Dieser Narr ist uralt: Die Rückkehr des Schabernack-Treibers am Unsinnigen Donnerstag
Im Herzen der Faschingshochburg Mittenwald wachte vor 40 Jahren am Unsinnigen Donnerstag eine verlorene Ikone auf. Das unverwechselbare Gemüt des Bajazzels belebt seither die Straßen. Walter Reiser freut sich bereits auf den 8. Februar.
Mittenwald – Er ist der historische Possenreißer, Spaßmacher, eine komische Figur. Der Bajazzo ist eine italienische Narrenfigur, vornehmlich auf Theaterbühnen beheimatet. Woher seine Name stammt, ist nicht ganz auszumachen: Aus dem französischen paillasse vielleicht, was Strohsack bedeutet. Gut möglich, aufgrund seines strohsack-ähnlichen Gewandes. Oder rührt der Ursprung eher vom italienischen Wort baia her, also Spaß? Sinn macht beides. Doch hat man im Alpenraum einen ganz eigenen Begriff in Mundart dafür entwickelt: der „Bajazzel“.
Wie lang es den Schabernack-Treiber im Werdenfelser Land bereits gibt, davon zeugen teils uralte Larven. Die Figur hinterließ deutliche Spuren. Alte Bajazzel-Masken konnten bis ins 18. Jahrhundert zurückdatiert werden, womöglich gibt es noch ältere. In Mittenwald ist er seit langem bei den Gungln unterwegs. Doch ausgerechnet am Unsinnigen Donnerstag, dem unumstrittenen Höhepunkt in der Faschingshochburg Mittenwald, ist er lange Zeit von der Bildfläche verschwunden. Bis Walter Reiser ihn vor rund 40 Jahren in dem Treiben wieder einfügte. In seiner Gruppe spielt der Bajazzel seither eine zentrale Figur. Deshalb ist 2024 für den Holzbildhauermeister etwas besonderes, weil der Possenreißer seit nun mehr 40. Jahren am Unsinnigen (8. Februar) im rosa-weißen Kostüm im Obermarkt hüpft.
Walter Reisers Gruppe ist 1984 entstanden
Angefangen hat Reiser in den 1970ern erst einmal alleine. Bei einer geselligen Runde einige Jahre später dachte er laut darüber nach, doch eine eigene Gruppe um sich zu scharen. „Wir sind nett beisammen gesessen“, erinnert sich Reiser. Dann ging alles recht flott. Vorbereitungen wurden getroffen. Der Schnitzer hatte allerhand Holzlarven in petto. Das erste Aufgebot bestand neben Reiser aus Georg Sailer, Helmut Heinrich, Luitpold Wurmer, Richard Reindl, Anton Brandtner und Georg Fürst.
1984 war es dann soweit. Der Bajazzel, den viele zu der Zeit beim großen Fasnachtstreiben am Unsinnigen gar nicht mehr kannten, hatte seinen großen Auftritt. Daneben liefen Maschkera mit sehr schweren Eisenschellen mit, die Reiser sich eigens im Tiroler Fulpmes anfertigen hatte lassen. Sogenannte „Beserer“, hexenähnliche Figuren, machten mit ihrem Gerät Platz zwischen den zahlreichen Zuschauern. Schnell fanden sich weitere begeisterte Einheimische, die mitmachten. „Seither sind wir zu einem kleinen, aber feinen Haufen gewachsen“, blickt Reiser zufrieden zurück.

Führung hat Reiser schon länger an seine Söhne übergeben
Er und seine Freunde starten erst einige Zeit nach zwölf Uhr, lassen sich Zeit im Obermarkt, um sich den tausenden Schaulustigen zu präsentieren. „Ein festes Ritual.“ Eingekehrt wird unter anderem im Hotel Post, am Seniorennachmittag im Pfarrsaal oder im Platzl. „Manche Wirtschaften gibt’s schon gar nicht mehr, wie etwa das Flößerstüberl.“ Die Wirtshaus-Abfolge für den Tag ändert sich stetig. Das, was allerdings Bestand hat, ist der Frühschoppen vorab in Reisers Werkstatt an der Klammstraße. Da lassen sich die Brauchtumsbewahrer Leberkäse und Bier schmecken.
Über die Jahre hinweg hat Reiser die Führung peu à peu an seine Söhne Christoph und Florian übergeben. Sie waren nicht nur im Isartal unterwegs. 2007 verschlug es die Gruppe nach Endingen am Kaiserstuhl (Baden-Württemberg) zur dortigen Narrenzunft von 1782. Auch der Churer Fasnacht in der Schweiz statteten sie einen Besuch ab. Überhaupt ist Reiser auch von den Traditionen anderer Regionen fasziniert. So schnitzt er seit über 30 Jahren die althergebrachten Holzlarven für die sogenannten „Martha-Dörfer“ im Innsbrucker Raum, unter anderem Weer, Absam oder Thaur und hat dort langjährige Freundschaften geschlossen.
Jetzt konzentrieren sich er und seine Mitstreiter auf den anstehenden Unsinnigen. Was außergewöhnliches ist heuer nicht geplant. Genau das macht das Maschkera-Gehen aber auch aus: Beständigkeit.