Entsäuerung durch basenbildende Ernährung? Experte deckt Mythos auf
Obst und Gemüse statt Fleisch: Eine basenbildende Ernährung soll Wunder wirken. Doch was sagt die Wissenschaft dazu? Wir haben mit einem Experten gesprochen.
Die basenbildende Ernährung wird häufig als Weg zu besserem Wohlbefinden und einem ausgeglichenen Stoffwechsel angepriesen. Während viele Befürworter von den positiven gesundheitlichen Effekten überzeugt sind, betonen Mediziner, dass der Körper keine „Entsäuerung“ benötigt. Im Gespräch mit dem Stoffwechselmediziner Stefan Kabisch von der Charité wird klar, was hinter diesem Mythos steckt und ob eine basenbildende Ernährung dennoch gesundheitliche Vorteile bieten kann.
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Trendbegriff „basische Ernährung“
Der Begriff „basische Ernährung“ wird häufig verwendet, ist jedoch ungenau. Wie Stefan Kabisch erläutert, erweckt „basisch“ den Eindruck, dass die Lebensmittel selbst basisch seien. Tatsächlich enthalten jedoch Obst, Gemüse, Fleisch und andere Nahrungsmittel eine Vielzahl von Säuren – darunter Fruchtsäuren, Milchsäure, Aminosäuren, Essigsäure und Fettsäuren. Daher sind sie nie ausschließlich basisch. Eine präzisere Bezeichnung ist daher „basenbildende Ernährung“, da sie sich auf die Wirkung der Lebensmittel im Stoffwechsel bezieht.
Die Grundlagen der basenbildenden Ernährung
Die basenbildende Ernährung basiert auf der Idee, den Konsum von Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Soja, Nüssen und Kräutern zu erhöhen, während der Verzehr von säurebildenden Lebensmitteln wie Fleisch, Wurst und Milchprodukten reduziert wird. Anhänger dieser Ernährungsweise behaupten, dass dadurch der pH-Wert des Körpers positiv beeinflusst werden könne, was verschiedene Stoffwechselprozesse verbessern soll, erklärt Kabisch.
In Wirklichkeit beeinflusst die Nahrung jedoch nur den pH-Wert des Urins. „Innerhalb des Körpers existieren sogenannte Puffersysteme, also biochemische Ausgleichssysteme, die dafür sorgen, dass der pH-Wert stabil bleibt“, erläutert der Stoffwechselmediziner. Daher ist die Vorstellung, dass eine basenbildende Ernährung den Säure-Basen-Haushalt im Körper direkt beeinflusst, wissenschaftlich umstritten.
Tipp: Zu einer ausgewogenen Ernährung gehören auch Lebensmittel, die Probiotika enthalten.

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Mythos um basenbildende Ernährung: „Übersäuerung tritt nur bei schweren Erkrankungen auf“
Eine tatsächliche Übersäuerung des Körpers kann zwar vorkommen, ist jedoch nicht ernährungsbedingt, sondern tritt nur in extremen Stoffwechselsituationen auf, etwa bei schweren Erkrankungen. „Ein Beispiel ist eine stark beeinträchtigte Lungenfunktion, bei der der Körper nicht mehr genügend CO₂ abatmen kann, wodurch sich Säuren ansammeln“, erklärt Kabisch.
Auch bei Menschen mit Typ-1-Diabetes kann es zu einer gefährlichen Stoffwechselentgleisung kommen, wenn sie über mehrere Tage kein Insulin erhalten – in diesem Fall sammeln sich Ketonsäuren im Blut an. Solche Formen der Übersäuerung sind lebensbedrohlich und können schnell zum Tod führen. „Eine langfristige Übersäuerung des Körpers durch Ernährung existiert hingegen nicht. Überschüssige Säuren werden über den Urin ausgeschieden, sodass der pH-Wert im Körper stabil bleibt“, so der Mediziner.
Basenreiche Ernährung: Mehr Vitamine und Ballaststoffe
Obwohl eine basenbildende Ernährung den Säure-Basen-Haushalt im Körper nicht direkt beeinflusst, kann sie dennoch gesundheitliche Vorteile bieten. Diese resultieren jedoch aus anderen Gründen: „Die Verbesserung, die viele Menschen bei einer basenbildenden Ernährung feststellen, haben nichts mit dem pH-Wert zu tun, sondern damit, dass sie in der Regel auf eine pflanzenbetonte, oft sogar vegetarische oder vegane Ernährung umsteigen“, erklärt Kabisch.
Eine solche Ernährungsweise kann positive Effekte haben: Der Cholesterinspiegel sinkt, da weniger tierische Fette konsumiert werden. Besonders das LDL-Cholesterin, das als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gilt, kann durch eine ballaststoffreiche und fettärmere Ernährung gesenkt werden. „Wer sich basenreich ernährt, nimmt in der Regel mehr Vitamine, Spurenelemente und Ballaststoffe zu sich. Das kann die Insulinsensitivität steigern und Entzündungsprozesse im Körper reduzieren“, fügt Kabisch hinzu.
Risiken einer basenbildenden Ernährung
Es können auch Risiken auftreten, insbesondere wenn die basenbildende Ernährung in Form von Kuren oder mit Nahrungsergänzungsmitteln kombiniert wird. „Es ist überflüssig bis schädlich, wenn man solche Basenkuren ohne ärztliche Rücksprache durchführt“, warnt Kabisch.
- Verdauungsprobleme: Basenbildende Präparate können kurzfristig Sodbrennen lindern, doch der Körper reagiert oft mit verstärkter Säureproduktion. Zudem ist Magensäure essenziell für die Verdauung und Keimabwehr – wer sie künstlich neutralisiert, riskiert Infektionen und Nährstoffmängel.
- Nierenstein-Risiko: Während Urin mit einem höheren Anteil an Basen bestimmte Nierensteine auflösen kann, begünstigt er andere. Eine unkontrollierte Einnahme von Basenbildnern kann daher kontraproduktiv sein.
- Mangelversorgung: Eine basenbildende Ernährung ist oft pflanzenbasiert und kann bei schlechter Planung zu Defiziten bei Vitamin B12, Eisen, Zink oder Eiweiß führen.
Hinweis: Eine unzureichend geplante Ernährung kann zu Mangelerscheinungen führen. Im Zweifel sollte eine ärztliche oder ernährungswissenschaftliche Beratung in Anspruch genommen werden, um eine bedarfsdeckende und gesunde Ernährungsweise zu gewährleisten.