weiter.
Weiterhin keine Waffenruhe im Gazastreifen
Im Gazastreifen ist man dagegen von einer Waffenruhe offenbar noch weit entfernt. Mit Blick darauf betonte Netanjahu, Israel müsse über das Gebiet an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten die Kontrolle behalten. Dadurch werde sichergestellt, dass die verbliebenen Geiseln „nicht aus dem Gazastreifen herausgeschmuggelt werden“.
Israels Rückzug aus dem sogenannten Philadelphi-Korridor gehört zu den zentralen Streitpunkten bei den Verhandlungen, die nicht nur eine Waffenruhe in dem Palästinensergebiet, sondern auch die Freilassung aller verbliebenen aus Israel in den Gazastreifen verschleppten Geiseln zum Ziel haben. (erpe/dpa/AFP)