Bürgergeld-Empfängerin wehrt sich vor Gericht – Jobcenter vergaß entscheidenden Hinweis

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Ein Urteil des Bundessozialgerichts schützt Bürgergeld-Empfänger vor unberechtigten Rückforderungen – wenn die Behörden ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben.

München – Wenn Angestellte in Teilzeit oder auf Abruf arbeiten, können sie mit Bürgergeld ihren Lohn aufstocken und erhalten dabei einen ganz normalen Bewilligungsbescheid vom Jobcenter. Ärgerlich wird es allerdings, wenn Monate später eine Rückforderung ins Haus flattert und das Amt Hunderte Euro zurückverlangt. So ging es auch einer alleinerziehenden Mutter, wie gegen-hartz.de berichtet. Ihre erfolgreiche Klage aus dem Jahr 2020 stärkt bis heute die Rechte von Betroffenen.

Jobcenter muss Bescheide als vorläufig kennzeichnen.
Kennzeichnet das Jobcenter einen Bescheid nicht als „vorläufig“, darf es nur noch unter strengen Bedingungen Geld zurückfordern. © IMAGO/Rene Traut

Das Bundessozialgericht hatte im Urteil mit dem Aktenzeichen B 4 AS 10/20 R entschieden, dass ein Bescheid als endgültig gilt, wenn auf diesem nicht der ausdrückliche Hinweis auf eine Vorläufigkeit stattfindet. Fehlt diese Formulierung auf dem Dokument, sind Rückforderungen nur unter strengen Voraussetzungen möglich. In einem anderen Urteil stärkten die Richter die Rechte von Schülern.

Jobcenter-Bescheid für Rückforderung ist ungültig, wenn er nicht als vorläufig gekennzeichnet ist

Im verhandelten Fall arbeitete eine alleinerziehende Mutter auf Abruf. Ihr monatliches Einkommen schwankte erheblich, weshalb sie ergänzend Bürgergeld bezog, so gegen-hartz.de. Das Jobcenter berücksichtigte zunächst pauschale Einkommenswerte und passte die Leistungen später mehrfach an.

In keinem der Bescheide stand das Wort „vorläufig“. Monate später forderte die Behörde 761,81 Euro zurück, mit der Begründung, die Frau habe mehr verdient als geschätzt. Die Betroffene widersprach erfolgreich und klagte. Das Bundessozialgericht stellte einen Grundsatz auf: Ein Bescheid ist endgültig, wenn der Vorläufigkeitsvorbehalt fehlt. Eine nachträgliche „abschließende Festsetzung“ ist dann nicht zulässig.

Endgültiger Bescheid vom Jobcenter: Wann darf das Amt trotzdem Geld zurückfordern?

Die Richter betonten, dass sich aus dem Inhalt des Bescheids eindeutig ergeben muss, ob eine Vorläufigkeit vorliegt. Andeutungen oder versteckte Hinweise genügen nicht. Ohne klare Kennzeichnung gelten die strengeren Regeln für Rücknahmen nach § 45 SGB. Liegt ein endgültiger Bescheid vor, darf das Jobcenter Leistungen nur nach § 45 SGB X zurücknehmen. Dafür sind weitere Voraussetzungen erforderlich:

  • Bösgläubigkeit: Die Betroffenen müssen die Rechtswidrigkeit gekannt oder grob fahrlässig nicht erkannt haben
  • Reine Einkommensschwankungen reichen nicht aus
  • Die Behörde muss die subjektiven Voraussetzungen nachweisen

Diese zwei Voraussetzungen machen einen Jobcenter-Bescheid vorläufig

Das BSG hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zurück, da diese Prüfung nicht erfolgt war. Der Paragraph 41a SGB II erlaubt vorläufige Entscheidungen bei unklarem Anspruch oder unklarer Höhe – typisch bei schwankendem Erwerbseinkommen. Für eine rechtmäßige vorläufige Bewilligung sind allerdings zwei Voraussetzungen erforderlich:

  • Der Bescheid muss die Vorläufigkeit explizit nennen
  • Grund der Vorläufigkeit und Berechnung müssen erklärt werden

Nur so wissen Betroffene, dass noch eine Schlussabrechnung folgt. Eine sogenannte Ein-Jahres-Regel schützt vor späten Überraschungen. Bei vorläufiger Bewilligung muss die abschließende Entscheidung rechtzeitig kommen. Spätestens ein Jahr nach Ende des Bewilligungszeitraums ist Schluss. Danach gelten die vorläufigen Leistungen gesetzlich als endgültig. Diese Frist verhindert nachträgliche Überraschungen und schafft Rechtssicherheit.

Mit dem Bürgergeld wurde zudem eine 50-Euro-Bagatellgrenze eingeführt. Liegt der Überzahlungsbetrag unter 50 Euro je Bedarfsgemeinschaft, verzichtet das Jobcenter auf Erstattungen. Die Grenze reduziert Kleinstverfahren, ändert aber nichts am Grundsatz zur korrekten Kennzeichnung. Das Urteil schafft keine generelle Rückzahlungsfreiheit. Auch bei Versicherungs-Kosten hat ein Gericht zugunsten von Bürgergeld-Empfängern entschieden. (bk)

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