Lernassistenten an Peißenberger Grundschule sind „Hilfestationen im schulischen Alltagsfluss“

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Handschlag zwischen Rektorin und Lernassistenz-Sponsor: Susanne Coldwell und Horst Schneider. Mit auf dem Foto: (v.l.) Hans Medele, Ceylan Kar, Amelie Vogelmann und Frank Zellner. © Jepsen

An der Peißenberger St.-Johann-Grundschule unterstützen seit gut zwei Jahren sogenannte Lernassistenten die pädagogische Arbeit der Lehrkräfte. Das erfolgreiche Pilotprojekt wurde jetzt auf die Josef-Zerhoch-Mittelschule ausgedehnt. Die Finanzierung erfolgt erneut über Fördermittel der „TÜV Süd Stiftung“.

Peißenberg – Es ist eine erschreckende und für Bayern als Wirtschaftsstandort ebenso bedrohliche Zahl: Demnach verlassen allein im Freistaat durchschnittlich rund 6000 Jugendliche pro Jahr die Schulen, ohne ordentlich rechnen, schreiben oder lesen zu können. Kurzum: Sie sind nicht ausbildungsfähig.

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Hans Medele, früherer Obermeister der Kfz-Innung München-Oberbayern, spricht von einem „katastrophalen Leistungsabfall“. Der Autohausbesitzer aus Weilheim schlägt über sein politisches Netzwerk schon seit längerem Alarm – allerdings ohne Erfolg: „Ich laufe da gegen eine Wand“, bedauert Medele.

Medele fordert Systemwechsel

Für ihn ist das Problem allerdings evident: „Wir brauchen die jungen Leute dringend in den Betrieben. Aber sie laufen von der Schule direkt ins Sozialsystem über.“ Medele will nicht die Schulen und schon gar nicht die Lehrkräfte an den Pranger stellen. Er fordert vielmehr einen „Systemwechsel“ – und: Auch die Eltern müssten wieder mehr Verantwortung für ihre Kinder übernehmen. Medele kritisiert nicht nur, er packt auch an.

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Vor zwei Jahren hat er über seine Kontakte zur „TÜV Süd Stiftung“ Sponsorengelder in Höhe von 40 000 Euro für die Einführung der „Lernassistenz“ an der St.-Johann-Grundschule vermittelt. Nach erfolgreichem Projektverlauf kommt die unterstützende Lernarbeit seit diesem Schuljahr auch an der Josef-Zerhoch-Mittelschule zum Einsatz – wieder finanziert durch die TÜV-Stiftung, wieder in Höhe von 40 000 Euro. Das Ziel: Schüler durch gezielte Betreuung beim Lernen in die Lage zu versetzen, sich ein bildungstechnisches Rüstzeug für einen guten Start ins Berufsleben anzueignen.

Zusätzliche Lehrkräfte wird es nicht geben

„Wir sind extrem dankbar für die Unterstützung von außen“, sagt Mittelschulrektorin Susanne Coldwell über das Engagement der TÜV-Stiftung. Ihrer Meinung nach bräuchte es viel mehr pädagogisches Personal an den Schulen – denn: „Die Schülerschaft ist anspruchsvoll – und die Eltern sind es auch.“ Doch zusätzliche Lehrkräfte wird es in absehbarer Zeit nicht geben.

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Es braucht also alternative Programme und Personen wie Ceylan Kar. Sie ist an der Zerhoch-Mittelschule zweimal die Woche für jeweils vier Stunden in der achten und neunten Klasse als Lernassistentin im Einsatz. „Die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen macht mir total Spaß“, erzählt Kar: „Schon als meine Kinder noch in der Schule waren, hat es mir Freude bereitet, mit ihnen zu lernen und Hausaufgaben zu machen.“ Kar ist mit dem schulischen Umfeld durchaus vertraut. Sie arbeitet in der Grundschule im offenen Ganztag. Was sie an der Lernassistenz besonders begeistert: „Es macht mich einfach glücklich, wenn man sieht, dass die Kinder vorwärtskommen und Erfolgserlebnisse haben.“

Pilotprojekt ausgedehnt

Kars Aufgabenreich ist durchaus vielfältig: Das Spektrum fängt bei der Unterstützung im Management der Unterrichtsmaterialien und der Arbeitsplatzorganisation an und hört bei Schülern mit Migrationshintergrund bei der Vermittlung von Deutsch-Kenntnissen auf. Kar, die ihre Rolle als „Hilfestation im schulischen Alltagsfluss“ beschreibt, begleitet zudem einzelne Lerngruppen oder ist auch bei Exkursionen oder Betriebsbesichtigungen dabei. Angeleitet wird sie von den Klassenlehrern David Kroll (9a) und Amelie Vogelmann (8a). Beide sind froh über die Unterstützung: „Ich habe 30 Schüler in der Klasse“, berichtet Vogelmann: „Ich habe keine 15 Hände und kann nicht jeden gleichzeitig betreuen.“

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Die Ausdehnung des Pilotprojekts soll der Anfang für viel mehr sein. „Ich will beweisen, dass es funktioniert“, erklärt Medele: „Wenn das Projekt Früchte trägt, dann kommt auch das Kultusministerium nicht mehr daran vorbei.“ Medele sieht sich selbst nur als „Initiator“: „Umsetzen tut es das Team.“ Damit sind nicht nur die beiden Peißenberger Schulen gemeint (Medele: „Ich bin froh, dass die beiden Direktoren mitmachen. Andere waren dazu nicht bereit oder hatten keinen Bock.“), sondern auch die Gemeinde (sie wickelt das Bezahlverfahren für die Lernassistenz ab), die TÜV-Stiftung (Chairman Horst Schneider: „Wir versuchen, eine Entwicklung in Gang zu setzen.“) und die Kreishandwerkerschaft. Medeles Versprechen: „Ich sichere zu, dass jeder, der den Hauptschulabschluss schafft, auch einen Ausbildungsplatz bekommt.“ Aber: „Die Leute müssen auch wirklich wollen.“ Medeles ehrgeiziges Fernziel: Die Zahl der Nichtausbildungsfähigen auf null fahren: „Das muss in Deutschland möglich sein.“

Übrigens: Die Mittelschule sucht neben Kar noch drei weitere Lernassistenten. Interessenten können sich direkt an die Schule wenden.

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