„Richter Umstandslos“ unterbricht Prozess: Säumigen Schuldner zum Geldautomaten geschickt

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Benjamin Lenhart, Amtsgerichtsdirektor und Strafrichter in Ebersberg, sorgte für einen ungewöhnlich schnellen Schuldenausgleich. © Josef Ametsbichler

Ein Handwerker schuldet einem Imbissbetreiber aus Vaterstetten 1000 Euro. Der Ebersberger Amtsrichter fackelt nicht lange, sondern sorgt für direkten Ausgleich.

Ebersberg – Die Renovierung eines Imbisses in Vaterstetten endete für den zuständigen Handwerker vor dem Ebersberger Amtsgericht. Dort musst sich der 48-Jährige wegen Betrugs verantworten.

Laut Anklage sollte der gelernte Fliesenleger aus Moosburg an der Isar (Landkreis Freising) den Imbiss an der Bahnhofsstraße im Januar 2023 auf Vordermann bringen. Als Pauschalpreis für die Renovierungsarbeiten legte der Handwerker 2000 Euro fest. Die Hälfte der Summe wollte der Mann zur Materialbeschaffung allerdings schon vorher vom 62-jährigen Besitzer haben. Der zahlte, doch an seinem Imbiss tat sich nichts, weshalb der Vaterstettener schließlich Anzeige erstattete.

Angeklagter zeigt sich einsichtig: Dann beginnt die „Märchenstunde“

Vor Gericht zeigte sich der Angeklagte zunächst einsichtig. „Es stimmt, diese Abmachung hat es gegeben“, erklärte er Richter Benjamin Lenhart. Dass er den Imbissbesitzer jedoch betrogen hätte, stimme nicht. „Ich wollte die Arbeiten erledigen, aber ich hatte familiäre Probleme. Deshalb hat sich alles in die Länge gezogen“, erklärte der Mann. Schließlich sei im selben Monat plötzlich seine Mutter verstorben. Zur Regelung des Erbes musste der 48-Jährige zurück in sein Heimatland Rumänien. Kurz darauf habe eines seiner insgesamt sechs Kinder einen Blinddarmdurchbruch erlitten. „Ich musste drei Monate bei ihm bleiben“, betonte der Moosburger vor Gericht. Bei dem Imbissbesitzer habe er deshalb um Aufschub gebeten.

„Jetzt kommen wir aber in eine Märchenstunde“, entgegnete ihm der Richter. „Wir haben hier eine Whatsapp-Konversation die ziemlich genau das Gegenteil zeigt“, sagte er und deutete mit dem Finger auf die zentimeterdicke Akte. Demnach habe der Imbissbesitzer über mehrere Monate hinweg immer wieder versucht den Fliesenleger zu erreichen – ohne Erfolg. Auf Nachfrage des Richters gab der Angeklagte schließlich zu, das Geld anderweitig verwendet zu haben. „Was reinkommt wird nicht unbedingt für den jeweiligen Bau verwendet“, sagte er. Wofür genau er das Geld ausgegeben hat, wollte er jedoch nicht sagen.

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Wann zahlt der Mann seine Schulden?: Der Richter wählt den kurzen Dienstweg

Die Schulden in Höhe von 1000 Euro wolle er aber baldmöglichst zurückzahlen. „Haben sie so viel Geld auf dem Konto?“, fragte Richter Lenhart. Der Angeklagte nickte zögerlich. „Dann gehen sie jetzt zum Geldautomat und heben es ab“, befahl der Richter, der gleichzeitig Direktor des Ebersberger Amtsgerichts ist, und ordnete eine Unterbrechung der Verhandlung an.

Nach rund 20 Minuten kam der Angeklagte zurück, in seiner Jackentasche hatte er die ausstehenden 1000 Euro. Über den Richtertisch fand das Geld schließlich seinen rechtmäßigen Weg zum Imbissbesitzer, der als Zeuge geladen war. Anschließend verurteile Richter Lenhart den Handwerker noch zu einer Geldstrafe in Höhe von 6000 Euro.

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